Verhalten: Bettzelle
Wer sich schnell verstecken muss und eine sichere Zuflucht vor Feinden braucht, der sollte möglichst viele Varianten solcher Refugien blitzartig erfassen - am besten also das abstrakte Konzept "Unterschlupf" in allen Formen und Farben erkennen. Mäuse beherrschen das Kunststück - und brauchen dafür gerade einmal acht Nervenzellen.
Bett ist Bett – mag es schmal sein oder King Size, frei im Raum stehen oder im Alkoven versteckt, mit Himmel überdacht oder in einem Podest eingelassen: Wir erkennen auch vorher noch nie Gesehenes problemlos als vorgesehene Ruhestätte für müde Köpfe und Beine. Selbst wenn die Form stärker abweicht und wir auf Hängematte, Campingliege oder Matratzenlager ausweichen müssen – unsere abstrakte Vorstellung vom Konzept "Bett" meldet uns zuverlässig, wenn etwas dazu gehört.
Was uns im Hotel davon abhält, in der Badewanne zu schnarchen, sollten auch Tiere beherrschen, die sich Ruhenester einrichten. Doch besitzen sie ein ähnlich abstraktes Bild "Rückzugsort"? Oder verlassen sie sich beim Erkunden neuer Höhlen und Verstecke auf äußere Merkmale, die sie bei früheren Aktionen schon einmal wahrgenommen haben und an die sie sich nun erinnern? Und wo im Gehirn werden entsprechende Informationen überhaupt abgelegt?
Acht Zellen fürs Nest im Hirn
Bei solchen Fragen hilft nur: ausprobieren. Als Versuchskaninchen wählten Joe Tsien von der Universität Boston und seine Kollegen Mäuse, die sie zunächst einmal gründlich verdrahteten, um während der Experimente die Aktivität im Hippocampus zu überwachen. Diese Region hatten sie gewählt, weil sie bei Menschen nicht nur für Erinnerungen an Menschen, Orte oder Ereignisse eine Rolle spielt, sondern auch als Speicher für Fachwissen, Fakten und Konzepte – das so genannte semantische Gedächtnis. Vielleicht zeigten sich die Nager ja wie schon so oft auch menschlich.
Bevor die Forscher nun allerdings begannen, den sieben Vierbeinern Nestmöglichkeiten verschiedenster Art anzubieten, erfassten sie deren Hippocampus-Aktivität beim Erkunden des gewohnten Schlafplatzes. Dabei erlebten sie eine Überraschung: Gerade einmal acht Zellen, so scheint es, sind für das Erkennen der Kuschelecke im Hippocampus zuständig. Und sie reagieren unterschiedlich, aber höchst spezifisch: Manche, zuvor stille, werden plötzlich und nur dann aktiv, sobald das Tier Kontakt zum "Bau" aufnimmt, und verstummen wieder, wenn dieser verlassen wird; andere, schon aktive, feuern in der Nestinspektionszeit verstärkt oder verfallen als dritte Gruppe beim Nestaufenthalt in Schweigen und regen sich erst dann wieder, wenn die Maus das Haus verlässt. Weitere Reize rühren sie nicht.
Das wiederum klingt verdächtig nach Großmutterneuronen, einer lange umstrittenen These, wonach einzelne Nervenzellen für die Erinnerung an bestimmte Ereignisse oder gar Personen zuständig sind. Erst 2005 hatten Wissenschaftler bei Epilepsie-Patienten solche Rundum-Speicher nachgewiesen, wenn auch nicht für die Oma, sondern beispielsweise für Filmstar Halle Berry – aber immerhin. Angesichts dessen, dass die Theorie bereits als veraltet galt, ein durchaus bemerkenswertes Ergebnis.
Bett ist Bett – wenn's als solches funktioniert
Für Mäuse jedenfalls funktioniert das Konzept der Großmutterneuronen offenbar prächtig. So verstummten oder feuerten die hippocampalen Nesterkenner auch dann munter drauf los, wenn den Nagern eine zweckentfremdete Plastik-, Porzellan- und Metallschalen oder Watte angeboten wurden. Letztere allerdings nur in zerflückter, nicht kugelig aneinander gereihter Form: Dann blieb das Nestprinzip wohl doch zu unklar. Den Tieren war es zudem egal, ob ihre sonst runde Zufluchtsschale sich nun rechteckig oder dreieckig präsentierte – Bett ist Bett.
Manches aber gefiel ihnen nicht: Auf King Size stehen sie offenbar weniger – nachgebildete Mausnester in Übergröße ließ die acht Neuronen kalt –, und störende Glassscheiben, unter denen ihre potenzielle Zufluchtsgrundlage verschwand. Hier fehlte ihnen wohl der Zusammenhang zwischen Aussehen und Funktion, um die Nestregistrierungsneuronen im Hippocampus zu aktivieren, erklären die Wissenschaftler. Während Mensch also im Heimatmuseum durchaus eine altertümliche Schlafstatt hinter Glas als Bett erkennen würde, lässt Maus das ungerührt – verständlicherweise. Keine Nest-Großmutterneuronen-Aktion zeigte sich auch, wenn die übliche Schale umgekehrt stand, also ein Podest bildete. Wieder war sie als Baugrundlage ungeeignet und erntete damit nicht das spezifische Interesse.
