Therapeutisches Klonen: Aus dem Osten schon wieder Neues
Die Aufregung ist jedes Mal groß, wenn Stammzell- und Klonforscher Erfolge verkünden. Was geschah diesmal? Koreanische Mediziner haben embryonale Stammzelllinien etabliert, die das Erbgut chronisch kranker Spender tragen. Ein Durchbruch?
Im vergangenen Jahr hatte Woo Suk Hwang schon einmal das Interesse der Weltöffentlichkeit für sich. Damals gelang ihm auch beim Menschen, was er etwa bei Rindern längst beherrschte: An der Seouler National-Universität erzeugte er mit Eizellen und Zellkernen einer Spenderin per Klontechnik frühe menschliche Embryonen. Die ersten menschlichen Klonembryonen waren in der Welt – und zwar wissenschaftlich abgesichert. Anders als beim Schaf Dolly oder dem Pferd Prometea ging es Hwang aber nicht um das Kopieren von Individuen, sondern um die embryonalen Stammzellen, die er aus den humanen Keimlingen gewann. Diese Stammzelllinien sind die Schlüsselfiguren des therapeutischen Klonens – einer visionären Technik, die nicht reproduktiven, sondern ausschließlich medizinischen Nutzen verspricht.
Dieses Keimbläschen dient als Quelle zur Entnahme der Stammzellen. Beim therapeutischen Klonen sollen diese dann im Labor zu den verschiedenen Gewebetypen des Körpers – Nerven, Muskeln, Darmepithel – differenzieren. Wenn dies gelingt, so hoffen die Mediziner, können die Zellen – in den Körper des Zellkernspenders zurück verpflanzt – chronische Krankheiten heilen oder Schäden wie eine Rückenmarksverletzung reparieren. Spender und Empfänger sind also in diesem Modell identisch. Dies ist entscheidend, weil dadurch immunologische Abstoßungsreaktionen bei der Zelltransplantation ausbleiben.
Auf dem Weg, das therapeutische Klonen einmal möglich zu machen, preschen derzeit, wie es scheint, koreanische Forscher voran. Bei ihrem ersten Coup 2004 stammten gespendete Eizelle und eingesetzter Zellkern von ein und derselben Frau. Die sich logisch anschließende Frage war, ob die Methode auch mit dem Nukleus einer fremden Person funktioniert. Durch die von Hwang und seinen Kollegen nun vorgelegte Arbeit ist die Frage eindeutig mit "Ja" beantwortet.
Spender des Erbguts waren jetzt chronisch kranke Menschen beiderlei Geschlechts im Alter zwischen zwei und 56 Jahren. Die Personen, die an Immunschwäche, Querschnittslähmung oder Autoimmunstörungen leiden, stellten für die Versuche Hautzellen zur Verfügung. Mit deren Zellkernen und geeignet präparierten Eizellen generierten die Mediziner elf verschiedene Linien embryonaler Stammzellen. Alter und Geschlecht der Spender hatte dabei erstaunlicherweise keinen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg der Experimente.
Wirklich überraschend sind diese Resultate en gros aber nicht – schließlich sind die Verfahren bei Tieren ja schon beinahe Routine. "Das war zu erwarten", sagt etwa der Stammzellexperte Alois Gratwohl vom Kantonshospital Basel. "Ich halte das nicht für einen Durchbruch, aber für einen wichtigen Schritt, dem natürlich noch viele weitere folgen müssen." Etwas euphorischer beurteilt verständlicherweise der Entwicklungsbiologe Gerald Schatten von der Universität Pittsburgh, der als Berater und Ko-Autor der Koreaner fungierte, die Ergebnisse: "Es ist ein Durchbruch, den ich in Jahrzehnten nicht für möglich gehalten hätte."
Recht bescheiden äußert sich der "König des Klonens" Woo Suk Hwang selbst. Man sei immer noch mindestens zehn Jahre davon entfernt, solche Zellen in Menschen transplantieren zu können. "Dazu müssen wir mehr als nur überzeugt sein, dass unsere Zellen sicher sind." Damit richtet er das Augenmerk auf den Aspekt, dass vorläufig Fragen der Grundlagenforschung und die Verfeinerung vieler methodischer Details im Vordergrund stehen.
Hwang weist in seiner Arbeit auf zahlreiche unscheinbare Verbesserungen seines Versuchsprotokolls hin, die mit zum Gelingen beitrugen. So ließ er die embryonalen Stammzellen auf einem Untergrund aus so genannten Feeder-Zellen wachsen, die nicht wie sonst üblich von Mäusen stammten, sondern menschlichen Ursprungs waren. Überhaupt ist Hwang bemüht, die tierischen Zellkultur-Komponenten, wie etwa das Kälberserum im Medium, durch menschliche oder künstliche Stoffe zu ersetzen. Hintergrund für dieses Anliegen ist die mögliche Gefahr, dass unentdeckte Pathogene, beispielsweise Prionen, bei einer späteren Transplantation übertragen werden könnten.
