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News: Bakterieller Gefahrguttransport

Wasserstoffproduzierende Bakterien spielen eigentlich mit dem Feuer: Ihre Enzymfabrik enthält einige hochgiftige Bauteile. Die bleiben allerdings vorsorglich behütet und stets fest gebunden.
Mal ehrlich: Auf ein Leben von Luft und Liebe kann man sich mit vollem Bauch viel eher einlassen. Somit brauchen alle Lebewesen vor allem auch ab und an ein wenig Nahrung, also Energie. Auch Bakterien – die stattdessen oft eher auf Luft verzichten können. Solche Exemplare müssen dann allerdings, neben den üblichen biochemischen Kniffen der Zellen zur Nahrungsverwertung, noch ein paar hochspezialisierte Besonderheiten beherrschen.

Bakterien in sauerstofffreien Nischen müssen darauf verzichten, Protonen und Elektronen, die bei der Verstoffwechslung von Nahrungsbestandteilen stets anfallen, auf Luftsauerstoff zu übertragen und somit energiebringend zu entsorgen. Statt dieser kontrolliert-biologischen Variante der Knallgasreaktion müssen sie die anfallenden Zwischenprodukte auf andere Arten loswerden: Eine Möglichkeit besteht darin, Protonen und Elektronen mit einem spezialisierten Bakterien-Enzym, einer Hydrogenase, einfach zu molekularem, gasförmigen und damit flüchtigen Wasserstoff zusammenzusetzen.

Einfach ist dabei schnell gesagt, wie Forscher bei den ersten Untersuchungen der Hydrogenase-Enzyme bald herausfanden: Die bakteriellen Wasserstoffproduktions-Maschinen sind vielseitig einsetzbare, hochkomplizierte Zusammenballungen biochemischer Technik. So können sie etwa auch rückwärts laufen – also Wasserstoff, falls nötig, als Ausgangsprodukt verarbeiten – und sind im Reich der Bakterien dementsprechend beliebt und weit verbreitet.

Der Kern der so genannten NiFe-Hydrogenasen, ein Eisen- oder Nickel-Eisen-Zentrum, ist von drei ungewöhnlichen zweiatomigen Bindungspartnern umgeben: einem Kohlenmonoxid- und zwei Cyanidmolekülen. Diese Moleküle sind für die Funktion des Enzyms dringend notwendig, denn sie halten das Eisen stabil auf einer gewünscht niedrigen Oxidationsstufe. Gleichzeitig aber sind sie als starke Gifte auch potenziell tödlich für den Rest der Zelle.

Um herauszufinden, wie die Bakterien verhindern, dass diese giftigen Bauteile auf gefährliche Abwege in ihrer Umgebung geraten, nutzte nun ein Wissenschaftlerteam um Stefanie Reissmann und August Böck von der Universität München und Kollegen des Max-Planck Instituts für Biochemie sowie der University of Arizona ein ganzes Arsenal modernster Analysetechnik.

Naturgemäß geht von den giftigen Cyanid-Bindungspartnern die größte Gefahr schon während der Montage der Enzyme aus – während der sie noch nicht fest mit den Zentralatomen verbunden sind. Wie die Forscher herausfanden, wird diese gefährliche Montagearbeit von nicht weniger als sieben Hilfsproteinen begleitet. Zwei davon übergeben sich dabei das gefährliche Cyanid-Bauteil wie ein rohes Ei beim Eierlaufen: die Proteine HypF und HypE.

Am Start übernimmt HypF von einem Helfer zunächst eine ungefährliche und eher gebräuchliche Carbamoylphosphat-Gruppe. Dieser energieverbrauchende Schritt ist bei vielen biochemischen Synthesereaktionen durchaus üblich – ungewöhnlicher wird es, sobald HypE ins Geschehen eingreift und das Carbamoyl von HypF übernimmt. Die Carbamoylgruppe wird hier kovalent – also wünschenswert fest – an eine Cystein-Seitenkette am Kohlenstoff-Ende der HypE-Proteinkette gebunden. Dort wird, erneut unter Energieverbrauch, die gebundene Carbamoylgruppe in ein Thiocyanat umgebaut – und abschließend der Cyanidanteil auf das zentrale Eisenatom überführt. Ein Entkommen von giftigem Cyanid ist bei dieser Art des Gefahrguttransports ausgeschlossen.

Mit Interesse betrachten die Forscher dabei vor allem den letzten Schritt der Cyanid-Übertragung, der an Reaktionsmechanismen erinnert, mit denen auch menschliche Chemiker im Labor metallorganische Verbindungen knüpfen. Nach den Visionen der Wissenschaft könnten natürliche Mechanismen wie die Hydrogenase-Tricks der Menschheit in ferner Zukunft noch mehr unter die Arme greifen: Bei der angedachten großindustriellen Produktion von Wasserstoff mit Hilfe von Bakterien. Damit, so die Hoffnung, könnte unsere Energieversorgung vielleicht langfristig zu sichern sein – ohne die Luft, von der wir unter anderem leben, zu verunreinigen.

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