Evolution: Auf brachiale Art
Fressen und Gefressen werden gehört zur Natur wie das Tarnen und Täuschen. All das bedingt einander und lässt Räuber wie Beute ihre Arsenale verfeinern. Doch führt unterschiedlicher Erfolg der Jäger auch zur spezifischen Aufspaltung ihrer potenziellen Opfer?
Angesichts der Fülle an Käferarten, die auf Erden hausen, vermutete ein amerikanischer Biologe einst, dass Gott bei der Erschaffung der Welt wohl ein besonderes Faible für diese Insektengruppe gehabt haben müsse. Und tatsächlich stellen die Heerscharen der Kerbtiere einen sehr großen Anteil der heutigen tierischen Artenvielfalt. Ihren evolutionären Erfolg verdanken sie zu einem guten Teil auch ihrer Flexibilität und ihrer raschen Fortpflanzungsrate, mit der sie leicht wie zügig auf Umweltveränderungen reagieren können.
Erobern sie Neuland – eine gerade entstandene Insel oder auch nur eine frisch in ihren Lebensraum eingewanderte Pflanze –, können sie sich oftmals gut auf diese unbekannten Bedingungen einstellen. Und mit etwas Glück entwickelt sich dabei im Laufe der Zeit sogar eine neue Spezies, deren Vertreter speziell an diese ökologischen Ressourcen angepasst sind und diese besser ausnutzen als ihre vormaligen Artgenossen. Das wohl berühmteste Ergebnis dieses als adaptive Radiation bezeichneten Prozesses sind wohl die Darwinfinken von Galapagosein.
Doch das ist offensichtlich nicht die einzige Triebkraft der Evolution, wie jetzt Patrik Nosil und Bernard Crespi von der Simon-Fraser-Universität im kanadischen Burnaby herausgefunden haben. Sie betrachteten Exemplare der nordamerikanischen Stabschrecke Timema cristinae, die womöglich am Beginn ihrer adaptiven Radiation und damit vor der Aufspaltung in zwei Spezies steht. Noch könnten sie sich alle untereinander fruchtbar paaren, sodass ein biologisch einwandfreier Trennungsstrich bislang nicht gezogen werden kann – ihre genetischen Unterschiede bewegen sich im innerartlichen Rahmen.
Aber rein augenscheinlich entwickeln sich diese Kerfe bereits deutlich auseinander, denn je nach bevorzugtem Blattgrün treten sie in unterschiedlicher Form auf: Jene Artmitglieder, die sich bevorzugt an den nadelförmigen Blättern des Rosengewächses Adenostoma fasciculatum laben, tragen ein deutliches weißes Streifenmuster auf ihrem ansonsten dunkelgrünen Körper. Die Konsorten, die sich von den breiten Blättern von Ceanothus spinosus nähren, besitzen nur sacht angedeutete oder keine Streifen – dafür erscheint ihr Grün leuchtender, und sie werden größer.
Je nach aufgesuchtem Standort im Buschwerk tarnt diese Färbung die Insekten natürlich unterschiedlich gut, da sie von Fressfeinden mal mehr, mal weniger gut erspäht werden können. Könnte also nicht auch dieser Fraßdruck sein Scherflein zur Auseinanderentwicklung der Stabschrecken beitragen? Das testeten die Forscher im Gelände, indem sie die gleiche Anzahl von Schrecken beider Varianten auf mehrere der beiden Vorzugspflanzen entließen. Während aber ein Teil der gemischten Populationen durch Netze vor hungrigen Vögeln geschützt wurde, waren ihre Artgenossen den Unbilden der Natur frei ausgesetzt.
Protegierte Timema cristinae hatten natürlich überdurchschnittliche Überlebensraten – unabhängig davon, ob sich nun ein Adenostoma-Typus auf einem Ceanothus-Busch bewegte oder entsprechend eine Ceanothus-Schrecke auf einem Adenostoma-Gewächs. Zumindest Räuber-Kräfte treiben hier die evolutionäre Selektion nicht voran.
So weit, so simpel, aber über diese Auswahlstrategie allein treibt die Natur die Auseinanderentwicklung der beiden Bestände nicht an. Denn am längsten auf Ceanothus spinosus überlebten jene Ceanothus-Schrecken, deren Grün das leuchtendste war und deren Streifen möglichst gänzlich fehlten. Umgekehrt galt das gleiche für die Adenostoma-Vertreter: Auf ihrer Wirtspflanze bot die dunkelste Färbung und die deutlichste Musterung den größten Schutz.
In beiden Fällen hatten also die Extremisten die besten Aussichten. Und da sich die verschiedenen Populationen ohnehin bevorzugt untereinander paaren und die andersartige Verwandtschaft meiden, dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sich ihre Wege endgültig trennen. Gott und die Welt hätten ein weiteres Insekt mehr.
