Direkt zum Inhalt

News: Bahn frei für neue Nervenzellen

Ist eine Nervenzelle beschädigt, gilt sie für immer als verloren, da die umliegenden Zellen sie in einer dicken Narbe regelrecht einkapseln. Von ihnen abgesonderte Moleküle bilden eine dichten Dschungel um die Nervenzelle und verhindern somit ihr mögliches erneutes Wachsen. Eine Schneise in dieses Dickicht schlägt nun ein bakterielles Enzym, indem es die Barrieremoleküle zurechtstutzt und so Platz für neuronales Wachstum schafft. Ratten mit verletzter Wirbelsäule erholten sich zumindest teilweise durch den bakteriellen Einsatz.
Obwohl Nervenzellen – eines lange bestehenden Dogmas zum Trotz – sich ein Leben lang teilen können und somit eigentlich Nachschub für verletztes Nervengewebe liefern sollten, laufen die Zellen bei diesem Unterfangen sprichwörtlich gegen eine Wand. Und zwar aus verzweigten Molekülen, ausgeschüttet von Nachbarzellen des verletztes Neurons. Regelrecht abgekapselt wird die beschädigte Zelle dadurch in ein dichtes Geflecht aus undurchdringlichem Narbengewebe.

Britische Forscher haben nun ein wenig Licht ins Dickicht gebracht. Dies gelang dem Team um Elizabeth Bradbury vom Kings College London mithilfe eines bakteriellen Enzyms, der so genannten Chondroitinase ABC. Wie eine winzige Schere schnippelt das Enzym die verzweigten Moleküle zurecht und bahnt sich somit einen Weg, den auch die nachwachsenden Nervenzellen beschreiten könnten.

Wie wirkungsvoll die enzymatische Machete wirklich ist, testete das Forscherteam an querschnittsgelähmten Ratten. Nach Durchtrennung der Nervenfasern waren die Tiere in ihrer Beweglichkeit stark eingeschränkt. Zwei Monate nach der Behandlung mit der bakteriellen Chondroitinase ABC sprossen die durchtrennten Nervenzellen von der Wirbelsäule aus wieder in Richtung Gehirn und Beine. Die Ratten erholten sich soweit, dass sie wieder nahezu normal umhertrippeln konnten. Die Empfindung der Tiere blieb allerdings gestört, wie der Versuch zeigte, einen Klebestreifen von der Pfoten zu entfernen. Die geheilten Tiere taten sich hiermit wesentlich schwerer als ihre gesunden Artverwandten.

Was im Tierversuch so vielversprechend aussieht, birgt für den Einsatz am Menschen aber noch viele Hindernisse, warnt der Neurologe Lars Olson vom Karolinska Institutet in Stockholm. Erst die Kombination mehrerer Therapien erhöhe die Chancen, Rückenmarksverletzungen erfolgreich behandeln zu können. So fangen etwa spezielle Antikörper jene Moleküle ab, die den Nervenzellen einen Wachstumsstopp einreden wollen. Stattdessen kann das Nervenwachstum durch entsprechende Wachstumsfaktoren gezielt stimuliert werden. Olson hofft, dass erste klinische Studien zu den vielversprechenden Ansätzen in fünf Jahren beginnen können.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.