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News: Bienenkamikaze-Befehlshaber

Einem aufgescheuchten Bienenschwarm in Angriffslaune sollte man ohnehin besser nicht zu nahe kommen - manche wütende Bienen-Einzelkämpfer attackieren aber derart selbstmörderisch, als seien sie krank im Kopf. Und: offenbar sind sie es tatsächlich.
Apis mellifera
Nicht selten fordert ein Bienenstaat das Opfer Einzelner für übergeordnete Ziele der sozialen Gemeinschaft: Arbeiterinnen verzichten auf eigene Fortpflanzung, Drohnen existieren nur kurz zum Zwecke der Befruchtung – und es weht der Kami Kaze, der japanische "Wind der Götter". Er verlangt den selbstlosen Tod einiger Bienensoldaten bei der Verteidigung des Stocks. Im Angesicht einer existenziellen Gefahr stürzen sie sich scheinbar blind vor Wut und ohne Rücksicht auf das eigene Leben in jeden aussichtlosen Kampf – echte Kamikazeflieger eben

Jeder Verteidiger wird dabei allerdings nicht immer gleichermaßen mitgerissen, wie ein japanisches Forscherteam um Tomoko Fujiyuki von der Universität Tokio beobachtete. Vielmehr legen einige der Honigbienen-Soldateska eines Apis-mellifera-Staates stets aggressiveres, selbstmörderischeres und blindwütigeres Verhalten an den Tag als andere. Lassen sich innere Ursachen für diese Unterschiede zwischen Gemäßigten und Berserker-Vorwärtsverteidigern finden?

Auf der Suche nach einer Antwort bestimmten die Wissenschaftler anhand eines RNA-Expressionsmuster-Abgleichs, welche Gene jeweils in einzelnen, unterschiedlich aggressiven Bienen aktiv waren.

Mit Erfolg: Fündig wurden sie in Zellen des so genannten Pilzkörpers der Insekten, einer bei Bienen stark vergrößerten "Gehirn"-Region, die besonders bei Lernprozessen, Gedächtnisaktivitäten und Verhaltensänderungen der Tiere eine Rolle zu spielen scheint. Nur hier, und nur bei den aggressiven Kamikaze-Bienen, bemerkten die Forscher stets die Präsenz einer auffällige RNA mysteriöser Funktion – und tauften sie, nach dem japanischen Wort für Angriffsbereitschaft, Kakugo-RNA.

Kakugo codiert, wie eine genaue Analyse enthüllte, für eine Reihe von verdächtig-charakteristischen Eiweißen: ein Hüllprotein, eine RNA-Replikationsmaschine, weiteren typischen Kopierenzymen, kurz – einen Sammlung jener Proteine, die charakteristischerweise einen RNA-Virus ausmachen. Einen Virustyp zumal, der Bienenforschern kein Unbekannter ist: Die Bauanleitungen ähnelten sehr denen der bieneninfizierenden Picorna-Viren.

Tatsächlich gelang es den Forschern daraufhin, mit isolierter Kakugo-RNA andere Bienen zu infizieren – nach einer RNA-Injektion vermehrte sich das Virus in den Pilzkörpern der Insekten-Versuchskaninchen deutlich. Blieb nur zu klären, ob der Kakugovirus – einzig isolierbar aus den aggressiven Selbstmordverteidigern – auch tatsächlich für die Auslösung des Aggressionsverhaltens verantwortlich ist.

Dies endgültig zu beweisen, erwies sich allerdings als steiniger Weg. Denn unmöglich blieb, künstlich durch RNA-Injektion mit Kakugo infizierte Bienen nach dem Eingriff wieder in den Bienestock einzusetzen, um dann ihr Aggressionspotenzial in natürlicher Umgebung zu messen: Die veränderten Bienen wurden stets als Fremdkörper enttarnt und von der Stockverteidigung postwendend entfernt.

Obwohl damit der ultimative Beweis zunächst ausbleiben muss: Die Forscher um Fujiyuki sind sicher, dass die virale RNA auch unter natürlichen Bedingungen integrierter Teil der Abwehrstrategie eines Bienenstocks ist. Als Aggressionsverstärker forme das Virus dabei stets neue Mitglieder der Bienenwachmannschaft zu selbstvergessenen Kampfmaschinen um – Kakugo als Elixier der Kamikazekaste, sozusagen.

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