Geomorphologie: Befindet sich weltgrößter Canyon unter antarktischem Eis?
Unter dem zwei bis drei Kilometer mächtigen Eispanzer des Prinzessin-Elisabeth-Landes in der östlichen Antarktis verbirgt sich womöglich ein Schluchtensystem, das alle anderen bekannten Einschnitte der Erde übertrifft – zumindest auf dem Festland. Auf Grund von Satellitendaten vermuten Stewart Jamieson von der Durham University und sein Team, dass sich hier ein rund 1000 Kilometer langer und an verschiedenen Stellen 1000 Meter tiefer Canyon befinden könnte – er wäre damit bedeutend größer als beispielsweise der Grand Canyon, der nicht einmal halb so lang ist. In seinen Dimensionen übertrifft er zudem einen auf Grönland vor wenigen Jahren nachgewiesenen Einschnitt. Stellenweise konnten die Forscher die Ausdehnung der Schlucht bereits sogar mit Radardaten bestätigen: Diese zieht sich demnach vom Inneren des Ostantarktischen Eisschildes bis zur Küste hin.
Womöglich steht die Schlucht auch im Zusammenhang mit einem bislang unbekannten subglazialen See am Grund der Eismassen, der mit einer Fläche von 1250 Quadratkilometern mehr als doppelt so groß ist wie der Bodensee. Charakteristische Kennzeichen der Eisoberfläche, die an anderer Stelle in der Antarktis über verborgenen Seen ebenfalls beobachtet wurden, deuten jedenfalls darauf hin, dass sich hier ein Stillgewässer befinden könnte. Der hohe Druck und die Reibungshitze sorgen dafür, dass die Gletscher an ihrer Unterseite abschmelzen und sich das Wasser in Vertiefungen sammelt.
Wann der riesige Canyon entstanden ist, können die Glaziologen bislang nur vermuten. Entweder stammt er schon aus einer Zeit, bevor die Antarktis vergletscherte, und das Eis bewahrte die Struktur ähnlich wie bei dem ebenfalls verborgenen antarktischen Gamburtsev-Gebirge. Oder aber das Schmelzwasser am Gletschergrund modellierte im Lauf der Zeit die Schlucht heraus. Das Prinzessin-Elisabeth-Land gehört wegen seiner Isolation und der extremen Lebensbedingungen zu den am wenigsten erforschten Regionen der Antarktis. Wissenschaftler bezeichnen es daher auch als einen von zwei "Polen der Unkenntnis".
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