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News: Ausgenutzt

Werden Kondome verweigert, könnten möglicherweise Milchsäurebakterien in die Bresche springen: Durch einen genetischen Kniff bekommen sie eine Waffe in die Hand, die das HI-Virus daran hindert, in die Wirtszelle einzudringen.
Lactobacillus jensenii
Gummi-renitente Männer verschulden zu einem beachtlichen Teil die Ausbreitung von AIDS. Der Erreger der Immunschwächekrankheit, das HI-Virus, überträgt sich nämlich bei heterosexuellen Kontakten meist vom Mann auf die Frau – umgekehrt viel seltener. Allzu häufig verzichten Männer aber auf Kondome, die eine Infektion verhindern könnten, und Frauen haben es oft schwer, sich dagegen durchzusetzen. Stünde ihnen ein sicheres Medikament zur Verfügung, das den Viren gleich in der Scheide den Garaus macht, könnten sie die Prävention selbst in die Hand nehmen.

Deswegen wird intensiv an der Entwicklung geeigneter Mikrobiozide geforscht, und es wurden bereits Spermien tötende Substanzen daraufhin untersucht, ob sie auch vor HIV schützen. Die bisher getesteten Mittel erreichten aber leider nichts, im Gegenteil, zum Teil erhöhten sie sogar das Infektionsrisiko.

Wichtig für einen Schutz vor einer Krankheitsübertragung über die Scheidenschleimhaut ist auch eine gesunde Scheidenflora, also die Bakterien, die sich zuhauf in der Vagina tummeln. Von ihnen halten vor allem die Milchsäurebakterien Krankheitserreger in Schach. Diese kleinen Helfer nahmen nun Peter Lee von der Stanford University und seine Kollegen ins Visier, um sie beim Schutz vor HIV-Infektionen vor den Wagen zu spannen.

Aus den drei am häufigsten in der Vaginalschleimhaut vertretenen Arten von Milchsäurebakterien wählten die Wissenschaftler Lactobacillus jensenii aus. In diese Winzlinge schleusten sie dann das Gen für den CD4-Rezeptor ein – dieses Molekül befindet sich auf der Oberfläche der Wirtszellen des Virus und dient dem Eindringling quasi als Türklinke, mit der er sich die Eintrittspforte in seine neue Heimat öffnet. Nach dem Gentransfer produzierte L. jensenii tatsächlich das gewünschte Protein und gab es an die Umgebung ab.

Damit hatten die Forscher dem Lactobacillus eine effektive Waffe gegen das Virus in die Hand gegeben: Infizierten die Forscher menschliche Epithelzellen mit HIV und den manipulierten Milchsäurebakterien, dann wurde das Virus von den CD4-Molekülen gebunden und dadurch inaktiviert.

Die Methode erwies sich damit als grundsätzlich tauglich zur AIDS-Prävention. Anstelle des CD4-Rezeptors könnten aber auch Gene für andere Moleküle in die Bakterien eingeführt werden, die HIV möglicherweise noch effektiver an einer Infektion hindern. Für einen Test am Menschen eignet sich das Verfahren allerdings noch lange nicht; denn mit dem Gen für den CD4-Rezeptor werden auch Gene für Antibiotikaresistenzen übertragen. Zunächst muss also noch ein ungefährlicher Weg für den Gentransfer gefunden werden.

Werden diese Hürden erfolgreich genommen, könnten die kleinen Helfer aus der Scheidenflora auch zur AIDS-Prävention ausgenutzt werden, zumal in die Vagina eingebrachte Milchsäurebakterien dort über einen längeren Zeitraum überleben. Frauen könnten sich dann unauffällig ein- bis zweimal pro Woche behandeln und wären damit unabhängig von der Gummi-Toleranz der Männer.

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