Square Kilometre Array: Aufbruch in neue Dimensionen
Kann man ein Teleskop dreiteilen und auf unterschiedlichen Kontinenten errichten? Man kann, wenn es die Diplomatie erfordert – und wenn es sich um ein Radioteleskop mit vielen tausend Empfängern handelt. Genauer gesagt: um das größte Radioteleskop der Welt. "Square Kilometre Array", kurz SKA, heißt das Megaprojekt, das vom Jahr 2016 an in Afrika, Australien und Neuseeland entstehen soll. Darauf haben sich am vergangenen Freitag die beteiligten Nationen nach zähem Ringen verständigt.
Etwa 3000 Teleskopschüsseln wird das riesige Observatorium demnach umfassen, ergänzt von unzähligen kleineren Antennen. Gemeinsam sollen die Radioempfänger das Schicksal von Galaxien ergründen, das Geheimnis der Dunklen Materie lüften, weit in die Anfangszeiten des Universums zurückblicken und eines Tages vielleicht sogar Spuren von Leben auf einem anderen Planeten entdecken. All das mit bislang nicht gekannter Auflösung und Empfindlichkeit.
Möglich wird die Dreiteilung, weil das SKA auf einen ganz besonderen Technologiemix setzt: Bislang haben Radioastronomen bei ihren Observatorien stets einem Netzwerk aus vielen großen Schüsseln vertraut. Abhängig vom jeweiligen Standort fängt dabei jedes Teleskop die elektromagnetischen Wellen zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt auf. Ein Computer bringt all diese Signale zusammen, vergleicht sie und errechnet daraus ein Bild der Radioquelle. Beim Square Kilometre Array wird ein weiterer Teleskoptyp hinzukommen: Einfache, zu einem großen Verbund zusammengeschaltete Stabantennen sollen die kosmischen Radiowellen einfangen. Im Gegensatz zu Teleskopschüsseln, die aktiv auf ein Ziel ausgerichtet werden müssen, registrieren diese Dipole stets Signale vom gesamten sichtbaren Himmel. Welchem Objekt ihre Aufmerksamkeit gelten soll, erfahren die Antennen von einer Software. "Dadurch können wir den Himmel mehr als eine Million Mal schneller durchmustern als mit konventionellen Methoden", sagt Hans-Rainer Klöckner, Physiker am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn.
Nicht wirklich glücklich
Der SKA-Kompromiss, der vergangene Woche nach einer mehr als neunjährigen Suche getroffen wurde, macht sich das zu Nutze. Er sieht vor, dass die Schüsseln und die Empfänger für mittlere Frequenzen größtenteils in Afrika aufgebaut werden. Die Antennen für niedrige Frequenzen landen dagegen in Australien und Neuseeland.
Wirklich glücklich ist niemand mit der Lösung, die vor allem politische und finanzielle Gründe hat. Südafrika, das als großer Favorit für den Bau des kompletten Teleskops galt, hat das Ergebnis inzwischen aber zähneknirschend akzeptiert. "Im Interesse der Wissenschaft nehmen wir den Kompromiss an", ließ Wissenschaftsministerin Naledi Pandor verlauten. Und Australien, das im Vorfeld der Entscheidung gedroht hatte, das SKA nur ganz oder gar nicht realisieren zu wollen, spricht inzwischen davon, dass es nur einen Gewinner gibt: das Projekt selbst.
"Wissenschaftlich wird uns die Aufteilung auf mehrere Standorte nicht beeinträchtigen", sagt Hans-Rainer Klöckner. Logistisch ist sie allerdings ein Albtraum: Unter anderem muss die Infrastruktur zur Verarbeitung der immensen Datenmassen nun auf beiden Kontinenten errichtet werden. Dadurch entstehen zusätzliche Kosten für das mit maximal 1,5 Milliarden Euro veranschlagte SKA-Projekt. "Wenn es dadurch zu Einschränkungen bei der wissenschaftlichen Ausstattung kommen würde, wäre das natürlich ärgerlich", so Klöckner.
Eine Spiralgalaxie in Afrika
Das Herz des SKA wird künftig etwa 350 Kilometer nordöstlich von Kapstadt schlagen. Dort, in einer trockenen und menschenleeren Hochebene, sollen drei Viertel der 3000 Teleskopschüsseln aufgestellt werden. Der Rest wird über Afrika verteilt – in einem Muster, das an eine Spiralgalaxie erinnert. Deren Ausläufer reichen im Norden bis Ghana, im Osten sogar bis nach Mauritius.
