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News: Autofahren spielend leicht?

Ist doch alles nur ein Spiel! Auf diese oder eine ähnliche Position ziehen sich Videospielfreaks meist zurück, wenn von ihnen eine moralische Rechtfertigung für ihr mitunter exzessives Abschießen virtueller Spielgegner gefordert wird. Jetzt haben, ihnen zur Freunde, Wissenschaftler neue argumentative Munition geliefert. Sie bescheinigen intensivem Computerspiel-Training positive Auswirkungen auf die Wahrnehmungsfähigkeit - was aus Viel-Spielern vielleicht sogar bessere Autofahrer machen könnte. Ob die Forscher die Ergebnisse der Studie lieber vor ihren Kindern geheim halten?
Alles erzählt man dem Psychologen ja lieber nicht sofort, auch und gerade in geselliger, privater Runde. Wer weiß schon, welche dunklen Geheimnisse dieser aus einer Beichte verborgener Vorlieben ableiten könnte? Alles wusste daher wohl zunächst auch die Neurowissenschaftlerin Daphne Bevelier von der University of Rochester nicht von den Freizeitgewohnheiten der Freunde ihres Studenten Shawn Green. Sie lud diese ein, an einem Wahrnehmungstest teilzunehmen – einem Test, den diese verdächtig erfolgreich absolvierten.

Bei dem Experiment, welches von Psychologen zur Bewertung der Wahrnehmungsgeschwindigkeit häufig durchgeführt wird, sollte die Testperson kurz aufflackernde Kreise im Randbereich des Blickfeldes erkennen. Die brillanten Leistungen ihrer Versuchsteilnehmer, so zeigte sich, waren scheinbar auf ein gemeinsames Hobby zurückzuführen: Alle waren Gamer – sie spielten häufig Videospiele, besonders solche, deren Hauptziel die Eliminierung sämtlicher Gegner in möglichst kurzer Zeit ist.

Neugierig geworden, verglich Bevelier in weiteren vielfältigeren Testreihen Videospiel-Abstinenzler mit Spielern, die gewohnheitsmäßig zumindest viermal pro Woche eine Stunde lang am Bildschirm spielten. Bei einem dieser Experimente wurde beispielsweise in der Mitte eines Computermonitors eine Punktwolke 50 Millisekunden lang angezeigt. Die Testpersonen sollten dann angeben, wie viele Punkte in dieser Wolke enthalten waren. Nichtspieler erkannten dabei nie mehr als drei Punkte. Anders die Spielefreaks: Sie zählten regelmäßig fünf einzelne Punkte und schnitten zudem auch bei allen anderen Test besser ab.

Sogar als Übungsgerät zur Wahrnehmungsschärfung scheinen sich Videospiele zu eignen. Die Forscher belegten dies, indem sie die Nichtspieler eine Woche lang an einem Videospiel trainierten. Als Trainingsobjekt diente ihnen dabei das Computerspiel Castle Wolfenstein, bei dem es, so Green trocken, letztlich darum geht "Nazis zu töten". Offenbar motivierend für die Probanden – denn nach dem Trainingslager schnitten die früheren Spieleverweigerer bei den Wahrnehmungstests deutlich besser ab. Die Leistungen der Video-Cracks erreichten sie nach so kurzem Trainingslager freilich nicht.

Selbst Experten sind jetzt von der Leistung geübter Videospieler in den verschiedenen Wahrnehmungstests überrascht. Besonders bei häufigem Wechseln zwischen verschiedenen Lieblingsspielen, vermutet Maria Grabowecky von der Northwestern University, werde nicht nur die Reaktionsschnelligkeit trainiert, sondern auch die Fähigkeit, seine Aufmerksamkeit auf verschiedene gleichzeitig ablaufende Prozesse verteilen zu können.

Eigenschaften, wie sie auch von einem guten Autofahrer gefordert wären, so die Forscherin. Auf Videospiele zur Vorbereitung der Führerscheinprüfung möchte sie dennoch verzichten, denn schließlich, so fürchtet Grabowecky, würde man dort eventuell auch lernen, sich erfolgreich rücksichtslos zu verhalten. Geschweige denn zuerst zu schießen, und dann zu fragen.

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