Verhaltensphysiologie: Aus dem Bauch heraus
Die Taste blinkt, die Belohnung winkt - aber der tierische Testkandidat entscheidet sich für die magere Alternative. Nicht erklärbare Irrationalität, wie sie auch bei Menschen vorkommt? Vielleicht ja. Oder aber einfach nur ein bereits gut gefüllter Magen.
Menschen sind praktische Versuchskaninchen: Ihnen kann man erklären, welche Absicht ein Experiment verfolgt und warum welche Wahl welchen Einfluss verdeutlicht. Bei Tieren funktioniert das nicht, sie müssen lange Übungsstunden über sich ergehen lassen, in denen sie lernen, dass Entscheidungen eng mit Leckerbissen zusammenhängen. Und während Menschen bekanntermaßen manchmal ungereimte Dinge tun, sollten Meise, Maus und Meerkatze immer die Option mit dem größten Nutzen für ihre eigenen Interessen wählen, so galt es lange Zeit. Doch auch sie fällten gelegentlich Entscheidungen, die bei ihren Betreuern ratloses Kopfschütteln hervorruf. Zeigen also auch Tiere irrationales Verhalten?
Cynthia Schuck-Paim von der Universität Oxford und ihre Kollegen blieben misstrauisch. Angesichts der üblichen ausgedehnten Trainingseinheiten lag ihnen eine viel näher liegende Idee im Magen: Waren die Tiere nach den ständigen Häppchen vielleicht einfach satt, und die schmackhaften Belohnungen hatten daher den entscheidenden Reiz verloren? Oder hungrig und deshalb beispielsweise unerwartet risikofreudig, weil sie in den vergangenen Durchgängen auf Grund falscher Wahl weniger Energie tanken konnten?
Mit striktem Diätplan – die einen erhielten mehr Futter als die anderen – schickten die Wissenschaftler nun Stare (Sturnus vulgaris) in den Versuchsparcours. Sie boten ihnen wie gewohnt verschiedene Alternativen: Hinter blinkenden Tasten verbargen sich entweder sofort gelieferte Zwischenmahlzeiten oder etwas verzögert gelieferte, dafür aber noch gehaltvollere Gaumenfreuden, die den Energieverlust der Wartezeit genau aufwogen. Auf lange Sicht betrachtet allerdings starteten die Tiere dann zur nächsten Trainingsrunde mit einem runder gefüllten Bäuchlein, also einem anderen Ernährungsstatus.
Ein positiver Effekt, der sich auch tatsächlich widerspiegelte: Die meisten Tiere geduldeten sich lieber ein bisschen und verschlangen dann die größere Portion. Besonders wartefreudig zeigten sich dabei die Sangeskünstler, die bis dahin eher weniger zu fressen gehabt hatten, sie wussten wohl das umfangreichere Angebotes besser zu schätzen.
Interessant wurde es, als die Forscher eine weitere Option einführten, die eigentlich gar keine Option war: Eine dritte Häppchen-Variante, die mit den beiden echten Alternativen in Energieeinheiten nicht mithalten konnte und insofern kaum gewählt werden sollte. Bei manchen Staren, die sich trotzdem dafür entschieden hatten, fütterten Schuck-Paim und ihre Kollegen zu, um das Energiedefizit wieder auszugleichen. Bei anderen Artgenossen hingegen griffen sie nicht ein: Diese Stare gingen also aus manchen Durchgängen mit mager gefülltem Magen hervor.
Und nun zeigte sich deutlich, wie der Ernährungszustand der Tiere die Entscheidungen beeinflusste: Bekamen die Vögel zusätzliches Futter, gingen alle Unterschiede in der Wahl der Alternativen verloren, während die teilweise mangelhaft Ernährten sich stets für die langfristig größte Ausbeute entschieden. Außerdem ließen sich die gut gefütterten Stare eher mehr Zeit, bis sie einen der blinkenden Knöpfe gewählt hatten, da ihnen wohl weniger entscheidungsfördernd der Magen knurrte.
Mit dieser Erkenntnis besahen sich Schuck-Paim und ihre Mitarbeiter andere Studien nun etwas genauer. So hatten beispielsweise Wissenschaftler im Jahr 2001 von seltsam agierenden Hähern berichtet, die plötzlich höchste Risikobereitschaft zeigten. Der Hintergrund: Im Training sollten die Tiere aus Röhren unterschiedliche Mengen von Rosinen fischen. Dabei hatten die Forscher die Vögel in zwei Gruppen eingeteilt. Die erste fand im Training einmal eine und einmal drei Früchte jeweils einen halben Meter tief in der Röhre verborgen vor, die andere Gruppe wurde mit nur jeweils einer getrockneten Traube in gleicher Tiefe pro Röhre belohnt. Danach, im eigentlichen Test, saßen die Häher dann vor zwei Röhren, wobei die erste eine einzelne Rosine in nur 30 Zentimetern Tiefe anbot, während die Tiere für die drei Rosinen in der anderen Röhre 70 Zentimeter tief hineinklettern mussten – ein durchaus beängstigendes Unterfangen aus Hähersicht. Und trotzdem nahmen gerade die Tiere aus der zweiten Trainingsvariante das Wagnis auf sich. Kein Wunder, sagen Schuck-Paim und ihre Kollegen: Die Häher hatten sich in der Ausbildungsphase nur durchschnittlich 25 Rosinen einverleiben können, ihre Versuchsgenossen aus Übungskurs 1 hingegen im Mittel 62. Und der hungrige Magen verschob dann wohl die Prioritäten.