Alles in allem würden Mäuse daher in Hotels vielleicht doch in der Badewanne schnarchen, so sie diese als funktional beurteilten. Denn anders als bei uns, denen Bilder zur Erkennung reicht, ist bei ihnen die Zuordnung zu dem abstrakten Konzept "Nest" eng mit dessen tatsächlicher Eignung verknüpft – und dementsprechend gehören gelegentliche Erfahrungen mit verschiedenen Typen und die Möglichkeit dazu, das Angebot genau zu inspizieren. Eine Prämisse, die sich Mensch für manche Hotels vielleicht abschauen sollte.
Was uns im Hotel davon abhält, in der Badewanne zu schnarchen, sollten auch Tiere beherrschen, die sich Ruhenester einrichten. Doch besitzen sie ein ähnlich abstraktes Bild "Rückzugsort"? Oder verlassen sie sich beim Erkunden neuer Höhlen und Verstecke auf äußere Merkmale, die sie bei früheren Aktionen schon einmal wahrgenommen haben und an die sie sich nun erinnern? Und wo im Gehirn werden entsprechende Informationen überhaupt abgelegt?
Acht Zellen fürs Nest im Hirn
Bei solchen Fragen hilft nur: ausprobieren. Als Versuchskaninchen wählten Joe Tsien von der Universität Boston und seine Kollegen Mäuse, die sie zunächst einmal gründlich verdrahteten, um während der Experimente die Aktivität im Hippocampus zu überwachen. Diese Region hatten sie gewählt, weil sie bei Menschen nicht nur für Erinnerungen an Menschen, Orte oder Ereignisse eine Rolle spielt, sondern auch als Speicher für Fachwissen, Fakten und Konzepte – das so genannte semantische Gedächtnis. Vielleicht zeigten sich die Nager ja wie schon so oft auch menschlich.
Bevor die Forscher nun allerdings begannen, den sieben Vierbeinern Nestmöglichkeiten verschiedenster Art anzubieten, erfassten sie deren Hippocampus-Aktivität beim Erkunden des gewohnten Schlafplatzes. Dabei erlebten sie eine Überraschung: Gerade einmal acht Zellen, so scheint es, sind für das Erkennen der Kuschelecke im Hippocampus zuständig. Und sie reagieren unterschiedlich, aber höchst spezifisch: Manche, zuvor stille, werden plötzlich und nur dann aktiv, sobald das Tier Kontakt zum "Bau" aufnimmt, und verstummen wieder, wenn dieser verlassen wird; andere, schon aktive, feuern in der Nestinspektionszeit verstärkt oder verfallen als dritte Gruppe beim Nestaufenthalt in Schweigen und regen sich erst dann wieder, wenn die Maus das Haus verlässt. Weitere Reize rühren sie nicht.
Das wiederum klingt verdächtig nach Großmutterneuronen, einer lange umstrittenen These, wonach einzelne Nervenzellen für die Erinnerung an bestimmte Ereignisse oder gar Personen zuständig sind. Erst 2005 hatten Wissenschaftler bei Epilepsie-Patienten solche Rundum-Speicher nachgewiesen, wenn auch nicht für die Oma, sondern beispielsweise für Filmstar Halle Berry – aber immerhin. Angesichts dessen, dass die Theorie bereits als veraltet galt, ein durchaus bemerkenswertes Ergebnis.
Bett ist Bett – wenn's als solches funktioniert
Für Mäuse jedenfalls funktioniert das Konzept der Großmutterneuronen offenbar prächtig. So verstummten oder feuerten die hippocampalen Nesterkenner auch dann munter drauf los, wenn den Nagern eine zweckentfremdete Plastik-, Porzellan- und Metallschalen oder Watte angeboten wurden. Letztere allerdings nur in zerflückter, nicht kugelig aneinander gereihter Form: Dann blieb das Nestprinzip wohl doch zu unklar. Den Tieren war es zudem egal, ob ihre sonst runde Zufluchtsschale sich nun rechteckig oder dreieckig präsentierte – Bett ist Bett.
Manches aber gefiel ihnen nicht: Auf King Size stehen sie offenbar weniger – nachgebildete Mausnester in Übergröße ließ die acht Neuronen kalt –, und störende Glassscheiben, unter denen ihre potenzielle Zufluchtsgrundlage verschwand. Hier fehlte ihnen wohl der Zusammenhang zwischen Aussehen und Funktion, um die Nestregistrierungsneuronen im Hippocampus zu aktivieren, erklären die Wissenschaftler. Während Mensch also im Heimatmuseum durchaus eine altertümliche Schlafstatt hinter Glas als Bett erkennen würde, lässt Maus das ungerührt – verständlicherweise. Keine Nest-Großmutterneuronen-Aktion zeigte sich auch, wenn die übliche Schale umgekehrt stand, also ein Podest bildete. Wieder war sie als Baugrundlage ungeeignet und erntete damit nicht das spezifische Interesse.
Alles in allem würden Mäuse daher in Hotels vielleicht doch in der Badewanne schnarchen, so sie diese als funktional beurteilten. Denn anders als bei uns, denen Bilder zur Erkennung reicht, ist bei ihnen die Zuordnung zu dem abstrakten Konzept "Nest" eng mit dessen tatsächlicher Eignung verknüpft – und dementsprechend gehören gelegentliche Erfahrungen mit verschiedenen Typen und die Möglichkeit dazu, das Angebot genau zu inspizieren. Eine Prämisse, die sich Mensch für manche Hotels vielleicht abschauen sollte.
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