Objekt des Monats: Sternhaufen mit Überraschungseffekt
Bereits Mitte des 17. Jahrhundert beschrieb Giovanni Battista Hodierna (1597 – 1660) den 4,4 mag hellen Messier 47 (M 47) im Sternbild Achterdeck des Schiffs (lateinisch: Puppis). Der Sternhaufen wurde später von Charles Messier in dessen bekannte Objektliste übernommen und kam so zu seiner Bezeichnung. Messier 46 (M 46) ist mit 6,1 mag deutlich lichtschwächer und wurde am 19. Februar 1771 von Messier selbst entdeckt. Er verzeichnete ihn als »Haufen sehr schwacher Sterne zwischen dem Kopf von Canis Major und den beiden Hinterhufen des Monoceros … Die Sterne können nur mit einem guten Teleskop gesehen werden. Der Haufen enthält etwas Nebulosität.«
Eine Überraschung
John Herschel (1792 – 1871) notierte im Jahr 1827: »Ein sehr schöner reicher Haufen; Sterne = 10 m; welcher das Gesichtsfeld ausfüllt. Innerhalb des Haufens an seinem nördlichen Rand ist ein schöner Planetarischer Nebel.« Hier spricht Herschel von NGC 2438, der auf Fotografien von M 46 sehr auffällig ist (siehe »Ein ungewöhnliches Paar«). Bislang sind lediglich drei Planetarische Nebel bekannt, die sich – zumindest dem Anschein nach – in offenen Sternhaufen befinden. Entsprechend sind sie auch für die Astrophysik von großem Interesse.
Entfernungen von Planetarischen Nebeln sind schwierig zu bestimmen und notorisch ungenau, weil die Strahlung des Nebels Messungen verfälschen kann. Dagegen lassen sich Distanzen zu Sternhaufen mittlerweile recht zuverlässig ermitteln, vor allem dank neuer Parallaxenmessungen durch den Astrometriesatelliten Gaia. Nach bisherigen Erkenntnissen liegen NGC 2438 mit etwa 1400 Lichtjahren und Messier 46 mit ungefähr 4900 Lichtjahren unterschiedlich weit von der Erde entfernt. Viele Autoren betrachten den Planetarischen Nebel daher als Vordergrundobjekt, obwohl das eher geringe Alter von Messier 46 das Vorkommen eines Planetarischen Nebels dieser Größe durchaus plausibel erscheinen lässt. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit nicht hoch, dass der Nebel bei einer zufälligen Projektion am Himmel genau im dichtesten Bereich des Haufens platziert ist. Vielleicht ist die gegenwärtig berechnete Distanz des Planetarischen Nebels einfach noch nicht richtig.
Zwei ungleiche Gesellen
Messier 46 befindet sich bei den Koordinaten 𝛼 = 07h 41,8m, 𝛿 = –14° 49′ und kann im Teleskop zusammen mit Messier 47 in einem Gesichtsfeld betrachtet werden. Die Sternhaufen haben einen Abstand von 1,4 Grad und sind annähernd in Ost-West-Richtung zueinander ausgerichtet. Sie faszinieren durch ihren Kontrast: Der im Sucher blass-neblig erscheinende Messier 46 entpuppt sich bei mittlerer Vergrößerung als Wolke aus zahlreichen schwachen, gleichmäßig verteilten Sternen. Der hellere Messier 47 ist dagegen sternarm. Seine Haufensterne präsentieren sich dafür als brillante, locker verstreute, bläulich-weiße Leuchtfeuer, die sein Auffinden erleichtern (siehe »Der Hundsstern weist den Weg«).
Während Messier 47 für das bloße Auge eines der hellsten Objekte des Winterhimmels ist, lässt sich Messier 46 ausschließlich bei sehr dunklem Himmel und mit viel Übung ohne Hilfsmittel ausmachen, weil er keine zentrale Verdichtung aufweist. Unter besten Bedingungen erscheint M 46 im 7 ⨉ 50-Feldstecher als fein gesprenkeltes Wölkchen mit einem Dutzend Sterne 9. und 10. Größe, die an der Wahrnehmungsgrenze liegen. Unter durchschnittlichen Bedingungen sieht man im Fernglas lediglich eine neblige Wolke, und ein aufgehellter Stadthimmel kann diese sogar fast zum Verschwinden bringen.
Die Ursache für das so unterschiedliche Aussehen der beiden Sternhaufen liegt in ihren stark voneinander abweichenden Entfernungen und Altern: Messier 47 steht 1600 Lichtjahre entfernt und hat ein Alter von rund 50 Millionen Jahren; Messier 46 ist fast dreimal so weit entfernt und mit knapp 250 Millionen Jahren fünfmal älter. In absoluten Dimensionen ist M 46 mit einem Durchmesser von zirka 30 Lichtjahren dabei eigentlich deutlich größer als sein optisch auffälligerer Nachbar mit 12 Lichtjahren. Die Nähe der beiden Sternhaufen am Himmel ist also rein zufällig; in Wirklichkeit liegen sie räumlich weit auseinander und befinden sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien.
Teleskopischer Anblick
In einem 130-Millimeter-Refraktor ist NGC 2438 ab einer 20-fachen Vergrößerung von einem Stern zu unterscheiden, und bei 37-facher Vergrößerung ist das Nebelscheibchen deutlich zu erkennen. Es ist allerdings anzumerken, dass der Anblick von Messier 46 und NGC 2438 sehr sensibel auf eine geringfügig schlechtere Transparenz oder Himmelsaufhellung reagiert. Diese Schwierigkeit gibt es bei seinem Nachbarn Messier 47, der hellere Sterne enthält, nicht.
Michael Fritz erinnert der Anblick der Sternverteilung von M 46 bei 20-facher Vergrößerung an den Kugelsternhaufen Omega Centauri, wenn dieser besser in Sterne aufgelöst wäre. Bei allem physischen Unterschied dieser beiden Objekte haben sie doch beide einen leicht elliptischen Umriss und kleine Dunkelgebiete im jeweiligen Haufenzentrum. Bei der Vergrößerung sieht man in Messier 46 bis zu 80 Sterne der 12. Größenklasse und heller. Zu ihnen gehören vier Rote Riesen mit Helligkeiten von 10,2 bis 10,8 mag. Der mit 8,7 mag hellste Haufenstern erscheint weißlich und liegt am westlichen Rand der Sternansammlung.
Bei hoher Vergrößerung werden bis zu 200 Sterne hinunter zur 14. Größenklasse sichtbar. Die Ausdehnung des Haufens lässt sich dabei nicht genau festlegen: Der dicht bevölkerte Innenbereich misst zwischen 15 und 20 Bogenminuten, während sich die visuell erfassbaren Außenbereiche mindestens über einen Durchmesser von 30 Bogenminuten erstrecken. Abgesehen von dem eingebetteten Planetarischen Nebel NGC 2438 ist das auffälligste Detail in Messier 46 der reizvolle ovale Ring von Sternen, der das zwei Bogenminuten große »dunkle Herz« des Haufens betont (siehe »Ein Sternhaufen mit Planetarischem Nebel«). Solche subtilen, eher zufälligen Strukturen werden vom menschlichen Gehirn bei der visuellen Beobachtung hervorgehoben. Die Ringstruktur umfasst zirka 30 Sterne und wurde von mehreren Beobachtern erwähnt. So bezeichnete schon Charles Edward Barns Messier 46 im Jahr 1929 als eine »ringförmige Sternwolke«. Das ist natürlich wieder die Einladung an Sie, werte Leserinnen und Leser, sich Ihren eigenen Eindruck von diesem tollen Objekt zu verschaffen!
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