Initialen-Psychologie : Bestimmt der Vorname, wen wir zum Freund haben wollen?
Der ArXiv-Blog fasst eine merkwürdige statistische Auffälligkeit zusammen: Auf sozialen Netzwerken scheinen Menschen sich eindeutig häufiger mit Menschen zu befreunden, deren Vorname denselben Anfangsbuchstaben wie ihr eigener hat. So gesellen sich dann häufiger Michaels zu Martins und Jennifers zu Jessicas. Die Ursache ist völlig unklar – das Phänomen bestätigt aber einen bereits 1985 vorgestellten psychologischen Zusammenhang, den so genannten "Name-Letter-Effekt".
Bei diesem Phänomen handelte es sich um die Idee, nach der die Anfangsbuchstaben unseres Namens allerlei Entscheidungen im Leben beeinflussen – so etwa, um nur zwei Beispiele zu nennen, die Wahl des Lieblingsschokoriegels oder die spontane Sympathie gegenüber anderen. Als Ursache diskutieren Psychologen "impliziten Egoismus": Die Wahl könnte im Wesentlichen das Ich und ein gesundes Selbstwertgefühl stabilisieren.
Allerdings haben Forscher seit der ersten Beschreibung des Phänomens durch den belgischen Sozialpsychologen Jozef Nuttin allerlei Versuche unternommen, das Phänomen entweder als statistische Fehlinterpretation zu widerlegen oder aber zu bestätigen. Verwirrenderweise ist dabei beides ab und an gelungen: Um den Effekt wird immer noch gestritten.
Nun nahmen Farshad Kooti von der University of Southern California in Marina Del Ray und Kollegen einen neuen Anlauf: Sie analysierten die Benutzer und Beziehungsgeflechte des Mikroblogging-Dienstes Twitter sowie des sozialen Netzwerks Google+ nach Hinweisen auf den Name-Letter-Effekt – und fanden ihn teils bestätigt, teils wiederlegt.
So zeigte sich etwa, dass der erste Buchstabe des Vornamens wohl nichts mit der Initiale von großen Marken-Accounts zu tun hat (vereinfacht gesagt: Coca-Cola folgen nicht mehr Twitter-Nutzer namens Chris). Auffällig war andererseits, dass Menschen auf Twitter sich häufiger mit Menschen vernetzen, deren Vornamen die gleiche Initiale trägt. Das ist bei Frauen sogar häufiger als bei Männern – und kein erkennbares statistisches Artefakt, so die Forscher. Sie hatten, um Fehler auszuschließen, zum Beispiel extra mit einberechnet, dass gleichaltrige Menschen oder Personen aus gleichen sozialen Umfeldern häufiger dieselben Vornamen haben. "Wir sehen eindeutig einen robusten Effekt – auch wenn wir Geschlecht, Alter, Ethnizität oder Wohnorte als Einflussfaktoren berücksichtigen und herausrechnen", so die Forscher verblüfft. Der "Name-Letter"-Effekt bleibe demnach ebenso unwiderlegt wie rätselhaft.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben