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Stammzellforschung: Ausgesuchte Regler machen Gewebezellen direkt zu Neuronen

Bis vor wenigen Jahren galt noch dogmatisch, dass reife, im Lauf ihrer Entwicklung in ihre jeweilige Arbeitsform als Haut-, Nerven- oder Blutzelle ausdifferenzierte Zellen des Körpers sich nicht mehr in den vielseitigen Urzustand zurückverwandeln, aus dem sie sich alle entwickelt haben. Mittlerweile konnten Forschern aber verschiedene Sorten erwachsener Zellen von Mäusen wie Menschen durch wenige Regulationsproteine in induzierte pluripotente Stammzellen (ipS) zurückprogrammieren, die dann wieder zu anderen Zelltypen reifen konnten. Marius Wernig von der Stanford University und seine Kollegen gingen nun noch einen Schritt weiter: Mit drei ausgewählten Transkriptionsfaktoren gelang es ihnen, Bindegewebszellen in Neurone umzuprogrammieren, ohne dabei zuerst die Zwischenstation der Stammzelle entstehen zu lassen.

Die Wissenschaftler hatten zunächst die Wirkung von 19 Transkriptionsfaktoren auf Maus-Bindegewebszellen in Kultur untersucht. Alle 19 Proteine werden nur in Neuronen gebildet und sind bekannt für ihre Rolle bei der Reifung von Nervenzellen während der Entwicklung. Werden die Proteinfaktoren gemeinsam in die Gewebezellen geschleust, so verwandeln sich diese in "induzierte Neurone" (iN), also in umgeschulte Zellen, die Aktionspotenziale, Synapsen und neuronentypische Proteine ebenso bilden wie normale Nervenzellen.

Verantwortlich für diese Umgestaltung sind nur drei der zunächst 19 Proteine, die Transkriptionsfaktoren Ascl1, Brn2 und Myt1l, ermittelten Wernig und Kollegen in anschließenden Versuchsreihen. Unter der Regulation der drei Proteine verwandelten sich die Maus-Fibroblasten zudem direkt in iN, ohne zuvor einen pluripotenten Zustand zwischenzuschalten. Schon der Faktor Ascl1 allein kann für die Umgestaltung in Neurone ausreichen, ist aber nicht so effizient wie in Kombination mit Brn2 und Myt1l.

Wernig und Kollegen vermuten, dass sich mit ähnlicher Vorgehensweise auch andere ausgereifte Zellen wie etwa Lymphozyten in andere Zellsorten verwandeln lassen, wenn die dafür besonders relevanten Transkriptionsfaktoren ermittelt werden. Die Forscher hoffen, dass mit der direkten Umprogrammierung vielleicht einmal patientenspezifische Neurone aus Körperzellen gewonnen werden können, die bei einer Therapie von Nervenerkrankungen als Ersatzneurone einspringen können. Dazu wollen sie nun zunächst ihre Methoden an menschlichen Zellen probieren.

Noch ist unklar, wie eine gelungene Reprogrammierung der Zelle im Detail abläuft. Die Forscher vermuten, dass die Transkriptionsfaktoren wichtige Routinen der normalen Entwicklung von Nervenzellen wieder anstoßen, die dann über Rückkopplungsmechanismen weitere Regulationsprozesse ändern. Die veränderte Transkriptionsaktivität in der umprogrammierten Zelle dürfte dann am Ende genomweit epigenetische Schalter wie DNA-Methylierungen, Histon-Modifikationen und Chromatin-Strukturen verändern, die bei der ursprünglichen Entwicklung der Zelle gesetzt worden waren. (jo)
  • Quellen
Vierbuchen, T. et al.: Direct conversion of fibroblasts to functional neurons by defined factors. In: Nature 10.1038/nature08797, 2010.

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