Extreme Umwelt: Bakterien gewinnen Wasser aus Wüstengestein
In der Wüste ist es so trocken, dass sich Kleinstlebewesen in Steinen ansiedeln und in Kristallen gebundene Wasservorräte anzapfen. Wie genau sie das machen, war bislang allerdings unklar. Ein Team um den Materialwissenschaftler David Kisailus von der University of California in Irvine hat das Rätsel nun gelöst.
Koautorin und Biologin Jocelyne DiRuggiero von der Johns Hopkins University sammelte zunächst in der chilenischen Atacama-Wüste, einem der trockensten Orte der Erde, Proben von Gipsstein. Dabei handelt es sich um ein kalziumsulfatbasiertes Mineral, ein jahrmillionenaltes natürliches Sedimentgestein. In den Kristallen, die sich beim Verdunsten salzigen Wassers auf dem heutigen Wüstenboden abgelagert haben, ist Wasser gebunden – genau zwei Moleküle für jede Einheit Kalziumsulfat.
Wie die Forscher in den »Proceedings of the National Academy of Sciences« berichten, blickten sie im Labor in das Innere der Steine. Unter einer dünnen Schicht des Gesteins produzierten die dort lebenden Zyanobakterien einen Biofilm aus organischen Säuren und sonderten ihn zielgerichtet entlang der Kristallstruktur des Gipses ab. Der Säurefilm löste die Minerale und entzog dem Kristall das Wasser. Infolge der Dehydrierung verwandelte sich der Gips (CaSO4 · 2H2O) daraufhin in das Mineral Anhydrit (CaSO4), das aus wasserfreiem Kalziumsulfat besteht.
Mit einem Röntgenverfahren, das die Struktur von Kristallen offenbart, stellten die Forscher weiterhin fest, dass der wasserfreie Anhydrit nur dort zu finden war, wo auch Mikroben lebten. Sie kultivierten außerdem im Labor auf winzigen Würfeln des Atacama-Gesteins die Zyanobakteriengattung Chroococcidiopsis, die in Wüsten weltweit extremste Hitze und Trockenheit erträgt. Nach rund 30 Tagen verwandelten sich allein jene Steine in Anhydrit, deren Mikrobenkultur nicht mit Wasser versorgt wurde.
Die Forscher schließen daraus, dass die Bakterien dem Stein nur dann Wasser entziehen, wenn es ihnen daran mangelt. »Die Mikroorganismen bewohnen das Innere von Steinen offenbar als eine Art Überlebensstrategie.« Das könne womöglich auch Leben unter noch extremeren Bedingungen ermöglichen, etwa auf dem Mars. Kisailus berichtet in einer Pressemitteilung, dass die U.S. Army die Forschungsarbeit finanziert hat, um zu erfahren, wie Organismen in einer extremen Umwelt überleben können.
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