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Verfahrenstechnik: Bakterien als Schatzsucher

In Zukunft sollen Bakterien, Pilze oder Algen dabei helfen, seltene Metalle aus Hightech-Abfällen wiederzugewinnen.
Metallschrott
Jedes alte Handy, jeder kaputte Laptop birgt einen Schatz an kostbaren Rohstoffen: bis zu 70 verschiedene seltene und teure Metalle wie Gold und Platin sowie weniger bekannte Spezies wie Neodym, Lanthan oder Yttrium. Doch an die winzigen Mengen dieser "Hightech-Gewürze" ist schwer heranzukommen. Abgesehen davon, dass es nur wenige gebrauchte Elektrogeräte überhaupt jemals bis in eine Schrottsammelstelle schaffen, gibt es noch technischen Innovationsbedarf. Denn bisherige Verfahren, mit denen häufigere Metalle wie Kupfer oder Aluminium recycelt werden, sind nicht geeignet, um die sehr geringen Mengen seltener Metalle etwa aus Elektroschrott effektiv herauszuholen.

Bakterien als Biofilter | Bakterien als Schatzsucher: Bakterien können wertvolle Metalle aus Abfällen herausfiltern. Das Bild zeigt E.-coli-Zellen, auf deren Oberflächen sich Nanopartikel aus Palladium und Gold angereichert haben (schwarze Punkte).
Hier sollen in Zukunft Bakterien, Pilze, Hefen oder Algen Abhilfe schaffen – und vielleicht sogar gleichzeitig Abfälle von giftigen Schwermetallen reinigen. Das Verfahren der "Biosorption" funktioniert dabei in der Theorie ganz einfach: Zunächst werden die Metalle aus den Abfällen extrahiert und in einer geeigneten Flüssigkeit gelöst. Die stark verdünnte Metalllösung wird anschließend durch einen Tank mit biologischer Filtermasse aus lebenden Zellen geleitet – Metallteilchen lagern sich dort an bestimmten Proteinen der Zelloberfläche an. Ist der Biomassefilter dann mit Metallen gesättigt – was sein Trockengewicht um bis zu 25 Prozent erhöhen kann –, werden die Metalle chemisch mit geringeren Mengen eines weiteren Lösungsmittels von den Zellen gelöst. Am Ende erhält man eine hochkonzentrierte, metallhaltige Lösung.

Theoretisch ganz einfach

Ideal wäre es, wenn man sich aussuchen könnte, welche Metalle im Lauf des Prozesses aus dem Ausgangsstoff herausgezogen werden. Das ist allerdings noch nicht gelungen – bisher ist nur vage bekannt, welche funktionellen Molekülabschnitte der Bakterienwand überhaupt an der Filterwirkung beteiligt sind. Mehrere Forscherteams weltweit versuchen das herauszufinden und beschäftigen sich mit der Frage, wie man die Zelloberflächen gezielt so verändern könnte, dass sich nur gewünschte Metalle an ihr anlagern.

Schätze im Straßenstaub | Straßenstaub enthält feine Teilchen aus Platin, Palladium und Rhodium. Wenn Reinigungsfahrzeuge den Staub einsammeln, landet meist alles auf der Mülldeponie. Doch die Chemieingenieurin Angela Murray will das ändern: Bakterien können die Metalle aus dem Staub herausfiltern.
Andere Gruppen spezialisieren sich dagegen darauf, typische Metalle aus ganz bestimmten Ausgangsmaterialien zu gewinnen – wie etwa Lynne Macaskie von der University of Birmingham, die sich auf Metallrückgewinnung aus Schrott und Industrieschlacken spezialisiert hat. Teammitglied Angela Murray arbeitet dabei beispielsweise mit Straßenstaub. Denn von Autokatalysatoren lösen sich während jeder Fahrt feine Teilchen ab, die Platin, Palladium und Rhodium enthalten. Reinigungsfahrzeuge sammeln den Straßenstaub sogar ein, doch dann landet meist alles auf der Mülldeponie. Eine teure Entsorgung von Kostbarkeiten, betont Murray: "Unsere Straßen sind sozusagen mit Platin gepflastert." Um die Preziosen aus dem Staub herauszuholen, verwenden die Forscher Escherichia-coli-Bakterien, die ohnehin für vielfältige Zwecke industriell eingesetzt werden und in großen Mengen billig zur Verfügung stehen. Außerdem können sie viele Male als Filtermaterial für die Biosorption wiederverwendet werden – eine Voraussetzung, um das Verfahren für Industriezwecke attraktiv zu machen.

Unwägbarkeiten in der Praxis

Kein Verfahren ist allerdings heute schon völlig ausgereift. So reichern sich zum Beispiel, je nach der Zusammensetzung der Ausgangsstoffe, jeweils ganz andere Metalle in den Biofiltern an; und insbesondere Kupferrückstände können die Anlagerung von begehrteren, aber niedriger konzentrierten Metallen behindern. "Wenn ich ein bestimmtes Metall gezielt aus einer Mischung auswählen könnte, wäre ich Millionärin", lacht Macaskie.

"Wenn ich ein Metall gezielt auswählen könnte, wäre ich Millionärin"
(Lynne Macaskie)
Bohumil Volesky, emeritierter Professor an der McGill University in Montreal, geht wieder andere Wege: Anders als die britischen Forscher schlägt er vor, die Biosorption lieber zunächst bei der Abwasserreinigung einzusetzen. Dies muss nicht unmittelbar Profit abwerfen und hat den eindeutigen Vorteil sehr geringer Kosten – mit dem willkommenen Nebeneffekt der Metallrückgewinnung. Im Ansatz von Volesky spielt dabei Sargassum-Seetang eine Hauptrolle als Biofilter, denn er eignet sich für viele verschiedene Metalle: Sogar seltene Erden wie Lanthan oder Europium könnte man damit anreichern. Seetang wächst zudem kostenlos in vielen Gewässern. Nun muss ihn nur noch irgendjemand einsammeln und anliefern. Leider fehlen Lieferanten, weil es noch keine Abnehmer gibt – und umgekehrt.

Volesky ist dennoch guter Dinge: "Das Verfahren funktioniert", es sei ja nichts anderes als ein Ionenaustausch, wie er beispielsweise für die Rückgewinnung von Kupfer, Zink oder Nickel aus Abwässern schon angewandt wird. Als Filter dienen dabei heute noch meist Körnchen aus so genannten Adsorberharzen, an die sich je nach Art des Harzes verschiedene Metalle bevorzugt anlagern. Diese synthetisch hergestellten, verhältnismäßig teuren Chemikalien gelte es mit Biomasse zu ersetzen – sie sei billiger, vielseitiger und verbrauche für die Herstellung keine zusätzliche Energie. Gute Ausgangsbedingungen also für eine Kleinstlebewesen-Karriere als Schatzsucher.
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