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Krebsforschung: Bewegungsmelder an der Abbruchkante

Zerbricht die DNA in zwei Teile, so sollte der Zellkern darauf schnellstmöglich reagieren - defekte Anweisungen eines brüchigen Befehlszentrums können schließlich ganz schnell in zellulären Katastrophen münden. Zunächst aber muss dazu eine Alarmanlage schrillen, deren Warnsensor nun gefunden wurde.
Wie Krebs entstehen kann, ist ganz einfach zu erklären: Irgendetwas – energiereiche Strahlung, ein mutagener Giftstoff, ein anderer schädigender Einfluss der Umwelt – zerstört das Erbgutmolekül, der Versuch einer Reparatur geht schief, defekte Gene beginnen sinnlose Befehle zu erteilen, der zelluläre Mechanismus mutiert zu einem ungebremst wuchernden, Gewebe zerstörenden Fremdkörper: Ein Tumor ist geboren.

Dieser finale Ernstfall tritt allerdings weitaus seltener auf als ein erster Schaden im fragilen Erbgut – nicht jeder DNA-Strangbruch führt zu Krebs. Viel häufiger gelingt es der Reparatur-Notfalltruppe unserer Zellen, ein Entarten zu verhindern oder eine unrettbar geschädigte Zelle zumindest zum selbstlosen Apoptose-Suizid zu überreden, bevor sie weiteren Schaden in der Nachbarschaft anrichten kann.

Zentraler, nun schon seit längerem bekannter Organisator eines derartigen gewollten Zellselbstmordes ist das Tumorsupressorgen p53. Ohne dieses wären Tumoren häufiger: Bei der Hälfte aller erkannten Krebsformen fehlt den Zellen ein funktionsfähiger p53-Wächter.

Wie p53 wirkt, ist nun nicht mehr ganz so einfach zu erklären. Das kurzlebige Protein, normalerweise beschäftigt mit regulatorischen Maßnahmen der Zellteilung, erkennt DNA-Defekte, leitet Reparaturen ein und drückt, falls diese fehlschlagen, auf den roten Selbstzerstörungsknopf. Aber wodurch wird es selbst aktiviert? Was löst ein Umschalten von normaler DNA-Reparatur auf Apoptose-Befehlsweitergabe aus?

Nicht einfacher macht, dass p53 von einem ganzen Chor eigener Helfer unterstützt wird: Je genauer man hinschaut, desto komplexer wird das Knäuel von Fäden, an denen die Zelle offenbar ziehen kann, um das Notfallprogramm zu starten und zu lenken. Sergei Chuikov und seine Kollegen vom Wistar-Institut glauben nun aber, den Ende des allerersten Fadens dieses Knäuels entdeckt zu haben – und die Antwort darauf, welcher Zellbestandteil überhaupt als erstes einen fatalen DNA-Schaden erkennt und p53 alarmiert. Kernstück der DNA-Defekterkennung, so die Forscher nach umfangreichen Strukturanalysen, ist das Protein 53BP1.

53BP1 zeichnet sich durch auffällige Struktureigenheiten aus: Zwei durch eine tiefe Rille getrennte Eiweiß-Schleifen gestatten ein Andocken an die Gerüststruktur der DNA-Verpackung, die Histone. Diese basischen Eiweißspindeln, um welche sich die DNA-Kette Platz sparend herumwickelt, spielen eine erst spät erkannte Schlüsselrolle bei allen Prozessen, an denen DNA beteiligt ist: Nur wenn die Verpackungseiweiße einen Erbgut-Abschnitt freigeben, kann die DNA vervielfältigt oder abgelesen werden.

Damit 53BP1 an das verpackte Erbgut binden kann, muss ein bestimmter Eiweißrest des basischen Verpackungsmaterials – ein methyliertes Lysin nahe des Endes von Histon H3 – unbedingt nach außen ragen, fanden die Forscher heraus. Diese Konstellation aber tritt offenbar nur ein, wenn die um die Histone geschlungenen DNA-Moleküle defekt sind: Ein Doppelstrangbruch verschiebt dann die Histon-Wickelspindeln und verschiebt einen Alarmsensor – eben das methylierte Lysin – in zugängliche Stellung. Wird dieser von 53BP1 erkannt, dann bindet dies am Ort des Defektes und rekrutiert in der Folge weitere Zellhelfer – als prominentesten eben das Tumorsupressorgen p53.

Knäuel entwirrt? Noch lange nicht – auch wenn das eine Ende des p53-Rettungsprogramms nun in den Händen der Forscher liegt, weiter unten verwirren sich die Stränge der Zellmechanismen weiterhin kaum durchschaubar. Bis Mediziner an einem dieser Fäden einfach ziehen können, um Krebs zu verhindern, wird wohl noch einiges zu entheddern sein.
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