Rohstoffe: Bevor der Dünger ausgeht
Mangel am Düngerrohstoff Phosphor könnte schon in wenigen Jahrzehnten eine weltweite Lebensmittelkrise auslösen. Forscher arbeiten an Techniken, um das Nährelement zu recyceln.
Er findet meist nur im Zusammenhang mit Todeszonen am Grund der Ostsee oder im Golf von Mexiko Erwähnung. Dabei verdient Phosphor, einer der wichtigsten Rohstoffe für die Menschheit, eigentlich mehr Aufmerksamkeit. Zeitungen schreiben über ihn meist nur neben Stickstoff als einen Bestandteil von Dünger, der über die Flüsse in die Meere gelangt und dort Algen zum Blühen bringt. Nach ihrer Blüte sinken die Algen zum Meeresboden, wo sie verwesen. Der Prozess entzieht dem Wasser Sauerstoff, und das Meeresgebiet stirbt ab. Mehr Interesse wäre aber nötig. Denn schon in wenigen Jahrzehnten könnte das Lebenselixier einer intensiven Landwirtschaft zur Neige gehen – wie die Weltbevölkerung dann ernährt werden soll, weiß niemand.
Momentan wird Phosphor vor allem aus Gesteinen in Form von Phosphat gewonnen, doch ist umstritten, wie lange diese Vorräte noch reichen werden. Nach Angaben des US Geological Survey, einer wissenschaftlichen Behörde des US-Innenministeriums, langen die Reserven, also jenes Phosphatgestein, dessen Abbau sich wirtschaftlich rechnet, noch rund 100 Jahre – allerdings nur bei gleich bleibendem Bedarf. Doch die Weltbevölkerung wächst, und in Schwellenländern wie China und Indien nimmt mit steigendem Wohlstand der Fleischkonsum zu, weshalb diese Staaten ihre Landwirtschaft mit Dünger weiter intensivieren. Arno Rosemarin vom Stockholm Environment Institute rechnete aus, dass die Vorräte unter diesen Bedingungen schon in 50 Jahren aufgebraucht sein könnten [1]. Die Rohstoffexpertin Dana Cordell von der University of Technology in Sydney warnt sogar noch lauter: In gut 20 Jahren werde es keinen Phosphor für Dünger mehr geben, zumindest keinen erschwinglichen, schrieb sie 2008 [2].
Wann droht der Phosphor-Peak?
Cordell stützt ihren Pessimismus auf Erfahrungen mit dem Rohstoff Öl. Dessen Produktion geht in einzelnen Förderländern schon zurück, wenn erst die Hälfte des Öls aus der Erde geholt worden ist – ein Phänomen, das auch für die weltweiten Ölreserven gelten könnte. Das globale Ölfördermaximum, auch "Peak Oil" genannt, wurde allerdings noch nicht beobachtet, obwohl es eigentlich bereits erwartet wird. Cordell überträgt das Rechenmodell dennoch auf den Rohstoff Phosphor. Nach ihren Berechnungen wird es einen "Peak Phosphorus" um das Jahr 2034 herum geben. Schon jetzt sei zu beobachten, dass die Qualität des Ausgangsmaterials abnehme: Die Phosphatmenge im Rohmaterial schrumpft, und gleichzeitig nimmt der Anteil an unerwünschten Stoffen wie etwa dem Schwermetall Kadmium zu. Die sinkende Güte verteuert die Phosphorproduktion und macht sie aufwändiger.
Ob in wenigen Jahrzehnten oder erst in ein paar hundert Jahren: Irgendwann wird das Fruchtbarkeitselixier Phosphor zur Neige gehen – mit all den negativen Folgen wie steigenden Preisen für Dünger und damit auch für Nahrungsmittel. Die Krise wäre existenziell. Denn Phosphor ist anders als Öl nicht ersetzbar. Pflanzen, Tiere und Menschen brauchen ihn wie das Sonnenlicht und die Luft zum Atmen. Er ist ein wesentlicher Baustein der Zellen, und die DNA wird von Phosphor zusammengehalten. Das Element spielt darüber hinaus eine wesentliche Rolle im Energiehaushalt von Lebewesen, da es Bestandteil von Adenosintriphosphat ist.
