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Zukunft der Mobilität: Auf der Sonnenseite der Straße

Ein Traum könnte bald wahr werden: Ein Hightech-Straßenbelag sorgt dafür, dass Verkehrswege Strom produzieren, den darauf fahrende Elektroautos verbrauchen. Und auch sonst wird die Straße der Zukunft ziemlich intelligent sein.
Solar Roadways

Die Autobahn der Zukunft hat eine Oberfläche aus Glas, eine Heizung gegen Eis und Schnee, in die Fahrbahn integrierte Verkehrswarnzeichen und Sensoren zur Überwachung des Verkehrsflusses. Außerdem produziert sie sauberen Strom aus Sonnenlicht – und das in solchen Mengen, dass selbst ein Industriestaat wie die USA auf fossile Energieträger komplett verzichten könnte. Was wie Sciencefiction klingt, möchte Scott Brusaw bald technisch umsetzen: Der Ingenieur aus Sagle im US-Bundesstaat Idaho will die Highways der USA mit von ihm entwickelten Solarmodulen pflastern und so das Straßennetz in ein gigantisches Sonnenkraftwerk verwandeln.

"Solar Roadways" heißt sein Konzept, für das er immerhin bereits die Experten der zuständigen US-Behörde begeistern konnte: Fast eine Million US-Dollar hat die Federal Highway Administration (FHWA) in den vergangenen drei Jahren bereitgestellt. Geld, mit dem Brusaw einen ersten Prototypen seines Solar-Roadway-Moduls realisieren konnte. "Langfristig möchten wir alle Beton- und Asphaltoberflächen, die der Sonne ausgesetzt sind, mit unseren Modulen ausstatten", beschreibt Brusaw auf der Website des Projekts seine Vision. "Das würde uns unabhängig machen von jeder Art von fossilen Treibstoffen."

Solar Roadways | Die Straßen der Zukunft sind intelligent: Sie verfügen über sensible Sensoren, lassen sich leicht enteisen – und produzieren vielleicht sogar Strom für die Elektroautos, die auf ihnen fahren.

Herzstück des Solar Roadway sind gut drei mal drei Meter große Module aus extrem hartem Glas, vollgestopft mit Hochtechnologie: Solarzellen für die Stromproduktion, LED als Straßenbeleuchtung und zum Einblenden von Warnhinweisen für Verkehrsteilnehmer, Heizelemente sowie Sensoren und Mikroprozessoren zur Erfassung und Steuerung des Verkehrsflusses. Und zum Einsatz sollen diese Module nicht nur auf den US-Highways kommen: Straßen, Parkplätze, Geh- und Fahrradwege, praktisch jede Oberfläche, die befahren oder begangen werden kann, soll zum Solar Roadway werden – so die Idee.

Parkplätze als Experimentierfeld

Brusaw rechnet vor, dass die USA ohne Alaska und Hawaii über rund 75 000 Kilometer an Autobahnen verfügen. Würde man diese Fläche komplett zum Solar Roadway ausbauen, ergäbe das laut Brusaw eine Strommenge, die dem dreifachen Jahresverbrauch der gesamten USA entspräche. "Diese erneuerbare Energie würde uns ein für alle Mal unabhängig machen von fossilen Energieträgern in der Stromproduktion", so Brusaw.

Natürlich ist sich der Ingenieur bewusst, dass sich nicht ganz Nordamerika quasi über Nacht in ein gigantisches Solarkraftwerk verwandeln lässt. Und so hat sich sein Unternehmen erst einmal zum Ziel gesetzt, die Solarmodule als Belag für Parkplätze von Supermärkten, Fast-Food-Restaurants oder Highway-Raststätten zu vermarkten. Der so erzeugte Strom könnte die Gebäude unabhängig vom öffentlichen Netz machen. Und Besitzern von Elektroautos böte der Einkaufsbummel oder ein Zwischenstopp am Rastplatz die Möglichkeit, ihr Fahrzeug mit Solarstrom "vollzutanken".

Wie überhaupt der Solar Roadway die natürliche Spielwiese des Elektroautos wäre: Da Strom im Überfluss vorhanden ist, könnte nicht nur jeder Halt zum Aufladen genutzt werden. Auf zum Solar Roadway ausgebauten Straßen ließen sich Fahrzeuge per Induktion auch während der Fahrt mit Strom versorgen. "Das würde die Reichweitenbeschränkung der Elektroautos aufheben. Die Menschen wären eher bereit, statt eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor eines mit Elektroantrieb zu kaufen", zeigt sich Brusaw überzeugt.

Große technische Herausforderungen

So schön solche Visionen auch klingen, in der Realität müssen sich die Solar Roadways jedoch erst noch beweisen – und die technischen Herausforderungen sind gewaltig. Angefangen bei der Glasoberfläche der Solarmodule, die laut Brusaws Aussage mit gewöhnlichem Fensterglas nur den Namen gemeinsam hat. Das Glas muss zum einen enormen Belastungen standhalten, wenn etwa tonnenschwere Trucks über den Highway donnern. Zum anderen müssen die Reifen auf der glatten Oberfläche genügend Halt finden, damit das Fahrzeug nicht hilflos über die Straße schlittert.