Ein Schlüssel zum Erfolg war die Vorgeschichte der verwendeten Eizellen. Bei jungen Spenderinnen gediehen die Zellen erheblich besser als bei älteren. Die Forscher betonen außerdem, wie wichtig es sei, die Eizellen frisch geerntet zu verwenden. Trefflich, dass sie nicht auf von künstlichen Befruchtungen übrig gebliebene Eizellen zurückgreifen mussten, sondern ihnen zahlreiche Spenderinnen zur Verfügung standen. Diese hätten sich allesamt freiweillg gemeldet und kein Geld erhalten, stellt Hwang klar. In Deutschland ist übrigens sowohl die Eizellspende, als auch die Herstellung von totipotenten Zellen – also solchen, aus denen sich ein menschlicher Embryo entwickeln kann – zu Forschungszwecken verboten.
In der Summe führte das erweiterte Know-how zu einer effizienteren Nutzung der eingesetzten humanen Resourcen. So war die Rate, mit der die Wissenschaftler aus Blastozysten Stammzellen erzeugen konnten, gegenüber den Versuchen von vor einem Jahr um den Faktor zehn erhöht. Insgesamt setzten die Wissenschaftler 185 Eizellen ein, um die elf Zelllinien zu kreieren.
Trotz der derzeitigen Aufregung wollen die Forscher die Zelllinien bei ihren Differenzierungsvorgängen in aller Ruhe analysieren. Den Patienten helfen können die ES-Zellen auf längere Sicht aber noch nicht, auch weil die potenziellen Alleskönner ja die gleichen Defekte im Erbgut tragen wie ihre Spender. Interessant wird sein, ob schon auf zellulärer Ebene Defizite auftreten, die sonst erst im entwickelten Organismus zum Tragen kommen.
Dies alles genau zu beobachten und in die Praxis zu übersetzen, ist sicher ein langwieriges Geduldsspiel. In Hwangs Labor hantiert man dabei nicht mit irgendwelchen Wundermitteln, sondern kombiniert bekannte Techniken. Wie schnell die Wissenschaftler weltweit – jedenfalls dort wo es erlaubt ist – in den nächsten Jahren immer neue Teilchen des Puzzles aufspüren und zusammensetzen, bleibt ungewiss. Ein großer Durchbruch, mit dem auf einmal alles klar ist und möglich wird, ist aber eher unwahrscheinlich.
Das favorisierte Verfahren zum Herstellen von Klonembryonen ist beim Tier der Kerntransfer – so auch beim Menschen. Dabei wird zunächst einer Eizelle der Zellkern mit dem Erbgut entnommen. Die Forscher ersetzen diesen dann fingerfertig durch den Kern einer Körperzelle. Auf ein bestimmtes Signal hin, beispielweise einen elektrischen Impuls, beginnt sich die in Kultur gehaltene Eizelle mit neuem Nukleus zu teilen. Wenn alles glatt läuft, entwickelt sich ein kugelförmiger Keim – die Blastozyste.
Dieses Keimbläschen dient als Quelle zur Entnahme der Stammzellen. Beim therapeutischen Klonen sollen diese dann im Labor zu den verschiedenen Gewebetypen des Körpers – Nerven, Muskeln, Darmepithel – differenzieren. Wenn dies gelingt, so hoffen die Mediziner, können die Zellen – in den Körper des Zellkernspenders zurück verpflanzt – chronische Krankheiten heilen oder Schäden wie eine Rückenmarksverletzung reparieren. Spender und Empfänger sind also in diesem Modell identisch. Dies ist entscheidend, weil dadurch immunologische Abstoßungsreaktionen bei der Zelltransplantation ausbleiben.
Auf dem Weg, das therapeutische Klonen einmal möglich zu machen, preschen derzeit, wie es scheint, koreanische Forscher voran. Bei ihrem ersten Coup 2004 stammten gespendete Eizelle und eingesetzter Zellkern von ein und derselben Frau. Die sich logisch anschließende Frage war, ob die Methode auch mit dem Nukleus einer fremden Person funktioniert. Durch die von Hwang und seinen Kollegen nun vorgelegte Arbeit ist die Frage eindeutig mit "Ja" beantwortet.
Spender des Erbguts waren jetzt chronisch kranke Menschen beiderlei Geschlechts im Alter zwischen zwei und 56 Jahren. Die Personen, die an Immunschwäche, Querschnittslähmung oder Autoimmunstörungen leiden, stellten für die Versuche Hautzellen zur Verfügung. Mit deren Zellkernen und geeignet präparierten Eizellen generierten die Mediziner elf verschiedene Linien embryonaler Stammzellen. Alter und Geschlecht der Spender hatte dabei erstaunlicherweise keinen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg der Experimente.
