Urknallecho: BICEP2-Daten lösen sich endgültig in Staub auf
Vom Glück werden die Forscher von BICEP2 momentan nicht gerade verfolgt: Nachdem lange schon handfeste Diskussionen im Gang waren, dass jenes im März 2014 verkündete sensationelle "Urknallecho" auf einer fehlerhaften Datenanalyse beruht, misslang nun auch die offizielle Verkündung des tatsächlichen Ergebnisses. Denn dank einer Kommunikationspanne auf der offiziellen französischen Internetseite zur Planck-Mission kam nun auch noch vorzeitig heraus, dass sich die Entdeckung von Gravitationswellen aus der frühesten Kindheit des Universums als staubiger Irrtum entpuppte. Das berichtete der "New Scientist" letzten Freitag online vorab in Bezug auf eine zwischenzeitlich abgeschaltete Seite, auf der die neueste Datenauswertung der Planck- und BICEP2-Daten vorgestellt wurde. In der Zwischenzeit zog die ESA nach und publizierte offiziell die Neuauswertung von Daten des BICEP2-Teams und der europäischen Planck-Mission, die ebenfalls nach Gravitationswellen im Universum sucht. "Wir können zeigen, dass die Rolle des kosmischen Staubs bei der Auswertung völlig unterschätzt wurde", heißt es demzufolge. Die Größe des gemessenen Signals für die so genannten primordialen Gravitationswellen reiche nach Zusammenlegung beider Datensätze nicht mehr aus, um von einem sicheren Nachweis zu sprechen.
Die Wissenschaftler von BICEP2 hatten 2014 behauptet, dass ein von ihnen gefundenes Polarisationsmuster in der kosmischen Mikrowellenstrahlung wenige hunderttausend Jahre nach dem Urknall entstanden sei. Diese Gravitationswellen wären also zu einer Zeit entstanden, als sich das All exponentiell schnell ausdehnte – eine Phase, die als kosmische Inflation bezeichnet wird. Albert Einstein hatte diese Gravitationswellen in seiner allgemeinen Relativitätstheorie theoretisch postuliert; sie wären durch den Befund bestätigt worden. Zudem hätten die Gravitationswellen einen Blick zurück auf die Zeit fast unmittelbar nach dem Urknall erlaubt. Staub in der Milchstraße emittiert allerdings ebenfalls polarisiertes Licht, dessen Muster jenem der primordialen Gravitationswellen gleicht: Eine zu oberflächliche Datenauswertung kann also in die Irre führen, was während der letzten Monate von verschiedenen Forschungsgruppen auch so geäußert wurde.
In ihrer gemeinsamen Analyse überlagerten die Planck- und die BICEP2-Mitarbeiter nun quasi ihre Datensätze. Das BICEP-Teleskop am Südpol hatte seine Wert im Frequenzbereich von 150 Gigahertz aufgezeichnet, während das weltraumbasierte Planck-System den gleichen Himmelsabschnitt auch in einer Frequenz von 353 Gigahertz erfasst hat – in diesem Bereich stammt praktisch das gesamte polarisierte Licht von kosmischem Staub. Zusammengenommen passten beide Aufzeichnungen perfekt zueinander: Die Region, in der BICEP2 sein stärkstes Signal gemessen hatte, glich hundertprozentig jenem der Planck-Mission – was den eindeutigen Schluss zulasse, dass es sich bei den erfassten Rippeln in der Raumzeit um kosmischen Staub handeln müsse, so die beteiligten Forscher.
"Sobald man die Lichtemissionen des kosmischen Staubs entfernt, steht der Nachweis der primordialen Gravitationswellen auf tönernen Füßen", sagt Jean-Loup Puget von der Université de Paris-Sud, der an der Planck-Mission beteiligt ist. "Und das bedeutet leider, dass es sich nicht um ein Signal der kosmischen Inflation handelt." Auf "Nature News", der Website des Journals "Nature", äußerten sich viele der befragten Astronomen enttäuscht darüber, dass der neue Befund unkontrolliert und vorzeitig in die Öffentlichkeit gelangte, nachdem schon die vermeintliche Sensationsmeldung vom letzten März vorschnell vom BICEP2-Team publiziert worden war.
"Als wir das 'Urknallecho' erstmals in unseren Daten bemerkten, verließen wir uns auf die besten damals verfügbaren Modelle zur Lichtemission galaktischen Staubs", erläuterte John Kovac von BICEP2. "Sie wiesen darauf hin, dass in dem von uns untersuchten Himmelsabschnitt die Staubpolarisation deutlich kleiner sei als das von uns empfangene Signal." Immerhin: Gänzlich ausgeschlossen ist es weiterhin nicht, dass Belege für die kosmische Inflation irgendwann aufgefangen werden – die gemeinsame Analyse könnte jetzt zumindest manche Fehlerquellen ausgeschlossen haben.
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