Chaos im Kreislauf
Die Gründe der aufziehenden Krise sind in der veränderten Landwirtschaft zu suchen. In vorindustriellen Zeiten betrieben die Bauern eine Mischlandwirtschaft: Kühe standen in ihren Ställen neben den Äckern und Wiesen, die sie ernährten. Der Phosphor zirkulierte in dieser überschaubaren Agrarwelt, ohne in großem Stil verbraucht zu werden. Von den Äckern gelangte das Element in die Körper von Tieren und Menschen, die Ausscheidungen brachte man in Form von Mist oder Gülle wieder auf die Felder aus, wo es erneut von den Pflanzen aufgenommen wurde. Heute reisen landwirtschaftliche Erzeugnisse dagegen vom Land in die Stadt oder von einem Kontinent auf den anderen – und mit ihnen der Phosphor. Ackerbau und Viehzucht sind zudem räumlich getrennt, so dass im Nordwesten Deutschlands oder im Voralpenland mit ihrer intensiven Tierhaltung deutlich mehr phosphorhaltige Gülle und Mist entstehen, als die Felder verbrauchen. Der Phosphorkreislauf gerät zur Einbahnstraße.
Die zunehmende Verstädterung leistet ebenfalls ihren Beitrag zum Chaos: Mehr als die Hälfte der Menschheit lebt inzwischen in den Metropolen und bezieht Phosphor über Fleisch, Eier, Obst oder Gemüse vom Land. Die Ausscheidungen der Städter landen in der Kanalisation und anschließend in Flüssen, Seen oder im Meer. Falls Klärwerke vorhanden sind, endet der größte Teil des Phosphors zwar im Klärschlamm, doch nicht überall wird er als fruchtbares Erdmaterial auf die Felder gekippt, weil er mit Schwermetallen, künstlichen Hormonen und Arzneimittelrückständen belastet ist. In Deutschland gelangt deshalb nur die Hälfte des Klärschlamms auf die Felder – Tendenz fallend. Der Rest wird verbrannt, weshalb der wertvolle Rohstoff mit der Asche letztlich auf Deponien landet.
Was am Ende der Kette verloren geht, muss an ihrem Anfang ersetzt werden: Weltweit werden jährlich rund 160 Millionen Tonnen Phosphatgestein gefördert, von denen 80 Prozent zu Dünger weiterverarbeitet werden. Während die Lieferländer gegenwärtig also stark vom Düngerbedarf der Menschheit profitieren, überlegen Wissenschaftler schon, wie sie auf zukünftige Verknappung reagieren können. "Die gute Nachricht ist, dass sich Phosphor recyceln lässt", sagt Sebastian Petzet von der Technischen Universität Darmstadt. Der Abwasserexperte forscht an der Rückgewinnung von Phosphor aus Abwässern und Klärschlamm.
Zurück aus Schlamm und Abwasser
Allein in den Ausscheidungen der Deutschen stecken rund 200 000 Tonnen Phosphor pro Jahr. Aus Abwässern und dem Anteil des verbrannten Klärschlamms ließen sich etwa 40 000 Tonnen Phosphor zurückgewinnen, schätzen Experten. Das wäre knapp die Hälfte der Phosphormenge, die Deutschland derzeit importiert. Ein Projekt, das in diese Richtung geht, läuft noch bis Ende März und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie dem Bundesumweltministerium gefördert: ProPhos, die Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm.
"Aus dem Abwasserstrom lässt sich Phosphor durch chemisches Ausfällen aus hoch konzentrierten Abwasserteilströmen ebenfalls herausholen", erläutert Petzet weiter. "Allerdings enthalten diese Ströme nur einen Teil des Phosphors im Abwasser." Dennoch könnten die Verfahren wirtschaftlich arbeiten, weil der Nährstoff ansonsten in einigen Kläranlagen in Form des schwer löslichen Minerals Struvit ausfällt und dann Betriebsprobleme sowie Kosten verursacht: Wegen der Ablagerungen mussten schon viele Pumpen ersetzt werden.
Rohstofflieferant Kuhdarm
Noch viel mehr Phosphor als in menschlichen Ausscheidungen steckt allerdings in Gülle und Tierkot. Rund 1,6 Millionen Tonnen davon scheiden europäische Kühe, Schweine und Hühner pro Jahr aus. Oft werden die tierischen Exkremente zwar wieder auf die Felder ausgebracht – allerdings regional unterschiedlich stark: In Gegenden mit intensiver Tierzucht gelangt zu viel des Elements auf die Felder, wo es sich in den Böden anreichert und schließlich durch Auslaugung oder Erosion in Flüsse, Seen und Meere geschwemmt wird. Ein Ausgleich zwischen Regionen, in denen Viehhaltung dominiert, und solchen mit überwiegendem Ackerbau ist schwierig, da die Ausscheidungen viel Wasser enthalten und daher recht voluminös und schwer sind: Transporte verbrauchten zu viel Energie und wären zu teuer. In Dänemark wird allerdings stellenweise Gülle eingedickt und dann in Form konzentrierter Trockenmasse weitergereicht.