Die Ausdehnung hat System: Bei einem Interferometer, wie Astronomen die zusammengeschalteten Teleskope nennen, orientiert sich das Auflösungsvermögen an der Entfernung der einzelnen Empfänger. Das SKA verfügt somit über eine virtuelle Schüssel mit gut 3000 Kilometer Durchmesser. Entscheidend für die Empfindlichkeit ist dagegen die Fläche, die von den Dipolantennen und den 15 Meter großen Schüsseln abgedeckt wird. Hier bringt es das Square Kilometre Array, wie sein Name erahnen lässt, auf etwa eine Million Quadratmeter.
Das würde reichen, um das Signal eines Flughafenradars auf einem 50 Lichtjahre entfernten Planeten ausfindig zu machen. Die Suche nach extraterrestrischem Leben ist daher auch eine der Aufgaben, der das SKA nachgehen will, wenn 2020 die ersten wissenschaftlichen Aktivitäten starten. Doch es ist beileibe nicht die wichtigste. "Natürlich können wir Glück haben und irgendwo eine zeitabhängige Radioemission entdecken", sagt Hans-Rainer Klöckner. "Das ist aber nichts, womit man ein derart ambitioniertes Projekt allein rechtfertigen könnte."
Wasserstoff im Zentrum
Deutlich größeres Interesse haben die Astronomen daher an Wasserstoff. Das Gas, eines der häufigsten Elemente im Universum, gehört zu den Grundbausteinen von Sternen und Galaxien. Vor allem aber sendet neutraler Wasserstoff eine charakteristische Emissionslinie im Radiobereich aus. Sie hat eine Wellenlänge von 21 Zentimetern und liegt damit genau im Frequenzspektrum des SKA. Mit Hilfe der Linie – und seines immensen Auflösungsvermögens – soll das Teleskop ergründen, welche Entwicklung Galaxien im Lauf ihres Lebens durchmachen. Doch der Wasserstoff beherbergt noch mehr Geheimnisse: Wenn sich seine Moleküle auf den Beobachter zu bewegen, verschiebt sich die Wasserstofflinie zu kürzeren Wellenlängen – ganz ähnlich wie das Geräusch eines heranrasenden Autos. Entfernt sich das Gas, wandert die Signatur zu größeren Wellenlängen.
Galaxien rotieren, und mit ihnen der Wasserstoff. In den eingefangenen Radiosignalen taucht die Linie daher in einem gewissen Wellenlängenbereich auf. Seine Breite erlaubt Rückschlüsse auf die Rotationsgeschwindigkeit. Daraus lässt sich wiederum berechnen, welche Masse die Galaxie mindestens haben muss, um durch ihre Gravitation den Fliehkräften entgegenwirken zu können. Meist kommt dabei eine deutlich höhere Masse heraus, als tatsächlich in Form von Sternen und Gasen beobachtet werden kann. Die Forscher machen dafür einen unbekannten, unsichtbaren Stoff verantwortlich, den sie künftig näher untersuchen wollen: die so genannte Dunkle Materie.
Auch beim Blick in die Frühzeit des Weltalls soll der Wasserstoff helfen. Heutzutage können die besten Teleskope maximal Strukturen ausmachen, die etwa eine Milliarde Jahre nach der Geburt des Universums entstanden sind. Die kosmische Hintergrundstrahlung, das schwache Nachleuchten des Urknalls, verrät zudem, welche Bedingungen nach etwa 300 000 Jahren geherrscht haben müssen. Die Zeitspanne dazwischen liegt im Dunkeln.
Damals, so die gängige Theorie, haben sich aus dem überall verteilten Wasserstoff langsam die ersten Sterne und Galaxien herausgeschält. Ihr Licht hat das Gas in der näheren Umgebung ionisiert, die neutrale Wasserstofflinie wurde dadurch einfach abgestellt. Die Spuren dieses Vorgangs soll das neue Observatorium erstmals kartieren.
Auf der Liste der wissenschaftlichen Herausforderungen, mit denen das SKA-Konsortium (an dem sich künftig auch Deutschland beteiligen will) seine Mammut-Investition rechtfertigt, steht noch viel mehr: Das verteilte Teleskop soll Antworten zur Dunklen Energie liefern, zum Verständnis der Gravitation, zur Herkunft des kosmischen Magnetismus. Und es dürfte sich nicht darauf beschränken: "Mit dem SKA dringt die Astronomie in einen Bereich vor, in dem sie noch keine große Erfahrung hat", sagt Hans-Rainer Klöckner. "Die Chancen stehen daher gut, dass wir Dinge finden, von denen wir noch gar nicht wissen, dass sie existieren."
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