News: Aus dem turbulenten Leben einer Napfschnecke
Mark Denny von der Stanford University fand jedoch heraus, dass die konische Schale dieser Mollusken nicht ideal gebaut ist, um den unermüdlichen Brechern der Meere zu widerstehen. Seiner Ansicht nach nutzt der muskulöse Fuß der Schnecke winzige Unebenheiten der Felsoberfläche aus, um sich festzuklammern (Journal of Experimental Biology vom August 2000). In einem Windkanalexperiment untersuchte er an Modellen der Napfschnecke, wie sich hebende und ziehende Kräfte auswirken. Der Forscher konstruierte hierzu Nachbauten, die sieben verschiedene Formen und Größen repräsentierten. Einige waren eher flach und weniger als einen Zentimeter hoch mit einer breiten Basis, andere dagegen hatten eine Höhe von bis zu 3,64 Zentimetern und eine Basis von etwa fünf Zentimetern Durchmesser. Fünf Gehäuse waren symmetrisch mit einer zentrischen Spitze und zwei waren asymmetrisch mit einer exzentrischen Spitze. An diesen Modellen maß Denny die Verteilung des Druckes, der auf der jeweiligen Oberfläche wirkte. Bei den symmetrischen Modellen waren die kleinen, gedrungenen Gehäuse anfälliger für hebende Kräfte, und die höheren Formen konnten schneller seitwärts bewegt als angehoben werden. Der Wissenschaftler fand ein ideales Höhen-Längen-Verhältnis von 1 zu 1,06.
In der Natur kommen jedoch nur selten Napfschnecken mit diesen Dimensionen vor. Denny bestimmte das durchschnittliche Verhältnis von Höhe zu Breite der Gehäuse auf 0,68 – egal, auf welchem Kontinent die Schnecke lebte. Die Bandbreite der Radius-Höhen-Verhältnisse war gleichmäßig zwischen 0,37 bis 1,27 verteilt. Offenbar hatte sich die Form der Gehäuse nicht maßgeblich als Ergebnis des Selektionsdruckes auf Grund der Wellenkraft gebildet. Stattdessen nimmt der Forscher an, dass die Fähigkeit der Napfschnecken, fest an ihrem Untergrund zu haften, es ihr ermöglicht, den extremen Wasserkräften in ihrer ökologischen Nische zu widerstehen – auch ohne ein optimal an die Strömungen angepasstes Gehäuse.
"In solch einer extremen Umwelt war es vernünftig anzunehmen, dass die Gehäuseform sich entwickelt haben könnte, um ein Überleben zu ermöglichen, jedoch kam heraus, dass diese Annahme ziemlich weit von der Wirklichkeit entfernt ist," meint Denny. "Dasselbe kann man bei Seetang oder Insektenflügeln beobachten, bei denen die Form nicht der ausschlaggebende Faktor für das Überleben war."
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