Direkt zum Inhalt

Diabetes: Auf dem Weg zur Insulin-Tablette

Könnte man sich Insulin einfach per Tablette verabreichen, würde das das Leben vieler Diabetiker erleichtern. Nun haben Forscher eine entsprechende Pille entwickelt, die sich sogar kostengünstig produzieren lassen soll.
Blutzuckermessung mit Glucometer

Rund sechs Millionen Menschen leiden derzeit in Deutschland an Diabetes mellitus. Für viele Betroffene heißt das: Sie müssen ihren Blutzuckerspiegel dauerhaft im Blick behalten und sich im Zweifelsfall Insulin spritzen, um ihren Stoffwechsel wieder ins Lot zu bringen. Vor allem Letzteres ist für die meisten nicht unbedingt angenehm. Ärzte vermuten, dass sich viele Komplikationen und Folgeerkrankungen von Diabetes verhindern ließen, wenn Angst vor Nadel oder Schmerz – oder die schlechte Vereinbarkeit mit alltäglichen Tätigkeiten – manche Patienten nicht davon abhalten würde, sich rechtzeitig die benötigten Injektionen zu verabreichen.

Angenehmer wäre es deshalb, wenn die Betroffenen die Chance hätten, Insulin auch oral per Tablette einzunehmen. Die Entwicklung einer entsprechenden Pille ist allerdings tückisch: Im Normalfall würde spätestens die Magensäure das Hormon, das unseren Zuckerstoffwechsel reguliert, zersetzen. Und selbst wenn es diesen Vorgang überstehen sollte, gelänge es kaum aus dem Darm ins Blut. Ein Team um Samir Mitragotri von der Harvard University hat nun geschafft, eine Insulin-Tablette zu entwickeln, die tatsächlich all diese Hürden überwindet – und dabei auch noch einfach und kostengünstig in der Herstellung sein soll.

Um zu verhindern, dass die Magensäure dem Insulin zu Leibe rückt, ist es in der Pille der Forscher von einer säurefesten Schutzschicht ummantelt, die sich erst auflöst, wenn sich diese in der alkalischen Umgebung des Dünndarms befindet. Dort sorgt eine ionische Flüssigkeit aus Cholin und Geraniumsäure, die das Insulin zusätzlich umgibt, dafür, dass es nicht zerlegt wird und die Darmschleimhaut möglichst gut passieren kann. Versuche in Zellkulturen und mit Ratten haben gezeigt, dass die Insulin-Tablette den Blutzuckerspiegel so tatsächlich merklich senkt. Zudem hält der Effekt mit zwölf Stunden länger an als nach einer typischen Insulin-Injektion.

Mitragotri und Kollegen sind nicht die einzigen Forscher, denen dieses Kunststück bislang gelungen ist. Auch andere Gruppen versuchen sich an der Entwicklung von Insulin-Tabletten. Im Sommer 2017 testeten Wissenschaftler ein entsprechendes Präparat sogar schon erfolgreich an Diabetes-Patienten. Da von dem enthaltenen Insulin jedoch nur verhältnismäßig kleine Mengen ins Blut gelangten, entschied man sich dazu, die Entwicklung des Präparats nicht weiter voranzutreiben, weil die Produktion in großen Mengen nicht wirtschaftlich genug gewesen wäre.

Die im Rahmen der aktuellen Studie entwickelte Insulin-Tablette sei einfach und preiswert herzustellen, sagt zumindest Erstautorin Amrita Banerjee von der University of California in Santa Barbara, so dass auch eine Massenproduktion finanziell zu bewältigen sei. Bei Raumtemperatur ließe sich die Insulin-Tablette problemlos zwei Monate lang lagern – länger als manche Insulin-Injektionen, die aktuell auf dem Markt sind. Die Wissenschaftler wollen das Präparat deshalb nun in Tierstudien genauer erforschen, um erste Hinweise auf Langzeitverträglichkeit und Bioverfügbarkeit zu sammeln. Dann wird sich zeigen, ob es auch an Patienten zum Einsatz kommen könnte.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.