Planck-Mission: Aus für Urknall-Teleskop beendet Kosmologie-Ära
Im Juli 2018 endete eine Ära: Das Planck-Teleskop der Europäischen Weltraumorganisation ESA veröffentlichte seine endgültigen Karten des frühen Universums. Planck war das letzte der drei großen Weltraumteleskope, die den kosmischen Mikrowellenhintergrund (CMB) untersuchten, gewissermaßen ein schwaches, im Mikrowellenbereich wahrnehmbares Nachleuchten des Urknalls. Auf Basis dieser Daten haben Kosmologen die bisher genauesten Messungen zu Alter, Geometrie und Zusammensetzung des Kosmos durchgeführt.
Aber die Weltraumagenturen in Europa und den Vereinigten Staaten zögern, noch einmal eine ähnliche Mission zu finanzieren. Planck dürfte daher für viele Jahre das letzte Weltraumteleskop gewesen sein, das die kosmische Hintergrundstrahlung untersucht hat. Für Kosmologen kommt das einer Zeitwende gleich. »Es gibt eine ganze Generation junger Wissenschaftler, die mit Planck aufgewachsen sind«, sagt Jan Tauber, Projektwissenschaftler der Mission bei ESA in Noordwijk, Niederlande.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben zahlreiche boden- und ballongestützte Experimente und drei große Weltraumteleskope den CMB analysiert. Sie haben sich weitgehend darauf konzentriert, winzige Temperaturschwankungen abzubilden und damit Himmelskarten zu erstellen, die zum Goldstandard der Kosmologie geworden sind. Planck hat von 2009 bis 2013 Daten mit größerer Präzision als je zuvor gesammelt. Forscher konnten damit das Alter des Universums auf etwa 13,8 Milliarden Jahre schätzen und ableiten, dass das Weltall als Ganzes im Wesentlichen flach sein muss. Auch konnten sie seine Zusammensetzung bestimmen – der Kosmos besteht demnach zu 95 Prozent aus Dunkler Materie und Dunkler Energie. Insbesondere bestätigen die neuesten Planck-Daten auch eine frühere Vorhersage, wonach das Universum eigentlich um neun Prozent langsamer expandieren sollte, als Astronomen derzeit beobachten.
Nicht alle Wissenschaftler finden, dass noch genauere Analysen nötig sind. Die Auswertung der Temperaturschwankungen in der Hintergrundstrahlung seien eine »große Leistung« gewesen, sagt etwa Peter Coles, ein theoretischer Kosmologe an der Maynooth Universität in Irland, der nicht zum Planck-Team gehört. Doch viel mehr als die bisherigen Erkenntnisse ließen sich daraus nicht ableiten.
Viele Wissenschaftler, die an der Mission mitgearbeitet haben, sind mittlerweile zu anderen Projekten gewechselt. Silvia Galli wurde nach ihrer Promotion 2013 Teil des Planck-Teams und ist eine von wenigen Dutzend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die noch die Daten des Satelliten auswerten. Bald wird sie wohl wie einige Kollegen an »Euclid« arbeiten, einer großen europäischen Mission zur bisher umfangreichsten Kartierung der Galaxien des Universums, die 2021 starten könnte. Euclid ist kein Mikrowellendetektor, sondern ein altmodisches optisches Teleskop – und verlangt als technisch sehr andere Mission auch ganz andere Fähigkeiten. Auf persönlicher Ebene sei es spannend, neue Wege zu gehen, sagt Galli. Dennoch: Dass keine große CMB-Mission mehr in der Pipeline wartet, bereitet ihr und vielen anderen Forschern Sorgen. »Wissenschaftlich gesehen kommt das einer Katastrophe gleich, denn es könnte viel Knowhow verloren gehen«, sagt Galli, die am Institut für Astrophysik in Paris (IAP) arbeitet.
Das Hauptaugenmerk des Forschungsfeldes liegt nun auf detaillierten Messungen anderer CMB-Parameter, unter anderem der so genannten Polarisation. Darunter verstehen Astrophysiker die bevorzugte Schwingungsrichtung eines elektromagnetischen Felds. Zeigt sich in den Hintergrundmikrowellen eine bevorzugte Polarisation, könnte das Rückschlüsse auf die Inflation erlauben, jene kurze Zeit zu Beginn des Urknalls, in der sich das Universum vermutlich mit exponentiell wachsender Geschwindigkeit ausdehnte. Kosmologen könnten – das Stichwort für Experten heißt Gravitationslinsen – auch etwas über die Verteilung der Materie im Universum herausfinden, indem sie die von großen Galaxienclustern verursachte Raumzeitkrümmung und die Schwankungen der Polarisation der CMB analysieren, sagt Karim Benabed, ein leitender Planck-Forscher am IAP.
