Zoologie: Berüchtigte Menschenfresserlöwen teilten Beute ungleich
Eine Isotopenanalyse der "Menschfresser von Tsavo" enthüllt, dass das 1898 erlegte, berüchtigte Löwenpaar zwar einst tatsächlich gut 70 Menschen in Afrika getötet haben könnte – nur eines der Tiere hat die gerissene Beute dann aber auch regelmäßig verspeist. Forscher um Justin Yeakel von der University of California in Santa Cruz ziehen aus ihren Daten auch Rückschlüsse auf die Entstehung gemeinsamer Jagdstrategien und abnormer Ernährungsgewohnheiten der großen Raubkatzen.
Die Forscher hatten Haare und Knochen der Museumsexemplare von zwei Löwen untersucht, die nach langen Bemühungen im Dezember 1898 in der Tsavo-Region in Kenia erlegt wurden. Zuvor waren dort 28 Eisenbahnarbeiter und ungezählte Eingeborene – insgesamt vielleicht bis zu 135 Menschen – von einem nach Zeugenberichten stets koordiniert jagenden Paar männlicher Löwen, den "Menschenfressern von Tsavo", getötet worden. Yeakels Team versuchte nun herauszufinden, warum – oder ob überhaupt – die im Museum konservierten Tiere sich damals auf die für Löwen eigentlich ungewöhnliche menschliche Beute spezialisiert hatten.
Zunächst analysierte das Team daher die typische Kohlenstoffisotop-Zusammensetzung der Gewebe von heute sowie der von vor einem Jahrhundert in der Region lebenden Pflanzen, Tieren und Menschen. Dabei zeigte sich, dass beide Tiere zunächst wie heutige Löwen vor allem grasende Pflanzenfresser gerissen hatten. Besonders eines der Tiere, das Exemplar FMNH 23970, hatte sich in den letzten Monaten seines Lebens dann aber zunehmend bis ausschließlich von Menschen ernährt.
Dies zeigt das Verhältnis der Isotope 13C/12C in Knochen und Zähnen: Es belegt, welches charakteristische Nahrungsgemisch ein Tier während seines Lebens zu sich genommen hat. Bei Pflanzenfressern hängt der 13C-Gehalt im Gewebe davon ab, welcher Anteil Pflanzen mit einem C3- statt einem C4- Fotosynthesemechanismus verspeist wurde: C4-Pflanzen bestehen wegen ihres typischen Stoffwechsels aus verhältnismäßig mehr 13C. An den langsam wachsenden Knochen von Raubtieren kann daher ermittelt werden, ob sie sich im Lauf ihres Lebens hauptsächlich von grasenden Tiere wie Zebras, Antilopen oder Kaffernbüffeln mit deren typischen 13C-Gehalten ernährt haben. Die C-Isotope der beiden Tsavo-Löwen unterschieden sich dabei aber nicht wesentlich von heutigen Artgenossen vor Ort.
Die Haarprobe besonders von Löwe FMNH 23970 belegt aber einen raschen Wechsel des Tieres auf Menschen als Jagdbeute: In den schnell wachsenden Haaren verrät das Verhältnis der Stickstoffisotope 15N/14N etwas über die Stickstoffqualität der Ernährung in den letzten Monaten seines Lebens. Das N-Gemisch dieses Lebensabschnitts entspricht dabei nicht dem, der beim Fressen von Antilope und Co zu erwarten ist, sondern der typischen Zusammensetzung der lokalen menschlichen Bevölkerung.
Heute und mehr noch im 19. Jahrhundert hatten sich Menschen vor Ort hauptsächlich fleischarm von der C4-Pflanze Mais und "Mbaazi" ernährt, einem Brei aus der C3-Pflanze Erbse, und wiesen demzufolge typische 13C/12C-Isotopengemische in Knochen und charakteristische 15N/14N-Verhältnisse in Haarproben auf, die auch im Menschenfresser zu finden waren.
Die Forscher errechneten aus der typischen Wachstumsrate und Stickstoffeinlagerung, dass das Tier in den letzten neun Monaten seines Lebens etwa 25 Menschen verspeist haben muss – sein Jagdgefährte zudem weitere 10. Statistisch fehlerbereinigt müssten jedenfalls zwischen 4 und 72 Personen von den beiden Löwen gerissen worden sein, rechnen die Forscher aus – wenn sie, wie anhand von Beobachtungen im Feld und aus alten Berichten als üblich geschätzt, rund ein Viertel der Beutemasse verschlingen konnten.
Ungeklärt bliebe, so die Forscher, warum einer der beiden kooperativ jagenden Löwen offensichtlich deutlich mehr der menschlichen Beute verspeiste. Die individuelle Spezialisierung könne vielleicht durch typische Deformierung des Löwen erklärt werden: Ein Fangzahn war gebrochen, sein Gebiss schloss auf Grund einer Schiefstellung nicht vollständig. Schon früher war vermutet worden, dass solche gehandikapten Tiere aus Not auf die fremde, aber leichte Beute Mensch ausweichen und sich auf sie spezialisieren. Der Partner des Löwen könnte aus dem gleichen Wurf stammen und seit Jahren mit ihm koordiniert gejagt haben, spekulieren Yeakel und Co.
