News: Außer Kontrolle geraten
Bisher machten Forscher für die mit NF1 verbundenen kognitiven Schwächen eine anormale Gehirnentwicklung verantwortlich. Doch jetzt kamen Alcino Silva und seine Kollegen von der University of California in Los Angeles vermutlich der wahren Ursache auf die Spur. Um die mögliche Rolle des Signalproteins Ras in diesem Prozess näher zu beleuchten, kreuzten sie Mäuse mit verschiedenen Veränderungen in der Erbsubstanz: Während die einen Nager eine Genmodifikation aufwiesen, welche die typischen NF1-Symptome hervorruft, drosselte bei ihren Artgenossen eine andere Mutation (K-ras) die Aktivität von Ras. Der Nachwuchs jener Versuchstiere musste den Test des Wasserlabyrinths bestehen, ein häufig angewendetes Experiment, das Aufschluss über das Raumgedächtnis der Probanden gibt.
Und die Ergebnisse fielen eindeutig aus: Alle Mäuse mit einer NF1- oder K-ras-Mutation zeigten eine deutlich beeinträchtigte Leistung im Wasserbecken. Hingegen schnitten Nager, die beide Genveränderungen in ihrem Bauplan vereinten, wesentlich besser ab – sogar ähnlich gut wie die gesunden Kontrolltiere. Offensichtlich kommt dem Protein Ras im Lernprozess eine bedeutende Funktion zu: Kann es bei NF1-Tieren ungehindert Signale aussenden, so wirkt sich dies negativ auf deren Raumgedächtnis aus.
In einem weiteren Schritt verabreichten die Forscher den NF1-Mäusen eine Substanz, die Ras an der Signalübermittlung hindert. Und siehe da, das Lernverhalten jener Nager verbesserte sich. Die Wissenschaftler deckten sogar den vermutlichen Mechanismus auf, der zu der Lernstörung führt. Wie Experimente ergaben, erhöht die ungebremste Ras-Aktivität Nervensignale, die ihrerseits die Formbarkeit von Synapsen – den Schaltstellen zwischen Neuronen – hemmen. Doch gerade diese aktivitätsabhängigen synaptischen Veränderungen sind die Grundlage für Lernprozesse im Gehirn, spekulieren Wissenschaftler.
Allerdings löst nicht nur eine maßlose, sondern auch eine eingeschränkte Signalgebung von Ras Lernschwächen aus, wie die K-ras-Mäuse beweisen: Ihr Lernverhalten war ja ähnlich beeinträchtigt wie das der NF1-Tiere, deren Ras überaktiv war. Demnach kommt es offenbar auf die richtige Menge der Molekülaktivität an – sowohl ein zuviel als auch ein zuwenig ist schädlich für das Lernen. "Es ist vergleichbar mit einer zu starken Beschleunigung oder einer unzureichenden Bremsung – beides ist schlecht", betont Silva.
Angesichts der neuen Erkenntnisse können Menschen mit NF1-bedingten Lernproblemen möglicherweise demnächst auf eine Linderung ihrer Symptome hoffen. Momentan werden bereits die ersten klinischen Versuche mit dem Medikament durchgeführt, welches bei Mäusen der Lernschwäche entgegenwirkte. Ziel der Wissenschaftler ist es herauszufinden, ob die Substanz eventuell auch die Zahl von Tumoren bei NF1-Patienten zu reduzieren vermag.
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