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Materialwissenschaften: Aufbauender Abbau

Korrosion - das klingt nach Zerstörung, die zudem teuer werden kann. Doch manchmal hat ein Abbauprozess auch Aufbauendes - beispielsweise, wenn unerwartet eine Schutzschicht entsteht.
Gold-Inseln auf Cu-Au-Legierung
Die Korrosion technisch relevanter Legierungen wie Edelstahl verursacht jedes Jahr weltweit einen wirtschaftlichen Schaden von etwa drei Prozent des globalen Bruttosozialprodukts. Obwohl dieses Alltagsphänomen so weit reichende Folgen hat, sind seine grundlegenden mikroskopischen Prozesse noch weitgehend unverstanden, vor allem was das Einsetzen und die Evolution der Korrosion auf atomarer Ebene betrifft.

Andreas Stierle und seinen Kollegen des Max-Planck-Instituts für Metallforschung, der Universität Ulm sowie der Europäischen Synchrotronstrahlungsquelle (ESRF) in Grenoble wollten diese atomaren Prozesse bei der Korrosion einer Legierung nun gewissermaßen "live" verfolgen. Als Studienobjekt wählten sie mit Cu3Au eine Legierung, deren zwei Komponenten ein stark unterschiedliches Korrosionsverhalten aufweisen. Während Kupfer schon bei kleinen Korrosionspotenzialen, also einer elektrischen Spannung, die man zwischen der Probe und einer Referenzelektrode durch den Elektrolyten anlegt, in eine schwelfelsäurehaltige Lösung übergeht, ist Gold weitaus widerstandsfähiger.

Strukturmodell der Passivierungsschicht | Strukturmodell einer korrosionsinduzierten, goldreichen, drei Atomlagen dicken Passivierungsschicht auf Cu3Au, die das Material zunächst vor weiterem Auslösen von Kupfer-Atomen schützt. Die Gold-Atome sind als gelbe und die Kupfer-Atome als rote Kugeln dargestellt. Korrosion ist ein alltäglicher Prozess, der auch nicht vor der Minerva, der Ikone der Max-Planck-Gesellschaft, Halt macht.
Die Synchrotronstrahlung ermöglichte es den Forschern, das Einsetzen der Korrosion bei Cu3Au in hoher Auflösung und zerstörungsfrei zu untersuchen – und das mit einer Auflösung im Bereich von Picometern. Dieser scharfe Blick bot den Wissenschaftlern denn auch eine Überraschung: Bei der an sich zerstörerischen Korrosion entsteht zunächst eine perfekte Schutzschicht.

Denn wird nur wenig Kupfer aus der Grenzfläche zwischen flüssigem Elektrolyten und dem Legierungskristall herausgelöst, verändert sich diese und es bildet sich eine einkristalline, nur drei atomare Lagen dicke, goldreiche Passivierungsschicht, welche die Oberfläche des Materials zunächst vor weiterer Korrosion schützt. Dabei übernimmt diese Passivierungsschicht interessanterweise die Kristallstruktur des Substrats nicht eins zu eins. Vielmehr wirkt die Grenzfläche des Materials zum Elektrolyten wie ein Spiegel, der bewirkt, dass der Film mit der Zwillingsstruktur des Substrats aufwächst.

Gold-Inseln | Aufnahme der Cu3Au-Oberfläche mit einem Rasterkraftmikroskop nach Auflösung der CuAu-Passivierungsschicht. Auf dem Bild lassen sich zehn bis zwanzig Nanometer große Gold-Inseln erkennen.
Erhöht man nun das Korrosionspotenzial weiter durch Änderung der elektrischen Spannung zwischen Probe und Referenzelektrode, so wird auch das restliche Kupfer aus der zunächst schützenden Passivierungsschicht herausgelöst. Die verbleibenden Gold-Atome bilden etwa zwei Nanometer hohe Gold-Inseln, welche die Oberfläche nicht mehr komplett bedecken. Dieser Vorgang, auch Entnetzung genannt, ist bereits aus der Natur bekannt, wenn sich etwa Regentropfen auf einem Blatt zusammenziehen. Die Korrosion schreitet nun über die direkt mit dem Elektrolyten in Kontakt stehenden Cu3Au-Flächen fort, und es bildet sich eine löchrige, schaumartige Struktur mit Korrosionsporen.

Eine optimale Oberflächenpassivierung von Legierungen erhält man demnach, wenn man das Korrosionspotenzial über der Oberfläche gezielt so einstellt, dass sich eine solche Passivierungsschicht bildet. Darüber hinaus ist die kontrollierte Korrosion bei höheren Potenzialen eine elegante Methode, mit der man Materialoberflächen chemisch im Nanometer-Bereich strukturieren kann. Denn shreitet die Korrosion immer weiter voran, bildet sich schließlich ein nanoporöser Goldfilm, der auf Grund seiner sehr großen Oberfläche etwa als Katalysatormaterial genutzt werden könnte.

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