Planetenentstehung: Bewegte Trümmerscheibe um Nachbarstern
Der 32,3 Lichtjahre entfernte rote Zwergstern AU Microscopii (AU Mic) im südlichen Sternbild Microscopium ist von einer Trümmerscheibe umgeben, die wir fast genau von der Seite sehen. Mit Hilfe des unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Astronomie entwickelten Instruments SPHERE am Very Large Telescope der ESO ist es gelungen, diese Trümmerscheibe scharf und detailreich abzubilden.
Ein Vergleich mit früheren Beobachtungen des Weltraumteleskops Hubble belegt erstmals zuverlässig eine Veränderung dieser Strukturen über nur wenige Jahre. Offenkundig weist die Scheibe um AU Mic schnell bewegte, wellenartige Strukturen auf, die nach außen laufen. Noch ist unklar, worum es sich im Einzelnen handelt und wie diese Strukturen entstanden sind. Sie könnten mit Eruptionen des Sterns AU Mic und/oder mit – bislang nicht nachgewiesenen – Planeten in der Staubscheibe zusammenhängen. Die Ergebnisse wurden nun in "Nature" veröffentlicht.
AU Mic ist ein Roter Zwerg vom Typ M1 Ve, der zur Klasse eruptiver Veränderlicher zählt. Er ist nur etwas mehr als halb so groß wie die Sonne, und mit rund 12 Millionen Jahren ein sehr junger Stern im Vergleich zu den 4,57 Milliarden Jahren unseres Zentralgestirns. Seit 2003 ist bekannt, dass AU Mic von einer Trümmerscheibe umgeben ist, deren Radius etwa 200 Astronomische Einheiten (AE) beträgt.
Trümmerscheiben (englisch "debris disks") wie die von AU Mic sind Überbleibsel aus der Phase der Planetenentstehung. Nach Abschluss der Sternentstehung war AU Mic von einer protoplanetaren Scheibe aus Gas und Staub umgeben, aus der sich durch Kollisionen zwischen Planetesimalen oder durch die Auflösung von Kometen etwaige Planeten formten, die weitere Beobachtungen vielleicht nachweisen könnten. Auch unser Sonnensystem wird von einer solchen, allerdings deutlich gealterten, Trümmerscheibe umgeben: dem Kuipergürtel jenseits der Umlaufbahn des Neptuns, der aus Tausenden kleinerer Himmelskörper besteht.
Rasche Veränderungen um einen jungen Stern
Als das Instrumententeam von SPHERE nach Zielobjekten für erste Beobachtungen suchte, war AU Mic ein naheliegender Kandidat. Auch Thomas K. Henning, Direktor der Abteilung "Planeten- und Sternentstehung" am Max-Planck-Institut für Astronomie, ist an der Forschungsarbeit beteiligt. In einer Mitteilung des MPIA erläutert er: "Gleich auf den ersten Blick haben wir detaillierte Strukturen in der Scheibe gesehen – hätten Sie mir vor ein paar Jahren gesagt, dass solche Bilder 2015 möglich wären, hätte ich Ihnen das vermutlich nicht geglaubt. Wir haben diese Strukturen dann mit Bildern verglichen, die einige Kollegen und ich 2010 und 2011 mit dem Weltraumteleskop Hubble aufgenommen hatten." Henning fährt fort: "Uns erwartete eine Überraschung: In der Tat war es uns möglich, eine ganze Reihe von Strukturen eindeutig sowohl in den SPHERE- als auch in den Hubble-Bildern zu identifizieren. Aber innerhalb der wenigen Jahre, die zwischen den beiden Beobachtungen vergangen waren, hatten sich diese Strukturen deutlich weiter vom Stern entfernt. Zum ersten Mal beobachten wir nicht nur die Struktur oder die spektralen Eigenschaften einer solchen Trümmerscheibe – wir konnten zusehen, wie sich die Scheibe veränderte!"
Bislang ist nicht klar, wie diese Dynamik in der Trümmerscheibe zu Stande kommt. Wie bei relativ jungen Sternen häufig, zeigt AU Mic starke Aktivität und produziert mit einiger Häufigkeit Eruptionen, bei denen stellares Plasma mit hohen Geschwindigkeiten nach außen geschleudert wird. Bewegte Strukturen in der Staubscheibe könnten eine Folge davon sein.
Sollten sich Hinweise auf die Existenz eines oder mehrerer Planeten finden, könnten eventuell auch diese für die Dynamik innerhalb der Scheibe verantwortlich sein. Die Veränderungen würden in diesem Fall durch die Schwerkraftanziehung der Planeten während ihres Wanderns durch die Scheibe hervorgerufen.
Ganz sicher werden Astronomen weltweit ihre Blicke und Instrumente auf AU Mic richten, um dem überraschenden Nachweis der Scheibendynamik dieses Sterns weitere Erkenntnisse abzugewinnen. Vielleicht mag mit den Bildvergleichstechniken, für die SPHERE optimiert ist, sogar der Nachweis von gerade entstehenden Planeten um AU Mic gelingen.
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