Bauchhirn: Tastsinn im Darm
Das Hirn weiß, was im Darm passiert. Doch wie gelangen Informationen vom Verdauungstrakt ins Denkorgan? In umfassenden Experimenten mit Mäusen hat ein Forschungsteam der Harvard University nun einen Teil der daran beteiligten Neurone klassifiziert und ihre Funktion bestimmt. Die Erkenntnisse könnten dabei helfen, Entzündungen im Darm besser zu verstehen und zu behandeln.
Das Team um Rachel Wolfson interessierte sich für Neurone im Rückenmark, deren Fortsätze bis in den Dickdarm reichen. Genauer gesagt befinden sich deren Zellkörper im Spinalganglion, einem Nervenknoten, in dem sich auch solche Zellen bündeln, deren »Fühler« unter die Haut gehen. Diese Gemeinsamkeit machte sich die Gruppe zu Nutze: Sie untersuchte bei Mäusen die Mechanorezeptoren, also jene Nervenenden, die auf Druck, Dehnung oder Erwärmung der Haut reagieren. Die Versuchstiere waren genetisch so verändert, dass die Wissenschaftler einzelne Arten von Neuronen gezielt markieren und ansteuern konnten.
Einen Großteil dieser eigentlich hauttypischen Nervenzellen fanden die Fachleute auch im Dickdarm: Anhand genetischer Merkmale identifizierten sie fünf Arten von Neuronen, die vom Spinalganglion in den Verdauungstrakt reichen. Um zu verstehen, wie diese funktionieren, führten sie unter anderem Luftballons in die Mäusedärme und füllten diese unterschiedlich prall. Und durch gezieltes An- und Abschalten der Nervenzellen konnten sie deren Funktion untersuchen. Zwei Typen von Neuronen reagierten auf leichtere Dehnung, wie sie etwa auftritt, wenn sich verdaute Nahrung durch den Darm bewegt. Zwei weitere Arten sprachen auf intensivere Kräfte an.
»Zum ersten Mal konnten wir die Anatomie, Physiologie und Funktionen der Neurone aufklären, die den Dickdarm innervieren«, sagt David Ginty. Besonders viel versprechend ist, dass das Team erstmalig nachwies, welche Art von Nervenzellen Entzündungssignale weiterleiten. Zukünftige Behandlungen für Darmschmerzen könnten davon profitieren.
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