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Kreidezeit: Behaarte Schnecke in 99 Millionen Jahre altem Bernstein

In einem Bernstein haben Forscher eine bisher unbekannte Landschnecke entdeckt. Ihre Besonderheit: Das Gehäuse ist mit Borsten bestückt, über deren Zweck die Fachleute rätseln.
Bernstein mit Fossil einer Landschnecke aus der Kreidezeit.
Das haarige Schneckengehäuse steckt in einem 99 Millionen Jahre alten Bernstein. Die neue Art heißt Archaeocyclotus brevivillosus.

In einem 99 Millionen Jahre alten Stück Bernstein haben Zoologen eine bislang unbekannte kreidezeitliche Landschnecke entdeckt. Auffällig an dem Exemplar: Das Gehäuse ist mit Haaren bedeckt. Ein solches Merkmal findet sich auch heute an Schnecken und dürfte den Weichtieren einen Selektionsvorteil geboten haben, wie die Forschergruppe um Jean-Michel Bichain vom Musée d'Histoire naturelle et d'Ethnographie in Colmar im Fachmagazin »Cretaceous Research« berichtet.

Der Bernstein, in dem die Schnecke der neu bestimmten Art Archaeocyclotus brevivillosus steckt, stammt aus einer Mine im Hukawng-Tal. Der Ort liegt im Kachin-Staat von Myanmar in Südostasien. Die Fachleute um Bichain haben den Fund im Mikroskop sowie mit Hilfe der Mikrocomputertomografie untersucht. Die fossile Schnecke aus der Familie Cyclophoridae, der Turmdeckelschnecken, ist 26,5 Millimeter lang und 9 Millimeter hoch. Am Rand stehen feine borstige Haare ab, die nur zirka 0,2 Millimeter in der Länge messen.

Haare am Haus finden sich bei fossilen Land- und Wasserschnecken. Aus der Familie der Turmdeckelschnecken, die in Bernstein aus Myanmar entdeckt wurden, kennen die Forscher nun sechs solcher haarigen Arten. Die Borsten wachsen aus der äußersten Schicht der Schneckenschale, dem aus Proteinen bestehenden Periostracum. Die Forschergruppe geht davon aus, dass die Haare – damals wie heute – den Schnecken einen evolutionären Vorteil geboten haben müssen. Womöglich halfen sie den Weichtieren, sich etwa leichter in Blätterwerk festzusetzen. Ebenso denkbar sei, dass die Behaarung zur Wärmeregulierung diente: Wassertropfen, die sich in den Haaren verfingen, hätten dann das Gehäuse abgekühlt. Als weitere Möglichkeiten zählen die Forschenden auf, dass die Haare der Tarnung oder als Schutz vor der sauren Erde im tropischen Waldboden dienten. Die saure Umgebung hätte sonst allmählich die Kalkschichten des Gehäuses zersetzt.

Immer wieder veröffentlichen Fachleute in Bernstein konservierte Fossilien aus Myanmar. Doch Abbau und Verkauf der Harzstücke gehen oft unter fragwürdigen Bedingungen vonstatten. Daher betonen die Wissenschaftler um Bichain in ihrer Studie, dass »der Fund legal vor Juni 2017 erworben worden war, also vor den politischen Unruhen im November 2017«. In den vergangenen Jahren hat sich die politische Lage in Myanmar deutlich verschlechtert: Seit 2016 geht der Staat gewaltsam gegen die bereits lange unterdrückte Minderheit der Rohingya vor, 2021 putschte das Militär. Wie jüngst eine Arbeitsgruppe um Emma Dunne von der Universität Erlangen-Nürnberg in »Communications Biology« untersuchte, hängen die unruhige politische Lage, der Abbau und Verkauf von Bernstein direkt zusammen: Seit 2010 sei die Nachfrage stark gewachsen, weshalb in Kachin im Norden des Landes auch mehr Bernstein gewonnen wurde. Auf Grund von militärischen Auseinandersetzungen kam es im Umfeld der Minen jedoch zu Menschenrechtsverletzungen, zudem wurde die lokale Bevölkerung vertrieben.

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