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Paläontologie: Auf Durchzug geschaltet

Die urzeitlichen Giganten der Lüfte brauchten Unmengen von Energie, um überhaupt abheben zu können. Erst die Anpassungen ihrer Atemorgane machten die Eroberung des Himmels für sie möglich.
Flugsaurier Anhanguera santanae
Wenn er angerauscht kam, verbreitete er Angst und Schrecken: Der größte bekannte Flugsaurier Quetzalcoatlus – benannt nach dem Windgott der Azteken Quetzalcoatl – brachte es auf eine Flügelspannweite von bis zu zwölf Metern und fischte mit spitzen Zähnen seine Beute aus den Urmeeren. Auch seine kleineren Artgenossen – allesamt Jäger und Fleischfresser – waren sicherlich keine angenehmen Zeitgenossen. Aber wie die urzeitlichen Flieger jagten, war lange unklar. Waren sie eher schwerfällige Gleiter? Oder doch wendige Flugkünstler?

Nach wie vor wird kontrovers diskutiert, ob ihr Körperbau sie wirklich zu kunstvollen Flugmanövern befähigte und wie der hohe Energiebedarf, der damit einhergeht, gedeckt werden konnte. Denn Flugsaurier, auch Pterosaurier genannt, besaßen kräftige Rippen ohne die kleineren Zwischenrippen, wie man sie heute von Krokodilen und Schuppenechsen kennt. Ihr Rippenkäfig war deshalb nur sehr eingeschränkt beweglich, was sie schwerer atmen ließ und ihnen einen niedrigen Energieumsatz ähnlich dem der heutigen Kaltblüter bescherte.

Flugsaurier Anhanguera santanae | Schematische Rekonstruktion des in der Kreidezeit lebenden Flugsauriers Anhanguera santanae mit seinem Luftsacksystem. Rot: Lunge, grün: Nacken-Luftsäcke, blau: Luftsäcke in den Flügeln.
Eine neue Studie von Forschern des College of the Holy Cross in Worcester widerlegt nun aber diese Ansicht: Leon Claessens und seine Kollegen scannten ein fast komplettes, dreidimensional konserviertes Skelett des Flugsauriers Anhanguera santanae im Computertomografen und verglichen es mit gut erhaltenen Skeletten anderer Urzeitflieger. Aus der Stellung der Knochen schließen sie, dass die Bauchseite des Rippenkäfigs doch beweglich war, die Rückenseite aber nicht. Die Ausdehnung in nur eine Richtung erlaubte den Tieren eine genaue Kontrolle der Druckverteilung im Atmungssystem.

Außerdem trugen die bauchseitigen Rippen bisher unbekannte kleine Fortsätze, ähnlich einem doppelten Sägeblatt. Die Forscher glauben, dass diese Zähnchen, die sie Sternocostapophysen nennen, den Rippenmuskeln als Ansatzstelle dienten und ihre Hebelkraft verstärkten. Damit würde der Arbeitsaufwand der Muskeln entscheidend vermindert werden.

Flugsaurier Anhanguera santanae | Schematische Rekonstruktion von Anhanguera santanae, der eine Flügelspanne von 3 bis 4 Metern hatte, mit seinem Atmungssystem: Lunge (rot), Nacken-Luftsäcke (grün), Rücken- und Becken-Luftsäcke (lila), Bauchsäcke (grau) und Flügel-Luftsäcke (hellblau). Im unteren Bild ist die geschätzte minimale (rechts) und maximale (links) Größe der subkutanen Luftsäcke außerhalb der Knochen dargestellt. Im oberen Bild sichtbar sind die sägezahnartigen Fortsätze an den Bauchrippen.
Die Fortsätze fanden sich sowohl bei frühen Pterosauriern aus dem Jura als auch bei weiter entwickelten Arten aus der späteren Kreidezeit. Womöglich haben alle Flugsaurier sie besessen. Damit wäre ihre Entwicklung sogar der Verschmelzung der Brustwirbel zum so genannten Notarium vorausgegangen, das auch bei heutigen Vögeln die Kräfte beim Flügelschlagen auffängt.

Ein Teil der zum Fliegen benötigten Energiezufuhr wäre damit geklärt, größere Exemplare der Flugsaurier wären damit aber immer noch unterversorgt. Wie also befriedigten die fliegenden Giganten ihren Sauerstoffbedarf? Zur Rekonstruktion des Atmungssystems orientierten sich die Forscher an den Skelettbewegungen moderner Krokodile und Vögel beim Atmen.

Vögel besitzen zum Beispiel ein System von Luftsäcken im Körper, das Knochen wie Weichteile durchzieht und deren Dichte verringert. Zugleich hilft es, die Körpertemperatur zu regulieren und verbessert die Sauerstoffaufnahme.

Kleine Löcher in Saurierknochen lassen erkennen, dass diese ein solches System auch entwickelt hatten. Ihre Lage deutet an, dass das Belüftungssystem in einzelne Luftsäcke unterteilt war, was eine fein abgestimmte Druckregelung ermöglichte. Einzelne Säcke befanden sich beispielsweise vor und hinter der Lunge. Die Pterosaurier hatten daher wohl schon ein relativ modernes Durchflusssystem ähnlich dem heutiger Vögel entwickelt: Die Luft wird dabei nicht wie bei Säugetieren einfach ein- und ausgeatmet, sondern durchfließt in einem kontinuierlichen Luftstrom die Lunge, weshalb der Sauerstoff besser genutzt wird.

Diese Technik war eine Schlüsselentwicklung der Flugsaurier, die ihnen das aktive Flügelschlagen erst ermöglichte, meinen die Forscher. Das Luftsacksystem könnte auch außerhalb der Knochen vorhanden gewesen sein, wie die Lage der Knochenlöcher andeutet. Nicht alle Arten der Pterosaurier aber hatten es gleich gut ausgebildet. Während es sich bei den frühen Flugsauriern der Jurazeit nur bis in die Rückenwirbel erstreckte, dehnte es sich später auf Halswirbel, Kreuzbein, Beckenknochen und Gliedmaßen aus.

Die Körpergröße der Tiere war dabei proportional zum Anteil des Skeletts, der mit Luftsäcken durchsetzt war. Erst die Evolution dieses Atmungssystems ermöglichte den Flugsauriern die Entwicklung immer größerer Arten. Sie gipfelte schließlich in Quetzalcoatlus: dem größten bekannten flugfähigen Tier.

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