Objekt des Monats: Sternhaufen in Auflösung

NGC 2374 ist ein offener Sternhaufen im Sternbild Großer Hund (lateinisch: Canis Major). Mit nicht ganz 300 Millionen Jahren hat er für einen Sternhaufen ein mittleres Alter und noch nicht einmal zwei Umläufe um das galaktische Zentrum hinter sich. Er enthält noch einige massereiche und leuchtkräftige Sterne, die in älteren Haufen auf Grund ihrer kurzen Lebensdauer schon fehlen. Dafür ist NGC 2374 bereits recht zerstreut, vermutlich weil er von Anfang an nicht zu den massereichsten Sternhaufen gehörte. Eigentlich hebt er sich nur dank seiner großen Entfernung von knapp 4000 Lichtjahren vom Sternenhintergrund erkennbar als Haufen ab. Einen weiteren galaktischen Umlauf wird er sicher nicht mehr überstehen.
Historische Beobachtungen
William Herschel entdeckte NGC 2374 am 31. Januar 1785 und beschrieb den Anblick des Sternhaufens in seinem 18,7-Zoll-Reflektor trefflich wie folgt: »Ein Haufen von recht weit verstreuten Sternen, recht reich, etwa 20 Bogenminuten groß, krumme Gestalt.« Im Dezember 1836 beobachtete sein Sohn, John Herschel, das Objekt mit demselben, inzwischen restaurierten und verschifften Teleskop von der Südhalbkugel aus. Er zweifelte an der Haufennatur: »Ein großer, zerstreuter Haufen oder eher eine Region, stärker von Sternen bevölkert als die restliche Milchstraße, jedoch kaum berechtigt, als Sternhaufen zu gelten. Die Sterne verlaufen in einzelnen Linien und Kurven vor einem dunklen Hintergrund.«
Robert Julius Trümpler (1886 – 1956), der unter anderem für seine noch heute verwendete Klassifizierung offener Sternhaufen bekannt ist, gab einen Durchmesser von nur 4,5 Bogenminuten für NGC 2374 an. Demnach berücksichtigte er nur dessen dichteren, südwestlichen Teil. Per Collinder (1890 – 1975) vermaß den Haufen zu 13 × 7 Bogenminuten im Positionswinkel von 50 Grad. Der Positionswinkel ist eine Richtungsangabe bezogen auf den Himmelsnordpol. Null Grad entspricht exakt der Richtung zu diesem Pol; 180 Grad sind genau entgegengesetzt. Die Größenangabe ist immer noch etwas kleiner als die von William Herschel grob geschätzte und unter einem dunklen Himmel wahrnehmbare Ausdehnung (siehe »Ein ungleichmäßiger Haufen«). Entsprechend schwer ist es auch, eine Gesamthelligkeit zu bestimmen. Etwa 8,0 mag erscheint zutreffend.

Interessante Nachbarn
NGC 2374 hat die Koordinaten 𝛼 = 07h 24,0m, 𝛿 = –13° 16′. Ein Grad nördlich davon befindet sich der 9,1 mag helle und nur zirka vier Bogenminuten große Sternhaufen Haffner 8. Das ist einer der interessantesten Sternhaufen, die Hans Haffner im Jahr 1955 am Boyden Observatory in Südafrika fotografisch entdeckte. Haffner 8 erscheint im 13-Zentimeter-Teleskop deutlich kleiner und nebliger als NGC 2374. Auf den ersten Blick ist das Objekt bei 20-facher Vergrößerung optisch zweigeteilt: Der mit 11 mag hellste Stern des Haufens steht im Norden, dagegen können zwei oder drei 12 mag helle Sterne im Süden von Haffner 8 ausgemacht werden. Bei 90-facher Vergrößerung präsentiert er sich dann als eine nahezu perfekte Miniaturausgabe des Weihnachtsbaumhaufens NGC 2264 (siehe SuW 12/2020, S. 68). Wie es bereits der kompaktere Anblick nahelegt, steht Haffner 8 mit gut 10 000 Lichtjahren wesentlich weiter entfernt als NGC 2374.
Im sieben Grad großen Gesichtsfeld eines 7 × 50-Feldstechers lässt sich der eher unauffällige NGC 2374 gleichzeitig mit mehreren anderen offenen Sternhaufen betrachten: den am Himmel nahe beieinanderstehenden Messier 46 (M 46) und Messier 47 (M 47) im Sternbild Achterdeck des Schiffs (lateinisch: Puppis) und NGC 2360 im Großen Hund. Zum Aufsuchen ziehen Sie einfach eine Linie von M 46 durch M 47 und verlängern diese auf knapp das Dreifache (siehe »Kosmische Wegweiser«). Hier, in der nordöstlichsten Ecke des Sternbilds Großer Hund, zeigt das Fernglas einen ovalen Nebelfleck, in dem bei optimalen Bedingungen vereinzelte Sterne an der Sichtbarkeitsgrenze aufblitzen.

Anblick im Fernrohr
Im 13-Zentimeter-Refraktor zeigt NGC 2374 bei 20-facher Vergrößerung etwa 20 Sterne von 10 bis 12 mag auf einer Fläche von 15 Bogenminuten Ausdehnung vor einem recht dunklen Hintergrund. Obwohl der Haufen sich damit durchaus im Feld bemerkbar macht, ist seine Umgebung so sternreich, dass in ihr noch weitere Sternansammlungen ins Auge fallen. Darunter ist auch ein Asterismus – eine zufällige, nicht physisch verbundene Sternansammlung –, welcher NGC 2374 bei niedriger Vergrößerung sehr ähnlich sieht und ungefähr 50 Bogenminuten westsüdwestlich steht.
NGC 2374 zeigt unter dunklem Himmel einen eckigen Umriss. Seine hellsten Sterne haben 10 mag und liegen entlang des östlichen Randes, während die südliche Hälfte des Haufens sternreicher wirkt (siehe »Der Anblick im Teleskop«). Bei erhöhter Vergrößerung entsteht daher der Eindruck, dass der eigentliche Haufen nur aus besagter südlicher Hälfte besteht. Der dort am dichtesten besiedelte Bereich ist ein nur fünf Bogenminuten großer Klumpen im südwestlichen Quadranten des Haufens, wie Trümpler bereits bemerkte. Bei 150-facher Vergrößerung kann man hier rund 30 Sterne zählen. Zum Vergleich: Innerhalb des viel größeren Gesamtbereichs des Haufens von 15 Bogenminuten sind insgesamt nur doppelt so viele Sterne zu sehen. Wegen der viel geringeren Sterndichte, dafür aber höheren Helligkeiten außerhalb des Klumpens, macht NGC 2374 nicht den visuellen Eindruck einer physischen Einheit. So muss man John Herschels Zweifeln recht geben. Hier kommt natürlich der Aufruf an unsere Leserinnen und Leser, sich selbst ans Fernrohr zu begeben und sich eine eigene Meinung zu bilden.
Zu Redaktionsschluss lag uns noch kein Leserfoto von NGC 2374 vor. Wir freuen uns auf Ihre Einsendungen für unsere Online-Bildergalerie unter www.spektrum.de/leserbilder/astronomie/.

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.