Virologie: Auf neuen Wegen zum HIV-Impfstoff
Trotz einiger Erfolge kommt die Suche nach einem Impfstoff gegen HIV nur schlecht voran. Forscher fordern jetzt, Grundlagenforschung auf anderen Gebiete wie Immunologie oder Evolution stärker in den Kampf gegen die Immunschwäche einzubinden.
Die letzten Monate haben eine Reihe erfreulicher Fortschritte bei der Suche nach einem Impfstoff gegen den Erreger der Immunschwächekrankheit Aids gesehen: Zum ersten Mal schützte ein getesteter Wirkstoff zumindest teilweise vor einer Infektion, Wissenschaftler enttarnen die Verstecke des Virus im Körper und fanden neue Angriffspunkte für Vakzine. Doch trotz dieser Erfolge sind immer mehr führende Forscher der Ansicht, dass die Suche nach einem Impfstoff nach grundsätzlich neuen Strategien und Ansätzen verlangt [1].
Der Grund: Es scheint, dass dem Aids-Erreger mit klassischen Methoden der Immunisierung durch Oberflächenantigene und andere Teile des Virus nicht beizukommen ist. Impfstoffe funktionieren nach dem Prinzip "kenne den Feind": Ein für den Erreger typisches Molekül wird dem Immunsystem präsentiert, so dass bei der Begegnung mit dem echten Virus bereits für diesen Feind spezifische Immunzellen bereit stehen und eine Abwehrreaktion einleiten, bevor sich der Erreger einnisten kann.
Das Problem der bisherigen HIV-Impfstoffe ist keineswegs, dass sie nicht funktionieren würden – im Gegenteil, die eingesetzten Antigene rufen zuverlässig die gewünschte Immunantwort hervor. Allein, HIV lässt sich auf diese Weise nicht aufhalten. Die körpereigene Abwehr ist auch dann wehrlos gegen den Aids-Erreger, wenn sie vorgewarnt ist.
Eine breitere Basis für die HIV-Forschung
Stattdessen arbeiten Forscher an Methoden, die Reaktion des Immunsystems auf den Erreger präziser zu steuern, als es bisher möglich war. Zukünftige HIV-Impfstoffe werden dem Immunsystem zusätzlich sagen müssen, wie die geeignetste Immunreaktion aussieht.
Um an diesen Punkt zu gelangen, ist allerdings noch einige Forschung nötig. Bislang ist nicht einmal vollständig verstanden, wie die Antikörperantwort im Körper im Detail funktioniert. Im Reagenzglas kann man zwar messen, ob ein Antikörper sein Ziel direkt neutralisiert, doch das ist nur ein Bruchteil der Funktionen, die Antikörper in der Immunreaktion ausüben. So können sie zum Beispiel Signalfunktion für zytotoxische Zellen oder das Komplementsystem haben.
Prinzipiell ist eine ausreichende Antikörper-Antwort in der Lage, eine Infektion mit HIV neutralisieren. Das zeigen neuere Forschungen an SIV, dem Affen-Äquivalent zu HIV. Bisherige Impfstoffe sind jedoch im Wesentlichen darauf ausgerichtet, entweder die antikörperproduzierenden B-Zellen optimal zu stimulieren oder aber die zytotoxischen T-Zellen, die in den Körperzellen nach Eindringlingen suchen. Für sich allein genommen reichen beide Mechanismen nicht aus, wie die erfolglose Suche nach einem Impfstoff zeigt.
Das getunte Immunsystem
Ein aussichtsreicher Ansatzpunkt sind die Signalwege, die die gesamte Immunreaktion regulieren und die jetzt erst langsam aufgeklärt werden. Mit längerer Dauer einer HIV-Infektion zum Beispiel reagiert der Körper mit der Produktion "erschöpfter" T-Zellen, die befallene Körperzellen nur noch mit geringer Effizienz ausschalten, um weit reichende Gewebeschäden zu vermeiden. Diese Erschöpfung wird über spezielle Signalmoleküle vermittelt, deren Blockade ein aussichtsreiches Ziel für die HIV-Bekämpfung darstellt. Andere Signalwege könnten direkt während der Impfung manipuliert werden, um die gewünschte Reaktion der Immunzellen auf das präsentierte Antigen zu erzeugen.
Besondere Aufmerksamkeit genießt derzeit die gewebespezifische Immunreaktion der Schleimhäute, die besonders in der Anfangsphase der HIV-Infektion eine entscheidende Rolle spielt – das Virus dringt in dieses Gewebe ein und etabliert eine Gründerpopulation infizierter ruhender T-Zellen [3]. In der ersten Woche nach der Infektion, bevor sich das Virus im Lymphsystem etabliert hat, ist der Erreger wegen seiner geringen Mobilität und Fortpflanzungsrate besonders verwundbar. HIV-spezifische zytotoxische T-Lymphozyten im Schleimhautgewebe könnten diese Gründerpopulationen auslöschen, bevor eine systemische Infektion stattfindet.
Auf der Suche nach neuen Strategien
Neben einer stärkeren und spezifischeren Immunreaktion sehen Forscher auch andere Möglichkeiten, gegen HIV vorzugehen. Anstatt das Virus zu vernichten, kann es auch ausreichen, den Erreger dauerhaft in Schach zu halten, so dass die Krankheit Aids trotz HIV-Infektion nicht ausbricht. Ein Indiz für diese Möglichkeit ist, dass ein kleiner Bruchteil der Infizierten auch ohne Behandlung über sehr lange Zeit krankheitsfrei bleibt, obwohl das Virus im Blut immer nachweisbar ist. Einen ähnlichen Effekt zeigt HIV-2, der harmlosere Verwandte von HIV-1. Der Mechanismus dieser friedlichen Koexistenz ist noch völlig unbekannt, Wissenschaftler erhoffen sich von seiner Aufklärung ganz neue Therapieansätze.
Noch ambitionierter ist eine Strategie, die Virgin und Walker in ihrem Übersichtsartikel beschreiben. Sie sieht vor, die bemerkenswerte Variabilität des Aids-Virus gegen es selbst zu wenden. Antikörper und andere antivirale Maßnahmen beeinflussen selektiv die Evolution des Virus. Einige Mutationen, die HIV vor der Wirkung von Medikamenten und Immunsystem schützen, schaden der allgemeinen Fitness des Erregers und könnten zum Aussterben dieser Varianten führen. Durch gezielt erhöhten Selektionsdruck wollen die Forscher das Aids-Virus in eine dieser evolutionären Sackgassen drängen und so unschädlich machen.
Das geht nicht ohne Beteiligung anderer Forschungsfelder wie Bioinformatik oder Evolutionsbiologie. Diesen und anderen Fächern, die bisher an der HIV-Forschung nicht beteiligt sind, müsse sich die Forschung stärker öffnen als bisher, merken die beiden Wissenschaftler an.
Dementsprechend sollte die Verteilung der Mittel für die HIV-Impfstoffforschung – weltweit stehen dafür jährlich fast 900 Millionen Dollar zur Verfügung – nach Ansicht der beiden Autoren dahingehend reformiert werden, dass auch Forscher verwandter Themengebiete Zugriff auf die Mittel bekommen. Schon in der Vergangenheit seien wichtige Erkenntnisse über HIV und seine Bekämpfung aus der Grundlagenforschung und aus Projekten mit anderen Viren gekommen.
Der Grund: Es scheint, dass dem Aids-Erreger mit klassischen Methoden der Immunisierung durch Oberflächenantigene und andere Teile des Virus nicht beizukommen ist. Impfstoffe funktionieren nach dem Prinzip "kenne den Feind": Ein für den Erreger typisches Molekül wird dem Immunsystem präsentiert, so dass bei der Begegnung mit dem echten Virus bereits für diesen Feind spezifische Immunzellen bereit stehen und eine Abwehrreaktion einleiten, bevor sich der Erreger einnisten kann.
Das Problem der bisherigen HIV-Impfstoffe ist keineswegs, dass sie nicht funktionieren würden – im Gegenteil, die eingesetzten Antigene rufen zuverlässig die gewünschte Immunantwort hervor. Allein, HIV lässt sich auf diese Weise nicht aufhalten. Die körpereigene Abwehr ist auch dann wehrlos gegen den Aids-Erreger, wenn sie vorgewarnt ist.
Eine breitere Basis für die HIV-Forschung
Stattdessen arbeiten Forscher an Methoden, die Reaktion des Immunsystems auf den Erreger präziser zu steuern, als es bisher möglich war. Zukünftige HIV-Impfstoffe werden dem Immunsystem zusätzlich sagen müssen, wie die geeignetste Immunreaktion aussieht.
Um an diesen Punkt zu gelangen, ist allerdings noch einige Forschung nötig. Bislang ist nicht einmal vollständig verstanden, wie die Antikörperantwort im Körper im Detail funktioniert. Im Reagenzglas kann man zwar messen, ob ein Antikörper sein Ziel direkt neutralisiert, doch das ist nur ein Bruchteil der Funktionen, die Antikörper in der Immunreaktion ausüben. So können sie zum Beispiel Signalfunktion für zytotoxische Zellen oder das Komplementsystem haben.