Einen ähnlichen Effekt vermuten die Forscher auch bei Untersuchungen an Kolibris, die Blüten mit unterschiedlicher Nektarausbeute besuchen. Trotzdem wollen sie nun nicht jedes ausgefallene Verhalten in Tierexperimenten grundsätzlich auf die mangelnde Berücksichtigung des Magenzustands der Teilnehmer zurückführen. Aber bevor Ergebnisse aus der Tierwelt das Verhalten von Menschen erklären soll, wie das im Falle irrationaler Entscheidungen teilweise gemacht wurde, müsse man die wahrlich entscheidenden Unterschiede in den Versuchsbedingungen mit Mensch und Tier gründlich berücksichtigen, mahnt das Team von Schuck-Paim.
Cynthia Schuck-Paim von der Universität Oxford und ihre Kollegen blieben misstrauisch. Angesichts der üblichen ausgedehnten Trainingseinheiten lag ihnen eine viel näher liegende Idee im Magen: Waren die Tiere nach den ständigen Häppchen vielleicht einfach satt, und die schmackhaften Belohnungen hatten daher den entscheidenden Reiz verloren? Oder hungrig und deshalb beispielsweise unerwartet risikofreudig, weil sie in den vergangenen Durchgängen auf Grund falscher Wahl weniger Energie tanken konnten?
Mit striktem Diätplan – die einen erhielten mehr Futter als die anderen – schickten die Wissenschaftler nun Stare (Sturnus vulgaris) in den Versuchsparcours. Sie boten ihnen wie gewohnt verschiedene Alternativen: Hinter blinkenden Tasten verbargen sich entweder sofort gelieferte Zwischenmahlzeiten oder etwas verzögert gelieferte, dafür aber noch gehaltvollere Gaumenfreuden, die den Energieverlust der Wartezeit genau aufwogen. Auf lange Sicht betrachtet allerdings starteten die Tiere dann zur nächsten Trainingsrunde mit einem runder gefüllten Bäuchlein, also einem anderen Ernährungsstatus.
Ein positiver Effekt, der sich auch tatsächlich widerspiegelte: Die meisten Tiere geduldeten sich lieber ein bisschen und verschlangen dann die größere Portion. Besonders wartefreudig zeigten sich dabei die Sangeskünstler, die bis dahin eher weniger zu fressen gehabt hatten, sie wussten wohl das umfangreichere Angebotes besser zu schätzen.
Interessant wurde es, als die Forscher eine weitere Option einführten, die eigentlich gar keine Option war: Eine dritte Häppchen-Variante, die mit den beiden echten Alternativen in Energieeinheiten nicht mithalten konnte und insofern kaum gewählt werden sollte. Bei manchen Staren, die sich trotzdem dafür entschieden hatten, fütterten Schuck-Paim und ihre Kollegen zu, um das Energiedefizit wieder auszugleichen. Bei anderen Artgenossen hingegen griffen sie nicht ein: Diese Stare gingen also aus manchen Durchgängen mit mager gefülltem Magen hervor.
Und nun zeigte sich deutlich, wie der Ernährungszustand der Tiere die Entscheidungen beeinflusste: Bekamen die Vögel zusätzliches Futter, gingen alle Unterschiede in der Wahl der Alternativen verloren, während die teilweise mangelhaft Ernährten sich stets für die langfristig größte Ausbeute entschieden. Außerdem ließen sich die gut gefütterten Stare eher mehr Zeit, bis sie einen der blinkenden Knöpfe gewählt hatten, da ihnen wohl weniger entscheidungsfördernd der Magen knurrte.
Mit dieser Erkenntnis besahen sich Schuck-Paim und ihre Mitarbeiter andere Studien nun etwas genauer. So hatten beispielsweise Wissenschaftler im Jahr 2001 von seltsam agierenden Hähern berichtet, die plötzlich höchste Risikobereitschaft zeigten. Der Hintergrund: Im Training sollten die Tiere aus Röhren unterschiedliche Mengen von Rosinen fischen. Dabei hatten die Forscher die Vögel in zwei Gruppen eingeteilt. Die erste fand im Training einmal eine und einmal drei Früchte jeweils einen halben Meter tief in der Röhre verborgen vor, die andere Gruppe wurde mit nur jeweils einer getrockneten Traube in gleicher Tiefe pro Röhre belohnt. Danach, im eigentlichen Test, saßen die Häher dann vor zwei Röhren, wobei die erste eine einzelne Rosine in nur 30 Zentimetern Tiefe anbot, während die Tiere für die drei Rosinen in der anderen Röhre 70 Zentimeter tief hineinklettern mussten – ein durchaus beängstigendes Unterfangen aus Hähersicht. Und trotzdem nahmen gerade die Tiere aus der zweiten Trainingsvariante das Wagnis auf sich. Kein Wunder, sagen Schuck-Paim und ihre Kollegen: Die Häher hatten sich in der Ausbildungsphase nur durchschnittlich 25 Rosinen einverleiben können, ihre Versuchsgenossen aus Übungskurs 1 hingegen im Mittel 62. Und der hungrige Magen verschob dann wohl die Prioritäten.
Einen ähnlichen Effekt vermuten die Forscher auch bei Untersuchungen an Kolibris, die Blüten mit unterschiedlicher Nektarausbeute besuchen. Trotzdem wollen sie nun nicht jedes ausgefallene Verhalten in Tierexperimenten grundsätzlich auf die mangelnde Berücksichtigung des Magenzustands der Teilnehmer zurückführen. Aber bevor Ergebnisse aus der Tierwelt das Verhalten von Menschen erklären soll, wie das im Falle irrationaler Entscheidungen teilweise gemacht wurde, müsse man die wahrlich entscheidenden Unterschiede in den Versuchsbedingungen mit Mensch und Tier gründlich berücksichtigen, mahnt das Team von Schuck-Paim.
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