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Neurobiologie: Auf die Finger geschaut

Mikroglia heißt das Verteidigungs- und Reparatursystem, mit dem das Gehirn gegen Krankheiten und Verletzungen vorgeht. Jetzt konnten Max-Planck-Forscher das geschäftige Treiben dieser Zellen sowohl im gesunden Gehirn als auch in den ersten Stunden nach einer Hirnblutung erstmals direkt beobachten.
Mikrogliazelle
Zwei Zellpopulationen sitzen in unserem Denkorgan: Neurone und Gliazellen. Während die Neurone die Informationsverarbeitung und -weiterleitung via elektrischer Aktivität sicherstellen, galten dagegen die Gliazellen in der Vergangenheit lediglich als reine Stützzellen, welche die Nervenzellen mit Nährstoffen versorgen. Doch inzwischen zeigt sich immer mehr, dass Gliazellen eine weit größere Bedeutung für die Funktion des Gehirns haben als bislang angenommen.

Neurobiologen unterscheiden verschiedene Typen von Gliazellen: Oligodendrozyten beispielsweise bilden die so genannten Myelinscheiden um Nervenfasern. Sie isolieren die Nervenfaser elektrisch – ähnlich wie die Kunststoffhülle eines Kabels – und ermöglichen dadurch erst eine schnelle neuronale Signalübertragung. Die Astrozyten regulieren unter anderem die molekulare Zusammensetzung des Extrazellulärraumes und beeinflussen damit den Gleichgewichtszustand im Gehirn. Mikrogliazellen schließlich sind die immunkompetenten Zellen des Gehirns. Sie sind die ersten Zellen, die auf pathologische Ereignisse reagieren und die Immunantwort des Gehirns einleiten.

Mikrogliazelle im gesunden Gehirn | Mikrogliazelle in der Hirnrinde einer transgenen Maus: Die Fortsätze der Mikrogliazellen sind nicht statisch, sondern verändern sich fortwährend.
Bislang konnten Mikrogliazellen nur "in vitro", also außerhalb des lebenden Organismus, untersucht werden. Max-Planck-Forscher haben nun jedoch versucht, einen direkten Blick ins Gehirn zu erhaschen und diese Zellen in vivo zu beobachten. Dabei bedienten sich die Wissenschaftler aus Heidelberg und Göttingen zweier Schlüsseltechniken: der Zwei-Photonen-Mikroskopie und dem transgenen Tiermodell. Bei den genetisch veränderten Mäusen, mit denen Axel Nimmerjahn, Frank Kirchhoff und Fritjof Helmchen arbeiteten, produzierten die Mikrogliazellen zusätzlich ein grün fluoreszierendes Protein. Dieses Eiweiß konnten die Forscher mit Laserlicht zum Leuchten anregen und dadurch die Zellen im Mikroskop sichtbar machen – und zwar durch die intakte Schädeldecke der Maus.

Dabei entdeckten die Forscher, dass dünne Fortsätze – sozusagen die "Finger" der Mikrogliazellen – im gesunden Gehirn von Mäusen nicht in Ruhe sind, sondern ihre Umgebung fortwährend abtasten. Dabei interagieren sie mit Neuronen und anderen Zellen des Gehirns. Dieses Abtasten scheint ein wichtiger Mechanismus zum Aufrechterhalt des regulären Gleichgewichts und damit der gesunden Hirnfunktion zu sein.

Mikrogliazellen nach Hirnverletzung | Mikrogliazelle (grün) und Astrozyt (rot) nach Verletzung einer Blutkapillare: Die Fortsätze der Mikrogliazelle umschließen den geschädigten Gefäßabschnitt.
Mit dem Laser konnten die Forscher auch gezielt lokale Verletzungen der Blut-Hirn-Schranke verursachen. "Solche Verletzungen eignen sich als Modell für einen bluthochdruckbedingten Schlaganfall, bei dem ein – allerdings in der Regel größeres – Blutgefäß im Gehirn platzt und dadurch umliegende Bereiche schädigt", erklärt Axel Nimmerjahn.

Wie die Forscher nun beobachteten, bahnten sich die Fortsätze der Mikrogliazellen innerhalb weniger Minuten ihren Weg durch das Dickicht umgebender Zellmaterie zum zerstörten Gefäßabschnitt, dichteten diesen anscheinend ab und begannen mit dem Abbau geschädigter Materie. Dabei beteiligten sich umso mehr Mikrogliazellen an der Abwehrreaktion je schwerer die Verletzung, also je größer das betroffene Areal war.

"Wir gehen davon aus", meint Fritjof Helmchen, "dass sich mit unserem Verfahren das Verhalten der Mikrogliazellen auch in anderen Krankheitsmodellen, wie zum Beispiel bestehenden Mausmodellen der Alzheimer'schen Erkrankung, untersuchen lässt und wir dadurch zu einem besseren Verständnis der geschäftigen Immunabwehrzellen und ihrer Rolle bei Gehirnerkrankungen gelangen."

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