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Sonnensystem: Auf der Suche nach Jupiters Vergangenheit

Die NASA-Mission Juno könnte schon in einigen Jahren zeigen, wie und wo der größte Planet des Sonnensystems entstand - das hoffen zumindest die beteiligten Wissenschaftler.
Juno vor Jupiter
Es verspricht eine rasante Reise zu werden: Nachdem sie über Jupiters Nordpol kurvt, wird die Raumsonde mit sechzig Kilometer pro Sekunde über den Äquator des Planeten rasen und sich dann durch die Lücke zwischen wirbelnder Wolkendecke und einem mit hochenergetischer Strahlung durchsetzen Gebiet schlängeln, in dem ihre empfindliche Elektronik regelrecht verschmoren würde. Im Anschluss wird sie sich erneut in den Weltraum hinausbewegen und diesen beschwerlichen Parcours 32 Mal wiederholen.

Genau diese Reiseroute sieht die NASA für Juno vor, einer 1,1 Milliarden US-Dollar teuren Mission, die am 5. August starten soll. Läuft alles nach Plan, wird die Sonde in fünf Jahren in eine stark elliptische Umlaufbahn um den Planeten einschwenken. Bei der dichtesten Annäherung – rund 5000 Kilometer über der Wolkenoberfläche – kann sie Jupiters trübe Tiefen erforschen.

Bestandsaufnahme eines Planeten

Auf seinem polaren Orbit wird Juno dem aggressiven Strahlungsgürtel um Jupiters Äquator nur so kurzzeitig wie möglich ausgesetzt sein. In dieser Region beschleunigt das planetare Magnetfeld Elektronen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit, was die Bordelektronik empfindlich stören kann. Außerdem erlaubt die polare Umlaufbahn der Sonde eine doppelseitige Ansicht: Von Jupiter weggerichtete Instrumente können den Strahlungsgürtel sowie die magnetischen Felder kartieren, während die auf den Planeten gerichteten Geräte seine undurchsichtigen Schichten nach chemischen und gravitativen Hinweisen auf seine Ursprünge hin untersuchen.

Die Jupitersonde Juno | Ab Juli 2016 könnte diese Computergrafik Wirklichkeit werden: die US-Raumsonde Juno im Umlauf um den Riesenplaneten Jupiter. Solarzellen versorgen die Sonde mit elektrischem Strom, sie geben Juno ein windmühlenartiges Aussehen. In der Mitte der Sonde ist die Parabolantenne zur Kommunikation mit der Erde zu sehen. Juno soll Jupiter für rund ein Jahr aus der Umlaufbahn erkunden.
Entscheidend bei dieser Suche wird eine Bestandsaufnahme des Sauerstoffs – abgesondert als Wasserdampf in der Jupiteratmosphäre – sein und was diese darüber verrät, wo und wann der Planet entstand. Da sich Jupiter wahrscheinlich als erster Planet im Sonnensystem bildete, und weil seine starke Schwerkraft seine anfänglichen Bestandteile an ihrem Platz hielt, besitzen die Ergebnisse der Juno-Mission aber auch eine weiterreichende Bedeutung. "Die Geschichte des Wassers im frühen Sonnensystem zu verstehen, ist eine grundlegende Aufgabe – und Jupiter wird uns in Kürze den ersten Anhaltspunkt liefern", sagt Scott Bolton vom Southwest Research Institute in San Antonio, Texas, und leitender Wissenschaftler der Mission.

Im Rahmen der Galileo-Mission spürte eine in die Jupiteratmosphäre stürzende Sonde im Jahr 1995 dort bereits viele flüchtige Elemente, wie Stickstoff und Argon, auf – in höheren Anteilen als Forscher bei Jupiters Abstand von der Sonne erwartet hatten. Dieser Fund deutet darauf hin, dass Jupiter entweder an anderer Stelle entstand und dann zu seinem heutigen Standort wanderte oder dass er viele kometenartige Bausteine aus den kälteren Regionen des Sonnensystems enthält. Leider durchquerte die Sonde eine ungewöhnlich trockene Region mit wenig Wasserdampf und so ließ sich nicht auf den globalen Sauerstoffgehalt Jupiters schließen.

Die Frage nach dem Kern

Das hinterließ "ein großes Loch" in dem, was Forscher über den Planeten wissen, sagt Tobias Owen von der University of Hawaii in Hilo, der sowohl an der Galileo- als auch der Juno-Mission beteiligt ist. Dieses Mal wollen die Forscher den Wassergehalt in Jupiters Atmosphäre messen, indem sie von dort ausgesendete Mikrowellen nachweisen. Denn die in verschiedenen Tiefen vorhandene Menge an Wasser verändert die Stärke der Emission bei verschiedenen Frequenzen.

