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Sinnesphysiologie: Auch Würmer sehen Licht, statt es zu schmecken

Augenlose Fadenwürmer sind lichtempfindlicher als wir Menschen. Hilfreich ist ihr völlig unterschätzter Fotorezeptor in der Haut: Er ähnelt Geschmackssensoren, arbeitet aber anders.
Sonnenschutz

Der bisher ziemlich unterschätzte Fotorezeptor LITE-1 in der Haut von Fadenwürmern arbeitet etwa 50-mal empfindlicher als die Opsin-Rezeptormoleküle in unserem Auge. Biochemisch ist der Rezeptor dabei mit den Geschmacksrezeptoren von Insekten verwandt – in Fadenwürmern ist im Zuge der Evolution aber etwas ganz Eigenes aus dem Sinnesmolekül entstanden, berichten Wurmexperten nach jahrelangen Untersuchungen. Dabei hatten die Forscher um Shawn Xu von der University of Michigan zunächst beobachtet, wie gut die augenlosen C.-elegans-Würmer hell und dunkel unterscheiden können, und den dafür verantwortlichen Rezeptor in der Haut der Tiere gefunden. Die genaue Funktionsweise von LITE-1 war allerdings rätselhaft geblieben, denn: Wie kann ein vermeintlicher Geschmackssensor Lichtreize aufnehmen?

Zunächst hatten die Forscher vermutet, dass der Sensor auf Moleküle reagiert, die durch chemische Prozesse nur auf der belichteten Haut entstehen. Tatsächlich gehört LITE-1 aber zu einer biochemisch neuen, dritten Form von Fotorezeptoren im Tierreich neben den Opsin-Carotin-Systemen und den Cryptochromen. Das Rezeptorprotein LITE-1 reagiert besonders empfindlich auf UV-A- und UV-B-Licht und arbeitet mit zwei Photonen fangenden, im Molekül exakt platzierten Tryptophan-Aminosäuren. Diese können auch gezielt blockiert werden, um das Lichtabsorptionsverhalten des Rezeptors abzuschwächen, berichten Xu und Co. Andersherum erhöht sich die Fotosensitivität von im Aufbau ähnlichen Proteinen deutlich, wenn in diese Tryptophan eingebaut wird. Eine absichtlich herbeigeführte Veränderung des Wurmfotorezeptors – etwa durch Hitze – sorgt dagegen dafür, dass er überhaupt nicht mehr funktioniert. Dies ist bei den entscheidenden Molekülen der Chromophoren anderer Tiere, wie etwa dem von Vitamin-A abgeleiteten Rhodopsin in unseren Augen, nicht in diesem Ausmaß zu beobachten.

Die Forscher sind sich nun noch nicht ganz schlüssig, was mit dem neu erworbenen Wissen über eine dritte Klasse von Fotorezeptoren anzufangen ist. Theoretisch sei denkbar, die Photonenfangquote anderer Proteine mit einem Einbau von Tryptophan gezielt zu erhöhen. Ganz praktisch denken die Wissenschaftler darüber nach, ob ein LITE-1-analoger Zusatz nicht – wegen der besonderen Effizienz im UV-Wellenlängenbereich – auch als Basis für bessere Sonnencremes dienen könnte.

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