Italien: Bauen nach Zahlen in der Antike
Wo gehört Brett Nummer zwei hin? Passt das überhaupt zu Leiste Nummer vier? So geht es uns, wenn wir uns mit dem Aufbau von Regalen eines schwedischen Möbelhauses beschäftigen. Doch der Trick mit der Nummerierung von Bauteilen ist nicht neu: Unweit des süditalienischen Potenza stießen Archäologen auf einen pompösen Tempel oder Palast aus dem 6. Jahrhundert v. Chr., dessen zahlreiche Bauteile Nummern tragen – und vom architektonischen Baukastenprinzip jener Zeit zeugen.
Die Forscher bargen insgesamt etwa hundert Friesplatten – schmale Dekorationsstreifen – sowie Verzierungen für den Wasserablauf. Platten wie Abläufe trugen Nummern, die ihren Ort auf dem Dach anzeigten. Auf den Ablaufverzierungen, Kymatia genannt, waren Zahlen mit maskuliner Endung zu lesen (erster, zweiter, ...), auf den Friesplatten Zahlen mit femininer Endung (erste, zweite, ...).
Das Satteldach des Baus war reich verziert. Wie Massimo Osanna von der Università degli Studi della Basilicata berichtet, orientierten sich die italischen Bauherren an den großen Vorbildern der griechischen Architektur – schließlich lag die griechische Kolonie Magna Graecia unmittelbar vor der eigenen Haustür: Sie dehnte sich zu Beginn der Eisenzeit um die Küste der Stiefelspitze und des heutigen Siziliens.
Ganz in der Nähe des Fundortes, in Braida di Vaglio, haben Forscher ein Haus ausgegraben, dessen Dekoration sehr ähnlich aussieht. Forschungsleiter Osanna vermutet eine kostengünstige Serienproduktion, die auch fremde Bauarbeiter modulartig zusammensetzen konnten.
Claudia Reinert
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