Prinzipiell ist eine ausreichende Antikörper-Antwort in der Lage, eine Infektion mit HIV neutralisieren. Das zeigen neuere Forschungen an SIV, dem Affen-Äquivalent zu HIV. Bisherige Impfstoffe sind jedoch im Wesentlichen darauf ausgerichtet, entweder die antikörperproduzierenden B-Zellen optimal zu stimulieren oder aber die zytotoxischen T-Zellen, die in den Körperzellen nach Eindringlingen suchen. Für sich allein genommen reichen beide Mechanismen nicht aus, wie die erfolglose Suche nach einem Impfstoff zeigt.
Das getunte Immunsystem
Ein aussichtsreicher Ansatzpunkt sind die Signalwege, die die gesamte Immunreaktion regulieren und die jetzt erst langsam aufgeklärt werden. Mit längerer Dauer einer HIV-Infektion zum Beispiel reagiert der Körper mit der Produktion "erschöpfter" T-Zellen, die befallene Körperzellen nur noch mit geringer Effizienz ausschalten, um weit reichende Gewebeschäden zu vermeiden. Diese Erschöpfung wird über spezielle Signalmoleküle vermittelt, deren Blockade ein aussichtsreiches Ziel für die HIV-Bekämpfung darstellt. Andere Signalwege könnten direkt während der Impfung manipuliert werden, um die gewünschte Reaktion der Immunzellen auf das präsentierte Antigen zu erzeugen.
Besondere Aufmerksamkeit genießt derzeit die gewebespezifische Immunreaktion der Schleimhäute, die besonders in der Anfangsphase der HIV-Infektion eine entscheidende Rolle spielt – das Virus dringt in dieses Gewebe ein und etabliert eine Gründerpopulation infizierter ruhender T-Zellen [3]. In der ersten Woche nach der Infektion, bevor sich das Virus im Lymphsystem etabliert hat, ist der Erreger wegen seiner geringen Mobilität und Fortpflanzungsrate besonders verwundbar. HIV-spezifische zytotoxische T-Lymphozyten im Schleimhautgewebe könnten diese Gründerpopulationen auslöschen, bevor eine systemische Infektion stattfindet.
Auf der Suche nach neuen Strategien
Neben einer stärkeren und spezifischeren Immunreaktion sehen Forscher auch andere Möglichkeiten, gegen HIV vorzugehen. Anstatt das Virus zu vernichten, kann es auch ausreichen, den Erreger dauerhaft in Schach zu halten, so dass die Krankheit Aids trotz HIV-Infektion nicht ausbricht. Ein Indiz für diese Möglichkeit ist, dass ein kleiner Bruchteil der Infizierten auch ohne Behandlung über sehr lange Zeit krankheitsfrei bleibt, obwohl das Virus im Blut immer nachweisbar ist. Einen ähnlichen Effekt zeigt HIV-2, der harmlosere Verwandte von HIV-1. Der Mechanismus dieser friedlichen Koexistenz ist noch völlig unbekannt, Wissenschaftler erhoffen sich von seiner Aufklärung ganz neue Therapieansätze.
Noch ambitionierter ist eine Strategie, die Virgin und Walker in ihrem Übersichtsartikel beschreiben. Sie sieht vor, die bemerkenswerte Variabilität des Aids-Virus gegen es selbst zu wenden. Antikörper und andere antivirale Maßnahmen beeinflussen selektiv die Evolution des Virus. Einige Mutationen, die HIV vor der Wirkung von Medikamenten und Immunsystem schützen, schaden der allgemeinen Fitness des Erregers und könnten zum Aussterben dieser Varianten führen. Durch gezielt erhöhten Selektionsdruck wollen die Forscher das Aids-Virus in eine dieser evolutionären Sackgassen drängen und so unschädlich machen.
Das geht nicht ohne Beteiligung anderer Forschungsfelder wie Bioinformatik oder Evolutionsbiologie. Diesen und anderen Fächern, die bisher an der HIV-Forschung nicht beteiligt sind, müsse sich die Forschung stärker öffnen als bisher, merken die beiden Wissenschaftler an.
Dementsprechend sollte die Verteilung der Mittel für die HIV-Impfstoffforschung – weltweit stehen dafür jährlich fast 900 Millionen Dollar zur Verfügung – nach Ansicht der beiden Autoren dahingehend reformiert werden, dass auch Forscher verwandter Themengebiete Zugriff auf die Mittel bekommen. Schon in der Vergangenheit seien wichtige Erkenntnisse über HIV und seine Bekämpfung aus der Grundlagenforschung und aus Projekten mit anderen Viren gekommen.
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