Evolution: Bedingt abwehrbereit
Die Unterscheidung zwischen Selbst und Fremd gehört zu den ausgeklügelsten und kompliziertesten biochemischen Mechanismen, die unser Körper zu bieten hat. Dabei galt die spezifische und hochgezielte Abwehr lange Zeit als alleiniges Vorrecht der Wirbeltiere. Doch auch Wirbellose erkennen Selbst und Fremd.
Drei Verteidigungslinien schützen vor dem bösen Feind draußen: Zunächst versperren Haut und Schleimhäute sowie deren Sekrete den Weg für Viren, Bakterien und all die anderen Krankheitserreger, die sich gerne im Innern des Körpers häuslich niederlassen möchten. Sollten es einige von ihnen dennoch hinein schaffen, stürzen sich Fresszellen, die wahllos alles verschlingen, auf die Eindringlinge. Erst wenn diese unspezifischen Abwehrmechanismen versagen, wird die dritte und letzte Waffe scharf gemacht: das spezifische Immunsystem.
Im Gegensatz zu den beiden anderen Systemen ist die spezifische Abwehr nicht angeboren, sondern muss im Falle eines Falles erst angekurbelt werden. Dafür ist es lernfähig und kann später umso gezielter gegen Krankheitserreger eingesetzt werden. Eine Schlüsselrolle spielen hier eine Gruppe von Proteinen, die auf den Zungenbrecher Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC; major histocompatibility complex) hören und sich durch eine enorme Variabilität auszeichnen: Jeder Mensch hat seinen eigenen, individuellen Satz an MHC-Proteinen, wobei alle Zellen des Körpers mit MHC-Klasse-I-Molekülen, die in der Zellmembran sitzen, markiert sind. MHC-Klasse-II-Moleküle finden sich dagegen auf den Membranen bestimmter Zellen des Immunsystems wie den Makrophagen.
Wird nun eine Körperzelle von einem Krankheitserreger infiziert, dann präsentiert die todgeweihte Zelle mit Hilfe ihrer MHC-Moleküle fremde Proteinstückchen des Eindringlings – die Antigene – auf ihrer Oberfläche. Diese Antigen-Präsentation löst nun eine komplizierte Maschinerie aus, bei der die infizierten Zellen gezielt vernichtet werden. Und das Besondere dabei: Der Körper verfügt über ein immunologisches Gedächtnis. Indem er sich die Antigene "merkt", kann er bei der nächsten Infektion mit demselben Krankheitserreger sofort ungehemmt zuschlagen.
Wie konnte ein derartig kompliziertes System entstehen? Das für Wirbeltiere typische lernfähige Immunsystem trat in der Evolution erst bei Knorpelfischen auf; alle anderen Organismen verfügen nur über eine unspezifische Abwehr. Da die Natur aber nichts aus dem Nichts schaffen kann, liegt der Verdacht nahe, dass es zumindest bei den nächsten Verwandten der Wirbeltiere Vorstufen eines Immunsystems geben muss.
Botryllus schlosseri scheint damit Selbst und Fremd unterscheiden zu können. Die Forscher um Anthony De Tomaso von der Universität Stanford versuchten nun, den genetischen Schlüssel dieser Selbst-Erkenntnis zu finden.
Und die Forscher wurden fündig: Ein einziges Gen mit dem Namen FuHC (fusion/histocompatibility) scheint darüber zu entscheiden, ob die Fusion gelingt oder nicht. Wie die MHC-Gene der Wirbeltiere zeichnet sich das Seescheiden-Gen durch eine außergewöhnlich hohe Variabilität aus.
Damit verfügen die Seescheiden zwar noch nicht über die Raffinessen des spezifischen Immunsystems der Wirbeltiere. Aber indem sie einen Mechanismus entwickelt haben, der die Fusion ihrer Kolonien kontrolliert, legten sie wohl gleichzeitig die Keimzelle der dritten Verteidigungslinie.
Im Gegensatz zu den beiden anderen Systemen ist die spezifische Abwehr nicht angeboren, sondern muss im Falle eines Falles erst angekurbelt werden. Dafür ist es lernfähig und kann später umso gezielter gegen Krankheitserreger eingesetzt werden. Eine Schlüsselrolle spielen hier eine Gruppe von Proteinen, die auf den Zungenbrecher Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC; major histocompatibility complex) hören und sich durch eine enorme Variabilität auszeichnen: Jeder Mensch hat seinen eigenen, individuellen Satz an MHC-Proteinen, wobei alle Zellen des Körpers mit MHC-Klasse-I-Molekülen, die in der Zellmembran sitzen, markiert sind. MHC-Klasse-II-Moleküle finden sich dagegen auf den Membranen bestimmter Zellen des Immunsystems wie den Makrophagen.
Wird nun eine Körperzelle von einem Krankheitserreger infiziert, dann präsentiert die todgeweihte Zelle mit Hilfe ihrer MHC-Moleküle fremde Proteinstückchen des Eindringlings – die Antigene – auf ihrer Oberfläche. Diese Antigen-Präsentation löst nun eine komplizierte Maschinerie aus, bei der die infizierten Zellen gezielt vernichtet werden. Und das Besondere dabei: Der Körper verfügt über ein immunologisches Gedächtnis. Indem er sich die Antigene "merkt", kann er bei der nächsten Infektion mit demselben Krankheitserreger sofort ungehemmt zuschlagen.
Wie konnte ein derartig kompliziertes System entstehen? Das für Wirbeltiere typische lernfähige Immunsystem trat in der Evolution erst bei Knorpelfischen auf; alle anderen Organismen verfügen nur über eine unspezifische Abwehr. Da die Natur aber nichts aus dem Nichts schaffen kann, liegt der Verdacht nahe, dass es zumindest bei den nächsten Verwandten der Wirbeltiere Vorstufen eines Immunsystems geben muss.
Diese Verwandten sehen auf den ersten Blick eher fremdartig aus: ein gallertiger kurzer Schlauch, der an einem Ende Wasser ansaugt und es am anderen wieder ausstößt. Und dennoch gehören die Seescheiden oder Aszidien zum gleichen Tierstamm wie auch die Wirbeltiere: dem Stamm der Chordata. Einer dieser Wirbeltier-Vettern nennt sich Botryllus schlosseri, eine auch in unseren Gewässern heimische Aszidie. Das Wesen ist kein Einzelgänger, sondern geht mit seinesgleichen Bündnisse ein. Treffen nun zwei wachsende B.-schlosseri-Kolonien aufeinander, dann können sie zu einer Superkolonie fusionieren – oder eben nicht. Nur genetisch identische oder nah verwandte Kolonien mögen sich. Andere werden abgelehnt; die Zellen in der Kontaktzone sterben ab. Ein Vorgang, der frappierend an eine fehlgeschlagene Transplantation erinnert.
Botryllus schlosseri scheint damit Selbst und Fremd unterscheiden zu können. Die Forscher um Anthony De Tomaso von der Universität Stanford versuchten nun, den genetischen Schlüssel dieser Selbst-Erkenntnis zu finden.
Und die Forscher wurden fündig: Ein einziges Gen mit dem Namen FuHC (fusion/histocompatibility) scheint darüber zu entscheiden, ob die Fusion gelingt oder nicht. Wie die MHC-Gene der Wirbeltiere zeichnet sich das Seescheiden-Gen durch eine außergewöhnlich hohe Variabilität aus.
Damit verfügen die Seescheiden zwar noch nicht über die Raffinessen des spezifischen Immunsystems der Wirbeltiere. Aber indem sie einen Mechanismus entwickelt haben, der die Fusion ihrer Kolonien kontrolliert, legten sie wohl gleichzeitig die Keimzelle der dritten Verteidigungslinie.
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