Was bewegt uns zukünftig? Welche Autos werden wir fahren? Und wie können wir den Verkehr überhaupt umweltfreundlicher gestalten? Diesen Fragen geht unsere neue Serie zur "Zukunft der Mobilität" nach. Weitere Artikel und Informationen finden Sie auf unserer Sonderseite "Mobilität und Verkehr".

Letzteres wollen Brusaw und sein für die Glasproduktion verantwortlicher Partner Joel Berman durch eine speziell strukturierte Oberfläche verhindern: Sie soll einen vergleichbaren Grip gewährleisten wie heute normaler Asphalt. Was die Tragfähigkeit angeht, setzt Berman auf ein besonderes Panzerglas, widerstandsfähig wie Stahl. "Die Belastbarkeit diese Glases ist enorm", so Berman in einem Interview mit der "New York Times". Bis zu 125 Tonnen soll die Oberfläche eines Solar-Roadway-Moduls tragen können – genug, um auch schwer beladene Lkw auszuhalten.

Ein anderes Problem sind Verschmutzungen auf der Glasoberfläche, etwa durch Reifenabrieb oder auf die Straße gewehten Staub. Das würde die Stromproduktion beeinträchtigen – im schlimmsten Fall bis hin zum Totalausfall ganzer Module. Wären die USA ausschließlich auf die durch Solar Roadways erzeugte Energie angewiesen – was ja Brusaws Fernziel entspräche –, so könnten sich derartige Ausfälle zu empfindlichen Versorgungsengpässen summieren.

So weit will es der Ingenieur nicht kommen lassen: Das Glas seiner Solarmodule nutzt Ultraviolettstrahlung des Sonnenlichts, um Schmutzpartikel "aufzubrechen", so dass sie vom Regenwasser leichter abgewaschen werden können. Neben dieser Selbstreinigung sehen Brusaws Pläne auch den Einsatz von Kehrmaschinen vor, die regelmäßig über die Highways patrouillieren. Sie könnten in den nördlichen US-Staaten die Räumfahrzeuge ablösen, die im Winter die Fahrwege freihalten – auf den beheizbaren Solar Roadways bestünde für Winterdienst keine Notwendigkeit mehr.

Kosten würden durch Erträge aufgewogen

Doch was, wenn Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Überschwemmungen die Solarstraßen treffen? "Ein Beben wäre für jede Art von Straße katastrophal", so Brusaw. "Kräfte, die eine Asphalt- oder Betonstraße zerstören können, würden auch einen Solar Roadway in Mitleidenschaft ziehen." Die modulare Struktur der Solarstraßen soll im Katastrophenfall verhindern, dass es zu seinem großflächigen Stromausfall kommt. "Jedes Solarmodul ist ein in sich geschlossenes System", so Brusaw. Im Fall einer Naturkatastrophe würden nur die unmittelbar beschädigten Solarpanele ausfallen, das Netz insgesamt bliebe intakt.

Bleibt die Frage, was solch ein solarer Highway kosten würde? Auf 10 000 Dollar beziffern die Macher der Solar Roadways die Kosten für eines ihrer drei Quadratmeter großen Solarmodule. Viel Geld angesichts von zehntausenden Quadratkilometern Straßendecke, die bei einer landesweiten Umsetzung des Konzepts mit Modulen überzogen werden müssten. Doch Brusaw hält den Vergleich mit deutlich günstigeren herkömmlichen Baustoffen wie Asphalt für unzulässig.

"Da werden Äpfel mit Birnen verglichen", so der Ingenieur. Da die Solarhighways Straße, Kraftwerk und Stromnetz in einem seien, müssten für einen Vergleich zu den Kosten für Bau und Unterhalt von Asphaltstraßen auch die für traditionelle Kraftwerke und Netze addiert werden. Und anders als herkömmliche Straßen würden die Solar Roadways ihre Kosten im Lauf der Zeit wieder einspielen: Bei einem Strompreis von 12 Cent pro Kilowattstunde hätte eine Sonnenstraße ihre Baukosten in 20 Jahren wieder hereingeholt, rechnet der Ingenieur vor.

Und er verweist auf andere Kostenfaktoren, die sich mit seinem Konzept minimieren ließen: Unfälle auf Grund von Schnee und Eis oder schlecht beleuchteten Straßen würden der Vergangenheit angehören. Die Abhängigkeit von teuren Ölimporten würde sich verringern, wenn immer mehr Elektrofahrzeuge die Highways bevölkerten. Und nicht zuletzt würden, wenn Fahrzeuge und Kraftwerke als CO2-Schleudern ausfielen, viele der Kosten wegfallen, die wir heute veranschlagen, um die Folgen des globalen Klimawandels zu managen. "Die Frage", so Brusaw, "muss also eigentlich lauten: Was wird es kosten, wenn wir die Solar Roadways nicht bauen?"

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