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News: Ausstieg als Chance

Schenkt man einfachen Modellen Glauben, dann ist öffentliches Gut dazu verdammt, ausgebeutet und geplündert zu werden, auf Kosten anderer, versteht sich. Glücklicherweise steht in der Realität der Eigennutz nicht immer im Vordergrund, was offenbar einer Zahl von Aussteigern zu verdanken ist.
Zu Gemeinschaftsgütern, "public goods", hat jeder freien Zugang und profitiert in der Regel davon, wenn er sie auf Kosten anderer übermäßig nutzt. Da es sich für jeden lohnt, das Gemeinschaftsgut zu schröpfen, bleibt es nicht erhalten. Krankenversicherungssysteme, Fischpopulationen in den Weltmeeren und möglicherweise auch unser Klima könnten so dem Egoismus zum Opfer fallen.

Schon seit einiger Zeit untersuchen Ökonomen, Sozialwissenschaftler und Evolutionsbiologen spieltheoretisch und empirisch, ob es nicht doch Bedingungen gibt, unter denen sich Egoisten kooperativ verhalten und Gemeinschaftsgüter nicht übernutzen, also soziales Dilemma vermeiden. Denn schließlich sind sowohl aus dem Tierreich als auch aus unserer Gesellschaft genügend Beispiele bekannt, bei denen der gemeinschaftliche Gebrauch eines bestimmten Guts durchaus funktioniert.

In einem Spiel um das öffentliche Gut (Public-Goods-Spiel) werden so zum Beispiel vier Spieler gefragt, ob sie bereit sind, je einen Euro in einen Gemeinschaftstopf einzuzahlen. Dessen Inhalt wird anschließend verdoppelt und wieder gleichmäßig auf alle vier Spieler aufgeteilt – unabhängig davon, ob wirklich jeder etwas eingezahlt hat. Haben sich tatsächlich alle beteiligt, dann erhält jeder Spieler zwei Euro zurück, jeder streicht also einen maximal erreichbaren Gewinn von 100 Prozent ein. Zahlt jedoch nur ein einziger Spieler nicht ein, bekommt jeder nur durchschnittlich 1,50 Euro heraus, was einen tatsächlichen Nettogewinn von 1,50 Euro für den unkooperativen Spieler und nur noch 0,50 Euro für jeden kooperativen Spieler bedeutet.

Kein Wunder also, dass bei einem solch einfachen Public-Goods-Spiel schnell der Egoismus vorherrscht und niemand mehr in den Topf einzahlt. Ausweg aus dem Dilemma bieten beispielsweise direkte Strafen für die Abtrünnigen, ein generelles Ranking des sozialen Verhaltens oder aber die Möglichkeit, ganz aus dem Spiel auszusteigen. Im letzten Fall verzichten die Spieler auf die Ausschüttung aus dem Topf, erhalten aber immerhin eine gewisse Abfindung – zwar nicht so viel, wie sich maximal durch die Teilnahme am Spiel erreichen lässt, aber auf jeden Fall besser als nichts.

Wie bereits mehrere Simulationen eines solchen Szenarios zeigten, sorgt die Möglichkeit des Ausstiegs tatsächlich dafür, dass das Spiel um das öffentliche Gut nicht in einer Sackgasse endet. Phasen der Kooperation wechseln sich stattdessen in schöner Regelmäßigkeit mit Phasen der Nicht-Kooperation und des Ausstiegs ab – ein immerwährender Kreislauf.

Die Evolutionsökologen Dirk Semmann, Hans-Jürgen Krambeck und Manfred Milinski vom Max-Planck-Institut für Limnologie in Plön haben nun mit 280 Studentinnen und Studenten der Universitäten Bonn, Hamburg und Kiel und einem interaktiven Computerprogramm dieses Szenario experimentell nachgestellt und getestet. Doch dazu haben sie nicht einfach die "Aussteiger"-Option in das Public-Goods-Spiel eingeführt. Vielmehr haben sie das Spiel so manipuliert, dass in den ersten sieben Runden den Spielern jeweils nur eine Strategie auf dem Monitor präsentiert wurde, einerlei, wie die Spieler tatsächlich gespielt haben.

So zeigte der Computer beispielsweise nach einer Runde bei der Auszahlung an, dass fast alle Spieler Nicht-Kooperatoren waren, obwohl sich in Wirklichkeit die meisten dafür entschieden hatten, in den Gemeinschaftstopf einzuzahlen. Um sicherzustellen, dass die Spieler nicht stutzig werden, wenn sie ihre eigene Strategie bei der Auswertung nicht vorfinden, hat der Computer zumindest auch einmal die Alternativantworten genannt, wenn den ein oder mehrere Teilnehmer darauf gesetzt hatten. Ab der achten Runde zeigte das Computerdisplay dann die realen Entscheidungen der Spieler für 50 weitere Runden an. Gespielt wurde pro Spiel mit 14 Spielern, wobei der Computer pro Runde je sechs Teilnehmer per Zufall einlud, sich aktiv zu beteiligen, also eine Strategie zu wählen und gegebenenfalls Geld zu setzen.

Das Ergebnis dieser Tests war überraschend klar: Unter jeder Startbedingung konnte die jeweils vorausgesagte Folgestrategie initiiert werden. So folgten Kooperatoren auf Aussteiger, Nicht-Kooperatoren den Kooperatoren, Aussteiger den Nicht-Kooperatoren, also die im Modell vorausgesagte Dynamik. Doch auch in den folgenden unbeeinflussten 50 Runden trat deutlich dieselbe Dynamik mit den vorausgesagten Strategiewechseln ein.

Auf diese Weise wurde im Public-Goods-Spiel ein im Durchschnitt ungewohnt hoher Anteil von Kooperation erreicht, und alle drei Strategien führten, wie vorausgesagt, zu etwa dem gleichen Nettogewinn. Im Gegensatz zu klassischen Public-Goods-Spielen gingen die Studenten also mit einem ansehnlichen Stundenlohn nach Hause.

Die Moral von der Geschicht: Die an sich unsoziale Aussteiger-Strategie verhindert, dass unkooperatives Verhalten die Oberhand gewinnt und verhilft durch ihre bloße Existenz kooperativem Verhalten immer wieder zum Durchbruch. Dieses Ergebnis der Tests dürfte auch von allgemeinem Interesse sein, so Milinski: "Es gibt sicher viele Beispiele dafür, dass kleine Gruppen kooperativer sind und mit steigender Gruppengröße immer unkooperativer werden. Vielleicht zeigen sich ja auch vergrößerte Ich-AGs, die von Aussteigern gegründet wurden, einmal als produktiver pro Person als größere Firmen."
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