Direkt zum Inhalt

News: Ausgetretene Wasserpfade

Von wegen "wild"! Wegen Überfüllung beträgt die Wartezeit für private Wildwasser-Fahrten im Grand Canyon inzwischen zwölf Jahre. Jetzt soll zumindest scheinbar ein wenig Wildnis zurückkehren - mit Hilfe einer Computersimulation.
Grand Canyon
Mythos Grand Canyon: Spätestens seit die großartigen Landschaftsaufnahmen aus den alten Western-Filmen der fünfziger und sechziger Jahre um die Welt gingen, steht die Schlucht des Colorado Rivers für Abenteuer und Abgeschiedenheit. Doch dieses Bild wird zunehmend angekratzt.

Über 22 000 Besucher suchen inzwischen jährlich die Schlucht heim. Dazu kommen noch einige Tausend Führer, Wissenschaftler und Parkangestellte. Sogar zu Wasser herrscht Überfüllung.

Denn Wildwasser-Fahrten auf diesem 447 Kilometer langen Abschnitt des Colorado Rivers erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Das Problem vor dem die Parkverwaltung dabei steht: Wie schleust man möglichst viele Leute durch, sodass sie sich möglichst wenig begegnen?

Bisher versuchten die Manager mit einer Warteliste für private Wildwasserfahrten dem Andrang Herr zu werden. Doch das scheint nicht viel zu nützen: Die Wartezeit beträgt zur Zeit zwölf Jahre. Eine effizientere Lösung muss also her.

Und diese wollen Catherine Roberts und ihre Kollegen vom College of the Holy Cross im amerikanischen Worcester liefern, indem sie das Problem der Touristenströme auf dem Wasser auf eher trockene Weise angehen. Sie entwickelten den Grand Canyon River Trip Simulator - kurz GRCTSim –, der am Computer das Verhalten der Wildwasserfahrer möglichst wirklichkeitsgetreu simulieren soll.

Dazu bevölkerten die Wissenschaftler GRCTSim mit so genannten Agenten. Diese "intelligenten" Programme leisten schon seit einiger Zeit als Suchmaschinen im Internet oder bei Verkehrssimulationen gute Dienste.

Sie sind in der Lage auf die Gegenwart anderer zu reagieren, aus früheren Erfahrungen zu lernen und auf der Grundlage dessen zielgerichtete Entscheidungen zu treffen.

Als Erfahrungsgrundlage gaben Roberts und ihre Kollegen ihren Agenten die Routen mit, welche 487 Expeditionen über einem Zeitraum von 18 Monaten entlang des Colorado Rivers genommen hatten.

Ansonsten ließen sie den künstlichen Touristen die gleiche "Freiheit", welche die Parkverwaltung des Grand Canyon National Parks ihren Besuchern einräumt: Abfahrt und Ankunft der einzelnen Teams auf dem Fluss sind streng reglementiert, aber dazwischen sind der Fantasie der Teilnehmer keine Grenzen gesetzt. Auch verschiedene Fortbewegungsmittel standen zur Auswahl: lange und kurze Ruder- und Motorboot.

Tatsächlich scheinen die Agenten laut Roberts nach einigen Anpassungen an die realen Verhältnisse mit diesem komplexen Szenario ziemlich gut zurecht zu kommen. Sie können sogar eher subtile Aspekte menschlichen Verhaltens korrekt wieder geben.

Es kann passieren, dass eine simulierte Gruppe weiterzieht, wenn sie einen Campingplatz besetzt vorfindet, obwohl genug Platz für alle vorhanden ist. So als ob sich die Gruppe entschieden hätte, lieber allein zu campen, um die Illusion der Wildnis aufrecht zu erhalten.

GRCTSim könnte also zeigen, welche Auswirkungen ein Verbot von Motorbooten oder die Begrenzung der Gruppengröße auf die Touristenströme hätte.

Ein Problem scheint dabei aber vollkommen übersehen worden zu sein. Das Management des Grand Canyon National Park mag zwar mit Hilfe von GRCTSim den Besucherströmen besser Herr werden, doch was ist eigentlich mit der Natur?

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.