Mehrere weitere Gründen hätten aber dazu beigetragen, dass die beiden Tiere Ende des 19. Jahrhunderts zu Menschenfessern geworden sind, fassen die Forscher zusammen. So sei mit einem jagdbedingten Rückgang der Elefantenpopulation der Wald dichter geworden, weshalb grasende Beute abzog. Die natürliche Zahl der Beutetiere der Großkatzen ging zudem durch die Mwakisenge-Dürre ab 1897 und durch Rinderpest-Epidemien zurück. Gleichzeitig sorgte der Eisenbahnbau für eine plötzlich deutlich erhöhte Zahl von Menschen im Jagdgebiet der Löwen. (jo)
Die Forscher hatten Haare und Knochen der Museumsexemplare von zwei Löwen untersucht, die nach langen Bemühungen im Dezember 1898 in der Tsavo-Region in Kenia erlegt wurden. Zuvor waren dort 28 Eisenbahnarbeiter und ungezählte Eingeborene – insgesamt vielleicht bis zu 135 Menschen – von einem nach Zeugenberichten stets koordiniert jagenden Paar männlicher Löwen, den "Menschenfressern von Tsavo", getötet worden. Yeakels Team versuchte nun herauszufinden, warum – oder ob überhaupt – die im Museum konservierten Tiere sich damals auf die für Löwen eigentlich ungewöhnliche menschliche Beute spezialisiert hatten.
Zunächst analysierte das Team daher die typische Kohlenstoffisotop-Zusammensetzung der Gewebe von heute sowie der von vor einem Jahrhundert in der Region lebenden Pflanzen, Tieren und Menschen. Dabei zeigte sich, dass beide Tiere zunächst wie heutige Löwen vor allem grasende Pflanzenfresser gerissen hatten. Besonders eines der Tiere, das Exemplar FMNH 23970, hatte sich in den letzten Monaten seines Lebens dann aber zunehmend bis ausschließlich von Menschen ernährt.
Dies zeigt das Verhältnis der Isotope 13C/12C in Knochen und Zähnen: Es belegt, welches charakteristische Nahrungsgemisch ein Tier während seines Lebens zu sich genommen hat. Bei Pflanzenfressern hängt der 13C-Gehalt im Gewebe davon ab, welcher Anteil Pflanzen mit einem C3- statt einem C4- Fotosynthesemechanismus verspeist wurde: C4-Pflanzen bestehen wegen ihres typischen Stoffwechsels aus verhältnismäßig mehr 13C. An den langsam wachsenden Knochen von Raubtieren kann daher ermittelt werden, ob sie sich im Lauf ihres Lebens hauptsächlich von grasenden Tiere wie Zebras, Antilopen oder Kaffernbüffeln mit deren typischen 13C-Gehalten ernährt haben. Die C-Isotope der beiden Tsavo-Löwen unterschieden sich dabei aber nicht wesentlich von heutigen Artgenossen vor Ort.
Die Haarprobe besonders von Löwe FMNH 23970 belegt aber einen raschen Wechsel des Tieres auf Menschen als Jagdbeute: In den schnell wachsenden Haaren verrät das Verhältnis der Stickstoffisotope 15N/14N etwas über die Stickstoffqualität der Ernährung in den letzten Monaten seines Lebens. Das N-Gemisch dieses Lebensabschnitts entspricht dabei nicht dem, der beim Fressen von Antilope und Co zu erwarten ist, sondern der typischen Zusammensetzung der lokalen menschlichen Bevölkerung.
Heute und mehr noch im 19. Jahrhundert hatten sich Menschen vor Ort hauptsächlich fleischarm von der C4-Pflanze Mais und "Mbaazi" ernährt, einem Brei aus der C3-Pflanze Erbse, und wiesen demzufolge typische 13C/12C-Isotopengemische in Knochen und charakteristische 15N/14N-Verhältnisse in Haarproben auf, die auch im Menschenfresser zu finden waren.
Die Forscher errechneten aus der typischen Wachstumsrate und Stickstoffeinlagerung, dass das Tier in den letzten neun Monaten seines Lebens etwa 25 Menschen verspeist haben muss – sein Jagdgefährte zudem weitere 10. Statistisch fehlerbereinigt müssten jedenfalls zwischen 4 und 72 Personen von den beiden Löwen gerissen worden sein, rechnen die Forscher aus – wenn sie, wie anhand von Beobachtungen im Feld und aus alten Berichten als üblich geschätzt, rund ein Viertel der Beutemasse verschlingen konnten.
Ungeklärt bliebe, so die Forscher, warum einer der beiden kooperativ jagenden Löwen offensichtlich deutlich mehr der menschlichen Beute verspeiste. Die individuelle Spezialisierung könne vielleicht durch typische Deformierung des Löwen erklärt werden: Ein Fangzahn war gebrochen, sein Gebiss schloss auf Grund einer Schiefstellung nicht vollständig. Schon früher war vermutet worden, dass solche gehandikapten Tiere aus Not auf die fremde, aber leichte Beute Mensch ausweichen und sich auf sie spezialisieren. Der Partner des Löwen könnte aus dem gleichen Wurf stammen und seit Jahren mit ihm koordiniert gejagt haben, spekulieren Yeakel und Co.
Mehrere weitere Gründen hätten aber dazu beigetragen, dass die beiden Tiere Ende des 19. Jahrhunderts zu Menschenfessern geworden sind, fassen die Forscher zusammen. So sei mit einem jagdbedingten Rückgang der Elefantenpopulation der Wald dichter geworden, weshalb grasende Beute abzog. Die natürliche Zahl der Beutetiere der Großkatzen ging zudem durch die Mwakisenge-Dürre ab 1897 und durch Rinderpest-Epidemien zurück. Gleichzeitig sorgte der Eisenbahnbau für eine plötzlich deutlich erhöhte Zahl von Menschen im Jagdgebiet der Löwen. (jo)
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