Daneben können auch die Körper der Tiere als Phosphorquellen dienen. "Insbesondere Tiermehl wäre geeignet, um daraus Mineraldünger herzustellen", sagt Johan Ebenhöch von BASF. Im Prinzip ließen sich einige 10 000 Tonnen der Phosphorverbindung P2O5 pro Jahr aus Tiermehl zurückgewinnen, schätzt Ebenhöch – 2,3 Tonnen P2O5 entsprechen etwa einer Tonne reinem Phosphor. Eine Technologie, die das Material aus Tiermehl recycelt, gibt es auch schon. Das "Mephrec" genannte Verfahren verarbeitet sogar mehrere Ausgangsstoffe auf einmal: Es wandelt Mischungen aus Klärschlamm, Klärschlammasche und Tiermehlasche zu einem phosphorhaltigen Dünger um. Das Gemisch wird zu Briketts verarbeitet und anschließend auf 2000 Grad Celsius erhitzt. Dabei verbrennen die organischen Anteile, und die Schwermetalle sammeln sich in einer Art Legierung, die sich von der entstehenden phosphorhaltigen Schlacke trennen lässt.
Unklar ist indes, wie wirtschaftlich und umweltverträglich die verschiedenen Rückgewinnungsverfahren sind. Auch wird noch untersucht, wie hoch die Qualität der Dünger ist, die sie produzieren. Schon in einem Jahr könnten erste Trends erkennbar sein: Dann läuft die öffentlich finanzierte Förderinitiative zur Phosphorrückgewinnung aus, das diese Bewertungen derzeit durchführt und entsprechende Strategien für Deutschland ausarbeiten soll. Damit unser Bedarf auch zukünftig und angemessen gedeckt werden kann.
Momentan wird Phosphor vor allem aus Gesteinen in Form von Phosphat gewonnen, doch ist umstritten, wie lange diese Vorräte noch reichen werden. Nach Angaben des US Geological Survey, einer wissenschaftlichen Behörde des US-Innenministeriums, langen die Reserven, also jenes Phosphatgestein, dessen Abbau sich wirtschaftlich rechnet, noch rund 100 Jahre – allerdings nur bei gleich bleibendem Bedarf. Doch die Weltbevölkerung wächst, und in Schwellenländern wie China und Indien nimmt mit steigendem Wohlstand der Fleischkonsum zu, weshalb diese Staaten ihre Landwirtschaft mit Dünger weiter intensivieren. Arno Rosemarin vom Stockholm Environment Institute rechnete aus, dass die Vorräte unter diesen Bedingungen schon in 50 Jahren aufgebraucht sein könnten [1]. Die Rohstoffexpertin Dana Cordell von der University of Technology in Sydney warnt sogar noch lauter: In gut 20 Jahren werde es keinen Phosphor für Dünger mehr geben, zumindest keinen erschwinglichen, schrieb sie 2008 [2].
Wann droht der Phosphor-Peak?
Cordell stützt ihren Pessimismus auf Erfahrungen mit dem Rohstoff Öl. Dessen Produktion geht in einzelnen Förderländern schon zurück, wenn erst die Hälfte des Öls aus der Erde geholt worden ist – ein Phänomen, das auch für die weltweiten Ölreserven gelten könnte. Das globale Ölfördermaximum, auch "Peak Oil" genannt, wurde allerdings noch nicht beobachtet, obwohl es eigentlich bereits erwartet wird. Cordell überträgt das Rechenmodell dennoch auf den Rohstoff Phosphor. Nach ihren Berechnungen wird es einen "Peak Phosphorus" um das Jahr 2034 herum geben. Schon jetzt sei zu beobachten, dass die Qualität des Ausgangsmaterials abnehme: Die Phosphatmenge im Rohmaterial schrumpft, und gleichzeitig nimmt der Anteil an unerwünschten Stoffen wie etwa dem Schwermetall Kadmium zu. Die sinkende Güte verteuert die Phosphorproduktion und macht sie aufwändiger.
Die Australierin berücksichtige in ihren Berechnungen nur die Reserven, kritisiert allerdings Simone Röhling vom Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Sie verweist auf die tatsächlichen Ressourcen: jene Lagerstätten, die zwar heute noch nicht wirtschaftlich ausgebeutet werden können, aber in der Zukunft unter veränderten wirtschaftlichen und technischen Bedingungen in Reserven überführt werden können. Die Ressourcen würden deutlich mehr Phosphor enthalten als die Reserven, sagt Röhling. "Reserven und Ressourcen zusammengenommen reichen noch 300 bis 400 Jahre", schätzt Johan Ebenhöch, Produktionsleiter für Mineraldünger beim Chemieunternehmen BASF.