Erobern sie Neuland – eine gerade entstandene Insel oder auch nur eine frisch in ihren Lebensraum eingewanderte Pflanze –, können sie sich oftmals gut auf diese unbekannten Bedingungen einstellen. Und mit etwas Glück entwickelt sich dabei im Laufe der Zeit sogar eine neue Spezies, deren Vertreter speziell an diese ökologischen Ressourcen angepasst sind und diese besser ausnutzen als ihre vormaligen Artgenossen. Das wohl berühmteste Ergebnis dieses als adaptive Radiation bezeichneten Prozesses sind wohl die Darwinfinken von Galapagosein.
Was aber treibt die adaptive Radiation an? Als einer der Hauptfaktoren gilt der Wettbewerb um Nahrung und Lebensraum, denn konkurrieren zu viele um eine spezielle Frucht oder um bestimmte Bruthöhlen, beginnen sich einige wenige Individuen abzusetzen: Sie sehen sich nach Alternativen um, und bei Erfolg werden sie vielfach mit zahlreichem Nachwuchs und am Ende womöglich eigenem Artstatus belohnt.
Doch das ist offensichtlich nicht die einzige Triebkraft der Evolution, wie jetzt Patrik Nosil und Bernard Crespi von der Simon-Fraser-Universität im kanadischen Burnaby herausgefunden haben. Sie betrachteten Exemplare der nordamerikanischen Stabschrecke Timema cristinae, die womöglich am Beginn ihrer adaptiven Radiation und damit vor der Aufspaltung in zwei Spezies steht. Noch könnten sie sich alle untereinander fruchtbar paaren, sodass ein biologisch einwandfreier Trennungsstrich bislang nicht gezogen werden kann – ihre genetischen Unterschiede bewegen sich im innerartlichen Rahmen.
Aber rein augenscheinlich entwickeln sich diese Kerfe bereits deutlich auseinander, denn je nach bevorzugtem Blattgrün treten sie in unterschiedlicher Form auf: Jene Artmitglieder, die sich bevorzugt an den nadelförmigen Blättern des Rosengewächses Adenostoma fasciculatum laben, tragen ein deutliches weißes Streifenmuster auf ihrem ansonsten dunkelgrünen Körper. Die Konsorten, die sich von den breiten Blättern von Ceanothus spinosus nähren, besitzen nur sacht angedeutete oder keine Streifen – dafür erscheint ihr Grün leuchtender, und sie werden größer.
Je nach aufgesuchtem Standort im Buschwerk tarnt diese Färbung die Insekten natürlich unterschiedlich gut, da sie von Fressfeinden mal mehr, mal weniger gut erspäht werden können. Könnte also nicht auch dieser Fraßdruck sein Scherflein zur Auseinanderentwicklung der Stabschrecken beitragen? Das testeten die Forscher im Gelände, indem sie die gleiche Anzahl von Schrecken beider Varianten auf mehrere der beiden Vorzugspflanzen entließen. Während aber ein Teil der gemischten Populationen durch Netze vor hungrigen Vögeln geschützt wurde, waren ihre Artgenossen den Unbilden der Natur frei ausgesetzt.
Protegierte Timema cristinae hatten natürlich überdurchschnittliche Überlebensraten – unabhängig davon, ob sich nun ein Adenostoma-Typus auf einem Ceanothus-Busch bewegte oder entsprechend eine Ceanothus-Schrecke auf einem Adenostoma-Gewächs. Zumindest Räuber-Kräfte treiben hier die evolutionäre Selektion nicht voran.
Ganz anders sah das Bild hingegen auf den frei zugänglichen Pflanzen aus: Hier konnten die Beutegreifer ungehindert ihre Nahrung aus dem Geäst pflücken. Selbstverständlich fraßen die Vögel zuerst jene Stabschrecken, deren Äußeres so gar nicht zur erzwungenen Wirtspflanze passte. Ceanothus-Schrecken auf Adenostoma fasciculatum etwa wurden bedeutend früher entdeckt und verspeist als ihre dort gleichfalls herumkrabbelnden Adenostoma-Artgenossen, die sich dadurch wahrscheinlicher hätten fortpflanzen können.
So weit, so simpel, aber über diese Auswahlstrategie allein treibt die Natur die Auseinanderentwicklung der beiden Bestände nicht an. Denn am längsten auf Ceanothus spinosus überlebten jene Ceanothus-Schrecken, deren Grün das leuchtendste war und deren Streifen möglichst gänzlich fehlten. Umgekehrt galt das gleiche für die Adenostoma-Vertreter: Auf ihrer Wirtspflanze bot die dunkelste Färbung und die deutlichste Musterung den größten Schutz.
In beiden Fällen hatten also die Extremisten die besten Aussichten. Und da sich die verschiedenen Populationen ohnehin bevorzugt untereinander paaren und die andersartige Verwandtschaft meiden, dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sich ihre Wege endgültig trennen. Gott und die Welt hätten ein weiteres Insekt mehr.
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