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News: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Etwa 8000 Neugeborene kommen jedes Jahr in Deutschland mit schweren Fehlbildungen des Herzens auf die Welt. Damit solche Kinder im Säuglingsalter überhaupt überleben, müssen sie gewöhnlich nach der Geburt notfallmäßig operiert werden, wobei eine künstliche Verbindung zwischen dem Lungen- und dem Körperkreislauf geschaffen wird. Später müssen sich diese Kinder noch mehrfach chirurgischen Eingriffen unterziehen, um den zugrundeliegenden Herzfehler endgültig zu korrigieren. An der Charité ist jetzt ein Behandlungsverfahren entwickelt worden, das es ermöglicht, chirurgische Eingriffe solange aufzuschieben, bis die erste Operation auch gleichzeitig die endgültige sein kann.
Dabei nutzen die Herzspezialisten um Martin Schneider von der Klinik für Kinderkardiologie eine von der Natur vorgegebene Gefäßbrücke zwischen Lungen- und Körperkreislauf. Diese Brücke (Ductus Arteriosus Botalli) wird normalerweise nur während der Schwangerschaft benötigt. Sie leitet das Blut des Ungeborenen vom rechten Herzen direkt in den Körperkreislauf. Mit dem ersten Atemzug des Kindes nach der Geburt verschließt sich dieses Gefäß jedoch, so daß nun das Blut zunächst in den Lungenkreislauf fließt und von dort erst über das linke Herz den Körperkreislauf erreicht.

Die Kardiologen an der Medizinischen Fakultät Charité der Humboldt-Universität zu Berlin, halten bei Kindern mit angeborenen Fehlbildungen der Lungenschlagader nun diese Gefäßbrücke künstlich offen. Dadurch erhalten Babys über den Umweg des Körperkreislaufes durch dessen Verzweigungen auch Blut in ihre Lungen, wo es sich mit Sauerstoff anreichert.

Um die Gefäßbrücke durchlässig zu halten, führen Martin Schneider und seine Mitarbeiter in ihrer ganzen Länge einen Stent ein. Stents sind entfaltbare Metallröhrchen, die über einen Herzkatheter in Position gebracht werden. (Die Verwendung von Stents ist weit verbreitet: So erhält etwa jeder dritte Patient, der sich wegen verengter Herzkranzgefäße behandeln lassen muß, solche metallischen Gefäßstützen.) Sie werden bei den Babys von einer Beinvene aus bis in den Ductus Botalli vorgeschoben, teilweise muß der Zugang auch über eine Arterie aus der rechten oder linken Achsel gewählt werden.

Die Dehnbarkeit der Stents ist außerdem ein Vorteil, den die Berliner Ärzte ausnutzen: Dem Wachstum der kleinen Patienten entsprechend, können sie die Stents nach einiger Zeit in ihrem Durchmesser noch bis zu einem gewissen Grad erweitern. Außer der Einführung des Stents tun die Kardiologen noch ein Übriges, um den Blutfluß zu verbessern. Mit Hilfe des Herzkatheters und der Verwendung eines kleinen, aufblasbaren Ballons dehnen sie die verengten Teile der Lungenschlagader etwas auf. Wenn auch die Klappen, die vom Herzen zur Lungenschlagader führen, von Geburt an verschlossen sind, werden sie ebenfalls bei diesem Vorgehen geöffnet. Damit ist ein breiterer Weg gebahnt für den Blutstrom zur Lunge. Außerdem nimmt die rechte Herzkammer, die das Blut auswerfen muß, an Größe und Kraft zu.

In den folgenden Monaten verschließen sich die Stents aus unbekannten Gründen bei etwa der Hälfte der Kinder ganz oder teilweise von innen: Sie wachsen durch Einsprossen von Zellen zu. Geschieht dies zu früh, so kann man versuchen, per Herzkatheter und Ballon, den Durchfluß wieder zu erweitern. Wächst der Stent erst nach vielen Monaten zu, so wirkt sich das nicht mehr nachteilig aus, denn zwischenzeitlich wachsen auch die Lungenschlagadern der Babys und passen sich den altersgemäßen Größenverhältnissen an, so daß der Blutfluß in Richtung Lunge allmählich ausreichend wird.

An der Charité sind inzwischen 21 Neugeborene und junge Säuglinge so behandelt worden. Zwei der Kinder sind dabei aus Gründen, die nichts mit dem angewendeten Verfahren zu tun haben (Sepsis bzw. Hirnblutung), gestorben. Den übrigen geht es gut (European Heart Journal, vol. 19, 1998, pp. 1401-9).

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