Ob in wenigen Jahrzehnten oder erst in ein paar hundert Jahren: Irgendwann wird das Fruchtbarkeitselixier Phosphor zur Neige gehen – mit all den negativen Folgen wie steigenden Preisen für Dünger und damit auch für Nahrungsmittel. Die Krise wäre existenziell. Denn Phosphor ist anders als Öl nicht ersetzbar. Pflanzen, Tiere und Menschen brauchen ihn wie das Sonnenlicht und die Luft zum Atmen. Er ist ein wesentlicher Baustein der Zellen, und die DNA wird von Phosphor zusammengehalten. Das Element spielt darüber hinaus eine wesentliche Rolle im Energiehaushalt von Lebewesen, da es Bestandteil von Adenosintriphosphat ist.
Chaos im Kreislauf
Die Gründe der aufziehenden Krise sind in der veränderten Landwirtschaft zu suchen. In vorindustriellen Zeiten betrieben die Bauern eine Mischlandwirtschaft: Kühe standen in ihren Ställen neben den Äckern und Wiesen, die sie ernährten. Der Phosphor zirkulierte in dieser überschaubaren Agrarwelt, ohne in großem Stil verbraucht zu werden. Von den Äckern gelangte das Element in die Körper von Tieren und Menschen, die Ausscheidungen brachte man in Form von Mist oder Gülle wieder auf die Felder aus, wo es erneut von den Pflanzen aufgenommen wurde. Heute reisen landwirtschaftliche Erzeugnisse dagegen vom Land in die Stadt oder von einem Kontinent auf den anderen – und mit ihnen der Phosphor. Ackerbau und Viehzucht sind zudem räumlich getrennt, so dass im Nordwesten Deutschlands oder im Voralpenland mit ihrer intensiven Tierhaltung deutlich mehr phosphorhaltige Gülle und Mist entstehen, als die Felder verbrauchen. Der Phosphorkreislauf gerät zur Einbahnstraße.
Die zunehmende Verstädterung leistet ebenfalls ihren Beitrag zum Chaos: Mehr als die Hälfte der Menschheit lebt inzwischen in den Metropolen und bezieht Phosphor über Fleisch, Eier, Obst oder Gemüse vom Land. Die Ausscheidungen der Städter landen in der Kanalisation und anschließend in Flüssen, Seen oder im Meer. Falls Klärwerke vorhanden sind, endet der größte Teil des Phosphors zwar im Klärschlamm, doch nicht überall wird er als fruchtbares Erdmaterial auf die Felder gekippt, weil er mit Schwermetallen, künstlichen Hormonen und Arzneimittelrückständen belastet ist. In Deutschland gelangt deshalb nur die Hälfte des Klärschlamms auf die Felder – Tendenz fallend. Der Rest wird verbrannt, weshalb der wertvolle Rohstoff mit der Asche letztlich auf Deponien landet.
Was am Ende der Kette verloren geht, muss an ihrem Anfang ersetzt werden: Weltweit werden jährlich rund 160 Millionen Tonnen Phosphatgestein gefördert, von denen 80 Prozent zu Dünger weiterverarbeitet werden. Während die Lieferländer gegenwärtig also stark vom Düngerbedarf der Menschheit profitieren, überlegen Wissenschaftler schon, wie sie auf zukünftige Verknappung reagieren können. "Die gute Nachricht ist, dass sich Phosphor recyceln lässt", sagt Sebastian Petzet von der Technischen Universität Darmstadt. Der Abwasserexperte forscht an der Rückgewinnung von Phosphor aus Abwässern und Klärschlamm.
Zurück aus Schlamm und Abwasser
Allein in den Ausscheidungen der Deutschen stecken rund 200 000 Tonnen Phosphor pro Jahr. Aus Abwässern und dem Anteil des verbrannten Klärschlamms ließen sich etwa 40 000 Tonnen Phosphor zurückgewinnen, schätzen Experten. Das wäre knapp die Hälfte der Phosphormenge, die Deutschland derzeit importiert. Ein Projekt, das in diese Richtung geht, läuft noch bis Ende März und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie dem Bundesumweltministerium gefördert: ProPhos, die Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm.
