Verhaltensbiologie: Ausschlussverfahren
Langusten scharen sich oft in größeren Ansammlungen am felsigen Meeresgrund. Manche Artgenossen jedoch bleiben beim Gruppenkuscheln außen vor - sie werden schlicht geschnitten. Der Grund für dieses unfreundliche Verhalten: Die Außenseiter schaden der Gesundheit.
Eigentlich haben die Karibik-Langusten Panulirus argus eine ausgesprochene Vorliebe für Körperkontakt mit Artgenossen. Jeden Herbst beispielsweise begeben sie sich in langen Prozessionen auf Wanderschaft – hintereinander aufgereiht, die Antennen jeweils auf den Rückenpanzer des Vordermannes gelegt, marschieren sie im Gänsemarsch bis zu 130 Kilometer den sandigen Meeresboden entlang. Aber auch in den heimischen Gefilden bevorzugen die Krebse die Gesellschaft ihrer Artgenossen und teilen sich etwa Unterwasserhöhlen oder Felsvorsprünge.
Manche junge Karibik-Languste führt jedoch ein äußerst einsames Leben. Kaum jemand will sich ihr nähern, niemand die Höhle mit ihr teilen. Der Grund für die unfreiwillige Zurückgezogenheit: Der noch winzige Krebs ist krank – infiziert von einem tödlichen Virus, das ihn nach nur 80 Tagen dahinraffen wird. Nur etwa 7 Prozent der infizierten Langusten, entdeckten Donald Behringer und Jeffrey Shields von der Old Dominion University und Mark Butler vom Virginia Institute of Marine Science, finden in der freien Natur ein wenig Gesellschaft – die meisten Todgeweihten teilen sich während ihres kurzen Lebens nächtliche Unterschlupfe nur mit Freund Plankton.
Meiden also die gesunden Karibik-Langusten ihre kranken Artgenossen? Behringer und seine Kollegen ersannen ein Laborexperiment, um die vermutete selektive Asozialität der Krebstiere zu testen: In mehreren großen Zubern errichteten sie jeweils einen Mesokosmos, der den ökologischen Lebensbedingungen der Krebstiere entsprach. Wurde dort nun ein gesunder Langusten-Proband eingesiedelt, fand er zwei mögliche Schlafplätze vor: die eine Höhle war leer, in der anderen befand sich ein festgebundener Artgenosse.
War der angebundene Krebs gesund, leistete ihm die neu eingetroffene Languste in über 60 Prozent der Fälle Gesellschaft. War der zukünftige Mitbewohner jedoch vom tödlichen Virus infiziert, vermieden die meisten der Neuzugänge eine gemeinsame Unterkunft und zogen sich in die leere Höhle zurück – eine gute Entscheidung, denn der Panulirus argus-Virus 1 ist äußerst ansteckend und überträgt sich bei jungen Langusten nicht nur über physischen Kontakt, sondern teilweise auch durch das die kranken Tiere umgebende Seewasser.
Will sich eine gesunde Languste jedoch effektiv vor Siechtum schützen, muss sie in der Lage sein, erkrankte Artgenossen auch dann schon zu erkennen, wenn diese noch nicht infektiös und somit lebensgefährlich sind. Erste Symptome der Virusinfektion zeigen sich bei kranken Karibik-Langusten nach etwa sechs Wochen. Zwei Wochen später sind sie ansteckend. Konsequenterweise, so ergab die Auswertung des Laborexperiments, wurden kranke Langusten in diesen beiden Stadien von ihren gesunden Artgenossen vollständig gemieden. Doch schon nach vier Wochen Inkubationszeit fanden infizierte Krebse weniger Mitbewohner – über 60 Prozent der gesunden Probanden bevorzugte die Sicherheit einer leer stehenden Behausung.
Das besondere Gespür für die Erkrankung ihres Gegenübers verdanken die Karibik-Langusten womöglich ihrem feinen Geruchssinn, vermuten Behringer und seine Kollegen. Schließlich erschnüffeln sich die Tiere damit nicht nur ihr Futter, sondern auch ihre Paarungspartner. Sogar die Rangfolge erkennt eine Languste am Geruch.
Interessanterweise sind die erkrankten Krebse bei der Wahl ihrer Gesellschaft nicht wählerisch: Sie bevorzugten im Experiment durchweg den Artgenossen. Dabei war ihnen völlig schnuppe, ob dieser krank war oder gesund. Ob die Ursache hierfür im mangelnden Riechvermögen oder schlichter Einsamkeit begründet liegt, ist jedoch noch ungeklärt.
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