Vom Vulkan begraben: Beschleuniger soll verbrannte Bibliothek lesbar machen
Der möglicherweise kostbarste Fund in den beim verheerenden Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 verschütteten Ortschaften ist eine Bibliothek. Bis heute konnte sie jedoch niemand lesen, denn die Glutwolken des Ausbruchs haben die fast 1800 Schriftrollen aus dem antiken Herculaneum fast zur Unkenntlichkeit verkohlt. Doch mit einem Teilchenbeschleuniger hat nun ein Team um W. Brent Seales von der University of Kentucky die empfindlichen Rollen durchleuchtet und will mit diesen Daten die unsichtbare Schrift sichtbar machen. Bisher haben sich die Dokumente auch modernen Verfahren entzogen: Während Seales andere Schriftrollen aus Israel dank ihrer metallhaltigen Pigmente bereits mit Röntgenstrahlung entschlüsselte, sind die antiken Texte mit einer auf Ruß basierenden Tinte geschrieben. Dadurch ist die Schrift mit bisherigen Verfahren bis auf fragmentarische Ausnahmen nicht lesbar.
Alte Schriftrollen können meist nicht entrollt werden, ohne sie zu zerstören. Deswegen entwickeln Fachleute Techniken zum »virtuellen Entrollen«, bei denen sie die Dokumente im Ganzen durchleuchten. Digitale Techniken erzeugen aus der dreidimensionalen Verteilung der Pigmente in der Rolle einen virtuellen Text. Das gelang Seales bereits 2015 bei einer Schriftrolle in Israel mit Röntgenstrahlung – die sieht allerdings nur metallhaltige Tinte. Er setzt darum auf extrem helle Synchrotronstrahlung, die der Teilchenbeschleuniger der Diamond Light Source in Oxfordshire erzeugt und die das Innere der Rollen mit extrem hoher Genauigkeit kartieren sollte.
Dabei ist die Arbeitsgruppe nicht sicher, wie sich die antike Schrift verraten wird. Er hoffe darauf, dass dabei subtile, nicht auf der Dichte der Tinte basierende Unterschiede zum Vorschein kommen, sagte Seales laut einer Mitteilung der Diamond Light Source. Das Team untersuchte deshalb nicht nur zwei Schriftrollen, sondern zum Vergleich auch Fragmente, die im 18. Jahrhundert entrollt wurden und lesbare Zeichen enthalten. Sie sollen helfen, die erhofften Merkmale der Tinte zu identifizieren – gleichzeitig entwickelt Seales eine Maschinenlern-Software, die aus diesen Daten schließlich den Text herausfiltert. Ob das klappt, ist allerdings völlig unklar. Seales selbst gibt zu, dass sein Ansatz nach der unter Fachleuten vorherrschenden Ansicht wenig aussichtsreich ist.
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