Sollte Jupiter tatsächlich ebenso mit Sauerstoff angereichert sein wie mit anderen flüchtigen Elementen, spräche dies für einen kälteren, weiter entfernten Ursprungsort. Würden die Forscher dagegen noch mehr Sauerstoff nachweisen, stärkte das Modelle, denen zufolge Jupiter in der Nähe seiner jetzigen Umlaufbahn entstand, wobei Wassereis andere flüchtige Elemente einfing. Fällt der globale Sauerstoffgehalt aber so niedrig aus wie bei der in der Galileo-Mission untersuchten Stichprobe, "dann sind neue Ideen gefragt", so Bolton.

Bahnverlauf von Juno durch das Sonnensystem | Die für Juno geplante Reisedauer zum Zielplaneten Jupiter beträgt rund fünf Jahre. Nach ihrem Start am 5. August 2011 wird Juno eine Bahnschleife durch das innere Sonnensystem ziehen, um am 9. Oktober 2013 dicht an der Erde vorbeizufliegen. Danach hat die Sonde genügend Schwung, um Jupiter am 4. Juli 2016 zu erreichen. Die Striche auf der weiß eingezeichneten Bahn markieren Zeitabschnitte zu je 30 Tagen. Von innen nach außen sind die Bahnen von Merkur, Venus, Erde, Mars und Jupiter aufgetragen.
Ein weiteres Experiment an Bord von Juno soll herausfinden, ob Jupiter einen Kern besitzt. Viele Theoretiker mutmaßen, dass Eis und Gestein mit einem Gewicht von rund zehn Erdmassen notwendig seien, um das reichliche Anlagern von Wasserstoff- und Heliumgas zu ermöglichen, aus denen der Planet heute zum Großteil besteht. Die Wissenschaftler wollen nach subtilen Effekten fahnden, die ein Kern durch seine Anziehungskraft auf die Flugbahn der Raumsonde ausüben würde.

Alan Boss, Theoretiker an der Carnegie Institution for Science in Washington DC, meint allerdings, dass die An- oder Abwesenheit eines Kerns die Herkunft von Jupiter nicht eindeutig festlegen könnte. Denn es existiere ein alternativer Entstehungsmechanismus, eine sogenannte Scheibeninstabilität. Hierbei schrumpft eine dichte, instabile Gaswolke schnell zusammen und bringt einen riesigen Planeten hervor – und dieses Modell funktioniert sowohl mit als auch ohne Kern.

Darüber hinaus, merkt Boss an, könnte sich Jupiters Kern im Lauf der Zeit verändert haben. Und in den Laboren dieser Erde finge man gerade erst an, das Verhalten von stark komprimiertem Wasserstoff zu verstehen. Aus dieser Materie bestünde der Großteil des Planeteninneren und für das Verständnis von Jupiters Struktur sei diese unentbehrlich. "Ausgehend von unserem heutigen Kenntnisstand scheint es eher zweifelhaft, dass Juno klären wird, wie Jupiter entstand", sagt Boss. Bolton entgegnet, dass die Daten sicherlich dazu beitragen werden, die verschiedenen Theorien einzugrenzen.

Kostbare Orbits

Um überhaupt Daten über Jupiter sammeln zu können – wovon die gesamte Debatte bisher ausging –, muss Juno in der unwirtlichen Umgebung des Planeten lang genug überleben. Die Ingenieure planen die Sonde von der intensiven Strahlung zu schützen, indem sie die Instrumente hinter aufwendigen, periskopähnlichen Spiegeln platzieren und die gefährdete Elektronik in einer Titanbox verstauen. Dennoch erlaubt das Sondendesign nur 33 polare Umlaufbahnen, einmal alle 11 Tage, bevor die Bordelektronik durch den ständigen Beschuss mit energiereichen Partikeln unbrauchbar und Juno in Jupiter eintauchen wird. Durch den finalen Sturz wollen die Wissenschaftler verhindern, dass die Raumsonde auf den Jupitermond Europa trifft und diesen möglicherweise mit terrestrischen Mikroben verunreinigt.

Juno ist mit insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumenten ausgerüstet, darunter abbildende Spektrometer für den Ultraviolett- und Infrarotbereich, ein Magnetometer zur Untersuchung des Magnetfelds sowie Geräte zur Analyse der geladenen Partikel im Jupitermagnetfeld. An Bord der Sonde befindet sich außerdem eine Weitwinkel-Farbkamera, die Bilder von der dynamischen Wolkenoberfläche des Gasriesen aufnimmt. Bei der dichtesten Annäherung an Jupiter sollen die Bilder Details ab einer Größe von einem Kilometer enthüllen.

Auf jedem kostbaren Orbit, hofft Bolton, wird sein Team ein wenig mehr verstehen, wie Jupiter entstand – eine Frage, die mit dem Fund vieler jupiterähnlicher Planeten in fernen Sonnensystemen an Dringlichkeit gewinnt. "Jupiter ist unser Prototyp", sagt Bolton, "und zwar der einzige, den wir haben."
  • Quellen
Nature, 10.1038/476013a, 2011

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