Lernverhalten: Augenblick mal, ist das ein Aha-Erlebnis?
Bei Cartoon-Charakteren lässt sich ganz einfach erkennen, wenn sie plötzlich eine Lösung für ein schwieriges Problem finden: Eine Glühbirne beginnt über ihrem Kopf zu leuchten; im wahrsten Sinn des Wortes tritt also eine Erleuchtung ein. Aber wie ist das bei uns Menschen? Wei James Chen und Ian Krajbich von der Ohio State University haben ein Computerspiel verwendet, um solche Aha-Erlebnisse zu provozieren. Durch den Einsatz von Eye-Tracking wussten sie schon kurz vor den Probanden, dass diese das Rätsel gleich knacken würden. Über ihre Ergebnisse berichten die beiden Forscher in den "Proceedings of the National Academy of Sciences".
Das Lernverhalten steht immer wieder im Mittelpunkt der psychologischen Forschung – aber meist ist es das bestärkende Lernen, das untersucht wird. Dabei lernen Personen anhand von positiver und negativer Rückmeldung eine Strategie, um ihre eigenen Gewinne im Spiel zu maximieren. Chen und Krajbich interessierte aber viel mehr, was passiert, wenn jemandem bei der Auseinandersetzung mit einer Aufgabe ganz plötzlich ein Licht aufgeht.
Deswegen ließen die Forscher 59 Versuchspersonen am Computer gegen unsichtbare (menschliche) Kontrahenten spielen. In bis zu 30 Runden suchten sie immer jeweils eine Zahl zwischen 0 und 10 aus, ihr Gegenspieler tat dasselbe, und danach wurden sie darüber informiert, wer gewonnen hatte. Die Mechanik hinter dem Spiel war so angelegt, dass der Mittelwert der beiden Zahlen mit 0,9 multipliziert wurde – wer mit seiner Zahl näher an der neuen Zahl lag, gewann. Da stets die niedrigere Zahl den Sieg davonträgt, war die beste Strategie, immer auf 0 zu setzen. Nach jeder Runde hatten die Spieler die Möglichkeit, sich auf die eben gesetzte Nummer festzulegen und diese dauerhaft in allen weiteren Durchgängen zu spielen.
Kluge Strategen spielen anders
42 Prozent der Probanden fanden tatsächlich die Erleuchtung und legten sich nach einigen Runden darauf fest, nur noch die 0 zu spielen. Die Forscher sahen es den Versuchspersonen an den Augen an, bevor sie das Rätsel knackten: In den Runden vor ihrem Aha-Erlebnis blickten sie länger als andere Probanden auf die 0 und ähnlich niedrige Zahlen – auch wenn sie dann doch noch einmal eine andere Zahl in den Ring warfen. Nicht nur die Blicke wurden von der 0 angezogen, die Versuchspersonen begannen dann auch, ihre Hypothese mehr und mehr zu testen.
Wenn sie sich tatsächlich auf ihre Strategie festlegten, geschah das sehr plötzlich, betonen die Forscher. Denn sie beachteten den Knopf, mit dem sie ihre Zahl für die restlichen Runden fixieren konnten, während der einzelnen Durchgänge kaum. Erst wenn sie sich ihrer Sache sicher waren, wanderten ihre Augen dorthin – und die Aktion wurde gesetzt. Bei der letzten Verkündigung des Spielergebnisses vor dieser Entscheidung weiteten sich auch ihre Pupillen, was laut Chen und Krajbich ein weiteres Merkmal für Lernprozesse ist. Sobald sie sich festgelegt hatten, zogen sich ihre Pupillen wieder zusammen; der Aha-Moment war vorbei.
Und noch etwas unterschied die erleuchteten Spieler von der Konkurrenz: Sie verbrachten wenig Zeit damit, sich die Zahl anzusehen, die ihr Gegenüber gewählt hatte, und konzentrierten sich stärker auf die Information, ob sie mit ihrer eigenen Zahl gewonnen oder verloren hatten. "Eine Sache, die wir aus diesen Forschungsergebnissen lernen können, ist, dass es besser ist, über ein Problem nachzudenken, als einfach dem Vorbild anderer zu folgen", meint Krajbich dazu. "Diejenigen, die sich stärker auf ihren Gegenspieler konzentriert haben, lernten meist die falsche Lektion." Weitere 37 Prozent der Probanden legten sich nämlich sehr wohl auf eine Zahlenstrategie fest – aber eben nicht auf das Spielen der 0, was zum sicheren Sieg geführt hätte.
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