Wirklich überraschend sind diese Resultate en gros aber nicht – schließlich sind die Verfahren bei Tieren ja schon beinahe Routine. "Das war zu erwarten", sagt etwa der Stammzellexperte Alois Gratwohl vom Kantonshospital Basel. "Ich halte das nicht für einen Durchbruch, aber für einen wichtigen Schritt, dem natürlich noch viele weitere folgen müssen." Etwas euphorischer beurteilt verständlicherweise der Entwicklungsbiologe Gerald Schatten von der Universität Pittsburgh, der als Berater und Ko-Autor der Koreaner fungierte, die Ergebnisse: "Es ist ein Durchbruch, den ich in Jahrzehnten nicht für möglich gehalten hätte."
Recht bescheiden äußert sich der "König des Klonens" Woo Suk Hwang selbst. Man sei immer noch mindestens zehn Jahre davon entfernt, solche Zellen in Menschen transplantieren zu können. "Dazu müssen wir mehr als nur überzeugt sein, dass unsere Zellen sicher sind." Damit richtet er das Augenmerk auf den Aspekt, dass vorläufig Fragen der Grundlagenforschung und die Verfeinerung vieler methodischer Details im Vordergrund stehen.
Hwang weist in seiner Arbeit auf zahlreiche unscheinbare Verbesserungen seines Versuchsprotokolls hin, die mit zum Gelingen beitrugen. So ließ er die embryonalen Stammzellen auf einem Untergrund aus so genannten Feeder-Zellen wachsen, die nicht wie sonst üblich von Mäusen stammten, sondern menschlichen Ursprungs waren. Überhaupt ist Hwang bemüht, die tierischen Zellkultur-Komponenten, wie etwa das Kälberserum im Medium, durch menschliche oder künstliche Stoffe zu ersetzen. Hintergrund für dieses Anliegen ist die mögliche Gefahr, dass unentdeckte Pathogene, beispielsweise Prionen, bei einer späteren Transplantation übertragen werden könnten.
Ein Schlüssel zum Erfolg war die Vorgeschichte der verwendeten Eizellen. Bei jungen Spenderinnen gediehen die Zellen erheblich besser als bei älteren. Die Forscher betonen außerdem, wie wichtig es sei, die Eizellen frisch geerntet zu verwenden. Trefflich, dass sie nicht auf von künstlichen Befruchtungen übrig gebliebene Eizellen zurückgreifen mussten, sondern ihnen zahlreiche Spenderinnen zur Verfügung standen. Diese hätten sich allesamt freiweillg gemeldet und kein Geld erhalten, stellt Hwang klar. In Deutschland ist übrigens sowohl die Eizellspende, als auch die Herstellung von totipotenten Zellen – also solchen, aus denen sich ein menschlicher Embryo entwickeln kann – zu Forschungszwecken verboten.
In der Summe führte das erweiterte Know-how zu einer effizienteren Nutzung der eingesetzten humanen Resourcen. So war die Rate, mit der die Wissenschaftler aus Blastozysten Stammzellen erzeugen konnten, gegenüber den Versuchen von vor einem Jahr um den Faktor zehn erhöht. Insgesamt setzten die Wissenschaftler 185 Eizellen ein, um die elf Zelllinien zu kreieren.
Diese Zellen gilt es jetzt zunächst einmal zu untersuchen. Zur Freude der Forscher stimmten sowohl der genetische als auch der immunologische Fingerabdruck der Zellen mit denen ihres Nukleusspenders überein – die Voraussetzung dafür, dass keine Abstoßungsreaktion stattfindet. Den schon fast traditionellen Test, ob die Zellen auch das Potenzial haben, die verschiedenen Gewebetypen des Körpers zu bilden, bestanden sie ebenfalls. Hwang präsentiert in seinem Artikel eine Vielzahl an Fotos, die an histologische Aufnahmen von Muskeln und Knochen, von Haut und Darmepithel erinnern.
Trotz der derzeitigen Aufregung wollen die Forscher die Zelllinien bei ihren Differenzierungsvorgängen in aller Ruhe analysieren. Den Patienten helfen können die ES-Zellen auf längere Sicht aber noch nicht, auch weil die potenziellen Alleskönner ja die gleichen Defekte im Erbgut tragen wie ihre Spender. Interessant wird sein, ob schon auf zellulärer Ebene Defizite auftreten, die sonst erst im entwickelten Organismus zum Tragen kommen.
Dies alles genau zu beobachten und in die Praxis zu übersetzen, ist sicher ein langwieriges Geduldsspiel. In Hwangs Labor hantiert man dabei nicht mit irgendwelchen Wundermitteln, sondern kombiniert bekannte Techniken. Wie schnell die Wissenschaftler weltweit – jedenfalls dort wo es erlaubt ist – in den nächsten Jahren immer neue Teilchen des Puzzles aufspüren und zusammensetzen, bleibt ungewiss. Ein großer Durchbruch, mit dem auf einmal alles klar ist und möglich wird, ist aber eher unwahrscheinlich.
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