Planck hat die Polarisation der CMB kartiert, ähnlich wie ein älteres NASA-Teleskop in den 2000er Jahren, aber mit begrenzter Empfindlichkeit. »Nur zehn Prozent der in der Polarisation enthaltenen Informationen sind bisher ausgewertet worden«, sagt Jacques Delabrouille, Astrophysiker an der Universität Paris-Diderot, der Planck mitgestaltet hat. »Die CMB dürfte also noch viele Geheimnisse bereithalten«, sagt er.
Das Polarisationsproblem
NASA und ESA haben es bisher allerdings abgelehnt, große neue Satelliten zur Untersuchung der CMB zu finanzieren. Mehrere US-Gruppen arbeiten immerhin an Boden- und Balloninstrumenten zur Messung der Polarisation. Julien Carron von der University of Sussex in Brighton ist als Postdoc an Planck beteiligt. Er hat sich bereits einem dieser Projekte angeschlossen, dem Simons-Observatorium in Chile. Er hofft, mit Hilfe von Gravitationslinsen ein weiteres fundamentales Problem der Physik anzugehen: die Frage nach der genauen Masse von Neutrinos.
Ein Grund für die Zurückhaltung der Raumfahrtagenturen bei der Finanzierung großer CMB-Projekte dürfte sein, dass bislang kein Experiment eine Polarisationssignatur der Inflation gefunden hat. Ein Experiment namens BICEP2 behauptete zwar im Jahr 2014, diese Signatur entdeckt zu haben, aber Planck-Daten zeigten später, dass es nur Staub in der Milchstraße war. In den neuesten Studien suchte die Planck-Kooperation auch nach einer Inflationssignatur mit Hilfe von BICEP2-Daten, fand jedoch keine. »Die Tatsache, dass wir so eine Signatur noch nicht gesehen haben, bedeutet nicht, dass sie nicht da ist«, sagt der Kosmologe Richard Gott von der Princeton University in New Jersey.
Viele der US-Teams schließen sich nun zusammen und versuchen, die Mittel für den Bau eines 400 Millionen US-Dollar teuren Bodenteleskops der nächsten Generation aufzutreiben; CMB-S4 heißt das Projekt bislang. Sollte es gebaut werden, ließen sich selbst schwache Inflationssignaturen in der Hintergrundstrahlung aufspüren. Das ist die nächste große Sache am Horizont, sagt ESA-Projektwissenschaftler Tauber.
Derweil machen sich viele CMB-Forscher für weitere Weltraummissionen stark. Die Planck-Kosmologin Erminia Calabrese von der Cardiff University in Großbritannien plädiert dafür, dass sich europäische Forscher an einem Projekt namens LiteBIRD beteiligen, einer japanischen Sonde, die für vergleichsweise wenig Geld nach der Signatur der kosmischen Inflation suchen könnte. »Die Idee ist, einen kleineren Satelliten mit einem klarer definierten Ziel zu haben«, sagt Calabrese. Aber vom Weltraum aus könnte das Projekt den ganzen Himmel in Augenschein nehmen – etwas, was vom Boden nicht möglich ist. Es besteht auch noch die Hoffnung, dass die ESA gemeinsam mit Indien einen Vorschlag für eine weitere Polarisierungsmission namens CMB-Bharat macht.
Andere Kosmologen planen derweil, die CMB-Polarisationsforschung innerhalb Europas anzukurbeln. Davide Maino, Senior-Planck-Mitglied an der Universität Mailand, arbeitet an einem von Italien geleiteten Polarisationsexperiment, das auf der spanischen Insel Teneriffa heimisch werden soll. Das Kalkül: Wenn ein solcher bodengebundener Detektor auch nur den Hauch eines Inflationssignals nachweist, wird das die Weltraumbehörden dazu anregen, größere Missionen zu finanzieren. Der leitende Planck-Wissenschaftler Benabed gibt sich zuversichtlich: »Natürlich werden wir in diesem Fall Geld bekommen.«
Dieser Artikel ist im Original »Big Bang telescope finale marks end of an era in cosmology« in »Nature« erschienen.
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