Die dafür nötigen Recyclingtechnologien sind unterschiedlich weit entwickelt. "Es gibt ausgereifte Verfahren zur Rückgewinnung von Phosphor aus den Aschen, die bei der Klärschlammverbrennung entstehen", sagt Petzet – etwa jenes der österreichischen Firma Ash-Dec, bei dem die Asche unter Zugabe einer Chlorverbindung auf 1000 Grad Celsius erhitzt wird. Dabei entsteht eine Phosphorverbindung, die direkt als Mineraldünger verwendet werden könne, berichtet Ash-Dec-Vorstand Ludwig Herrmann. Das Verfahren entferne zudem Schwermetalle aus der Asche, fügt er hinzu. Im Großraum Berlin soll 2011 die erste dieser Anlagen in Deutschland in Betrieb gehen. Ein anderes Verfahren setzt darauf, den begehrten Rohstoff durch nasschemische Reaktionen aus der Klärschlammasche zu ziehen, berichtet Petzet. Dieses befindet sich zwar noch im Laborstadium, doch sehen die ersten Ergebnisse viel versprechend aus: Diese Art der Rückgewinnung benötigt keine hohen Temperaturen und arbeitet daher Energie sparender als Konkurrenzverfahren, welche die Asche erhitzen.
"Aus dem Abwasserstrom lässt sich Phosphor durch chemisches Ausfällen aus hoch konzentrierten Abwasserteilströmen ebenfalls herausholen", erläutert Petzet weiter. "Allerdings enthalten diese Ströme nur einen Teil des Phosphors im Abwasser." Dennoch könnten die Verfahren wirtschaftlich arbeiten, weil der Nährstoff ansonsten in einigen Kläranlagen in Form des schwer löslichen Minerals Struvit ausfällt und dann Betriebsprobleme sowie Kosten verursacht: Wegen der Ablagerungen mussten schon viele Pumpen ersetzt werden.
Rohstofflieferant Kuhdarm
Noch viel mehr Phosphor als in menschlichen Ausscheidungen steckt allerdings in Gülle und Tierkot. Rund 1,6 Millionen Tonnen davon scheiden europäische Kühe, Schweine und Hühner pro Jahr aus. Oft werden die tierischen Exkremente zwar wieder auf die Felder ausgebracht – allerdings regional unterschiedlich stark: In Gegenden mit intensiver Tierzucht gelangt zu viel des Elements auf die Felder, wo es sich in den Böden anreichert und schließlich durch Auslaugung oder Erosion in Flüsse, Seen und Meere geschwemmt wird. Ein Ausgleich zwischen Regionen, in denen Viehhaltung dominiert, und solchen mit überwiegendem Ackerbau ist schwierig, da die Ausscheidungen viel Wasser enthalten und daher recht voluminös und schwer sind: Transporte verbrauchten zu viel Energie und wären zu teuer. In Dänemark wird allerdings stellenweise Gülle eingedickt und dann in Form konzentrierter Trockenmasse weitergereicht.
Daneben können auch die Körper der Tiere als Phosphorquellen dienen. "Insbesondere Tiermehl wäre geeignet, um daraus Mineraldünger herzustellen", sagt Johan Ebenhöch von BASF. Im Prinzip ließen sich einige 10 000 Tonnen der Phosphorverbindung P2O5 pro Jahr aus Tiermehl zurückgewinnen, schätzt Ebenhöch – 2,3 Tonnen P2O5 entsprechen etwa einer Tonne reinem Phosphor. Eine Technologie, die das Material aus Tiermehl recycelt, gibt es auch schon. Das "Mephrec" genannte Verfahren verarbeitet sogar mehrere Ausgangsstoffe auf einmal: Es wandelt Mischungen aus Klärschlamm, Klärschlammasche und Tiermehlasche zu einem phosphorhaltigen Dünger um. Das Gemisch wird zu Briketts verarbeitet und anschließend auf 2000 Grad Celsius erhitzt. Dabei verbrennen die organischen Anteile, und die Schwermetalle sammeln sich in einer Art Legierung, die sich von der entstehenden phosphorhaltigen Schlacke trennen lässt.
Unklar ist indes, wie wirtschaftlich und umweltverträglich die verschiedenen Rückgewinnungsverfahren sind. Auch wird noch untersucht, wie hoch die Qualität der Dünger ist, die sie produzieren. Schon in einem Jahr könnten erste Trends erkennbar sein: Dann läuft die öffentlich finanzierte Förderinitiative zur Phosphorrückgewinnung aus, das diese Bewertungen derzeit durchführt und entsprechende Strategien für Deutschland ausarbeiten soll. Damit unser Bedarf auch zukünftig und angemessen gedeckt werden kann.
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