Artenvielfalt: Beispiellose Volkszählung im Regenwald
Zwei Jahre lang hat ein Forscherteam um Yves Basset vom Smithsonian Tropical Research Institute in Panama-Stadt den Regenwald durchkämmt, um Proben für die wohl umfassendste Bestandsaufnahme der Artenvielfalt in Regenwäldern zu sammeln. Rund sechs Millionen Gliederfüßer-Arten dürfte es demnach weltweit geben.
Das internationale Wissenschaftlerteam pflückte auf zwölf etwa tennisplatzgroßen Arealen sämtliche dort lebenden Arthropoden ab – insgesamt gingen den Forschern 129 494 Gliederfüßer ins Netz. Dazu gruben sie Insekten aus totem Baumholz, befuhren mit heliumgefüllten Ballons die Baumkronen oder fischten mit Hilfe eines biologisch abbaubaren Insektenvernichtungsmittels fliegende Insekten aus der Luft. Insgesamt kamen 14 verschiedene Sammelverfahren zum Einsatz. In einer achtjährigen Fleißarbeit bestimmten sie anschließend die Funde.
Aus den Ergebnissen erstellten sie ein Modell, mit dem sie die Gesamtbiodiversität hochrechneten. So entdeckten sie beispielsweise, dass jede Baum- oder Großpflanzenart einen Lebensraum für etwa 20 Gliederfüßer-Spezies bot. Weil Pflanzen viel leichter zu bestimmen seien als Insekten, würden solche Modelle helfen, weltweite Zahlen abzuschätzen, sagte Basset dem Magazin "Nature". Arthropoden, zu denen neben Insekten auch Spinnen zählen, bilden die artenreichste Gruppe im Tierreich und sind daher ein guter Indikator für die weltweite Biodiversität.
Allerdings sind sich Forscher uneins, welchen Wert eine solche globale Extrapolation tatsächlich hat. Regenwälder können sich von Land zu Land erheblich unterscheiden. Dementsprechend dürfte auch die Artzusammensetzung variieren. Bassets Kollege Terry Erwin von der Smithsonian Institution in Washington, D.C. war in den 1980er Jahren beispielsweise mit einem einfacheren Ansatz auf eine Gesamtzahl von 30 Millionen Insektenarten weltweit gekommen. Spätere Untersuchungen lieferten ähnliche Ergebnisse wie jetzt Basset..
Zu wissen, in welchem Verhältnis die Arten in einem eng umgrenzten Gebiet zueinander stehen, hilft Forschern allerdings auch, die Folgen des fortschreitenden Verlusts an Lebensraum abzuschätzen. Bislang fiel es Forschern beispielsweise schwer zu sagen, welche Auswirkungen es hat, wenn aus einem Ökosystem eine oder mehrere Pflanzenarten komplett verschwinden. Die Daten von Basset und Kollegen könnten hier neue Erkenntnisse vermitteln.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben