Bilanz der Klimakonferenz: Weltrettung auf Wiedervorlage
Die Ansprache des Honorable Simon Kofe, Minister für Justiz, Kommunikation und äußere Angelegenheiten des Inselstaats Tuvalu, beginnt ganz konventionell. Er wendet sich per Video an die Delegierten der Klimakonferenz COP26 in Glasgow (hier auf der Facebook-Seite seines Ministeriums). Der Bildausschnitt zeigt ihn mit Jackett, weißem Hemd und Krawatte, im Hintergrund die Flaggen der Vereinten Nationen sowie seines Heimatlandes.
Der Minister spricht über die Klimakrise, fordert, das Ende der Emissionen im Jahr 2050 sicherzustellen. Und dann, nach dreieinhalb Minuten Ansprache, beginnt die Kamera von seinem Oberkörper wegzuzoomen. Erst erkennt man, dass er seine Rede irgendwo in der Natur hält, dann, dass sein Pult im Meer steht und er bis über beide Knie mit der Anzughose im Wasser. Es ist ein symbolisches Bild. Es erinnert an das Jahr 2009, als die Regierung der Malediven ihre legendäre Kabinettssitzung auf dem Meeresboden abhielt.
In jenem Jahr war der UN-Klimagipfel in Kopenhagen in letzter Sekunde gescheitert. Hat Kofes Ansprache zwölf Jahre später mehr genutzt als die Sitzung unter Wasser? Die Konferenz in Glasgow galt als wichtigstes Treffen seit dem Gipfel in Paris, auf dem im Jahr 2015 immerhin ein globales Abkommen geschlossen wurde. Die Frage nach Erfolg oder Scheitern wird sich erst in den nächsten Tagen und Monaten beantworten lassen. In einer ersten Reaktion auf die Beschlüsse der COP26 sprach UN-Generalsekretär António Guterres von Fortschritten. Aber die Welt »klopft noch immer an die Tür zur Klimakatastrophe«.
Deswegen dürften besonders die Delegierten vieler kleinerer Staaten des globalen Südens die Zähne zusammengebissen haben, als sie am späten Samstagabend dem Kompromiss der Abschlusserklärung zustimmten. Die Vertreterin der Marshallinseln, Tina Stege, hatte vorher erklärt, das Abkommen gehe nicht weit genug, aber es bedeute Fortschritt. Und der Verhandlungsführer von Guinea, Alpha Kaloga, sagte zu einem Reporter der »Süddeutschen Zeitung«: »Wir müssen in den Verhandlungen immer viel höflicher sein, als wir eigentlich sein wollten.«
Kohle und 1,5 Grad – die Gesamtbilanz der COP26
Das wichtigste Ziel der Konferenz war, die Tür zum Erreichen des so genannten 1,5-Grad-Ziels nicht zuzuschlagen. Auf diesen Wert soll die Erderhitzung bis ins Jahr 2100 abgebremst werden. Als Vergleichsmaßstab gelten die Verhältnisse vor Beginn der Industrialisierung. Laut dem jüngsten Bericht des Weltklimarats IPCC sind allerdings 1,1 Grad bereits erreicht. »Diese COP ist die letzte Chance, das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite zu halten«, erklärte Niklas Höhne vom New Climate Institute in Köln im Vorfeld.
Daran gemessen könne man die Konferenz gerade so eben als Erfolg bewerten, finden Beobachter. »Glasgow hat das 1,5-Grad-Limit wiederbelebt, es befindet sich jedoch immer noch auf der Intensivstation«, sagt Höhne.
Patricia Espinosa betont den Arbeitsauftrag, der von COP26 ausgegangen sei. »Wir verlassen Glasgow mit der Klarheit, was wir tun müssen, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen«, sagt die Leiterin des internationalen Klimasekretariats in Bonn. Und für Bill Hare von Climate Analytics hat die Konferenz »die politische Verpflichtung auf das 1,5-Grad-Ziel verstärkt.«
Doch wer das 1,5-Grad-Ziel erreichen will, muss jetzt schon deutlich Treibhausgase reduzieren und nicht erst in den kommenden Jahrzehnten. Gerade hier mangele es an konkreten Maßnahmen und Zusagen. »Glasgow hat diese Lücke noch nicht geschlossen, aber es hat einen Prozess der Dringlichkeit in Gang gesetzt«, sagt Hare.
Davon abgesehen hat die Konferenz jedoch einige Haken an offene Punkte gemacht. Zwar stehen viele solcher Passagen im Abschlussdokument sozusagen auf dünnem Papier, weil immer wieder Formulierungen ausgestrichen, ausradiert und neu geschrieben wurden, aber nun gibt es sie schriftlich, und alle 197 Länder haben zugestimmt.
Exemplarisch zeigt sich das beim Umgang mit Kohlekraftwerken. Da hatte es während der Konferenz zunächst viel Aussicht auf Fortschritt gegeben. In der ersten Woche erklärten 28 Länder sowie elf Banken und Finanzinstitutionen ihren Beitritt zur Allianz Powering Past Coal. Das war mit Zusagen verbunden, zum Beispiel die Nutzung von Kohle zur Stromerzeugung zu beenden – in der Ukraine etwa bis 2035. Aus Polen sind nun einzelne Regionen und Versorger dabei. Es fehlen aber weiter große Länder wie China, USA, Australien und Indien. Außerdem verpflichten sich 34 Länder und etliche Entwicklungsbanken, überhaupt keine Projekte mehr zu fördern, die fossile Brennstoffe nutzen. Deutschland ist hier als Nachzügler noch beigetreten.
Doch in den Entwürfen der Abschlusserklärung wurde der Kohleausstieg Schritt für Schritt weicher gekocht. Zunächst stand dort nur der Aufruf, aus »unabated coal power« auszusteigen, aus der »ungeminderten Kohlekraft«. Das bedeutet, dass Meiler, deren CO2-Ausstoß aufgefangen und zum Beispiel unterirdisch gelagert wird (das nennt man CCS), am Netz bleiben könnten. Die englische Formulierung der Entwürfe war zudem »phase out«, also abbauen. Daraus wurde in letzter Minute und offenbar auf Druck Chinas und Indiens »phase down«, also verringern.
»Das Signal, das diese COP sendet: Das Zeitalter der Kohle geht zu Ende«Jennifer Morgan, Geschäftsführerin von Greenpeace International
Dennoch werten es Beobachter als Erfolg, dass überhaupt zum ersten Mal der Kohleausstieg in einem völkerrechtlichen Dokument dieser Art erwähnt wird. »Im Rückblick könnte dieser Klimagipfel eines Tages als Wendepunkt zum Ausstieg aus der Kohle weltweit gesehen werden«, sagt Christoph Bals, Geschäftsführer von Germanwatch. »Der Druck auf Industrieländer wie Deutschland, bis 2030 aus der Kohle sowie aus Subventionen und internationaler Finanzierung für fossile Energien auszusteigen, wird nach dieser Weltklimakonferenz immer stärker werden.« Und Lukas Hermwille vom Wuppertal-Institut ergänzt: »Die eingefügten Abschwächungen sind letztlich für die Kohle nicht mehr als eine Rettungsleine aus Spinnenseide.«
Auch Jennifer Morgan, Chefin von Greenpeace International erklärt: »Sie haben ein Wort geändert, aber sie können nicht das Signal ändern, das diese COP sendet: Das Zeitalter der Kohle geht zu Ende.«
Vier zentrale Aufgaben hatten Fachleute vorher für diese Klimakonferenz identifiziert: Hat es hier den erhofften Fortschritt gegeben?
Erstes Ziel: Mehr Klimaschutz
In Glasgow haben die Staaten zumindest vereinbart, im Lauf des kommenden Jahres nachzulegen. Wie stark die Emissionen bis 2030 sinken müssen, steht nun im Abschlussdokument – um 45 Prozent gegenüber den Werten von 2010, das heißt um die Hälfte gegenüber dem momentanen Stand und um fast 60 Prozent gegenüber dem Niveau, auf das die Welt laut vorliegender Pläne tatsächlich zusteuert. Darum sollen die Länder, deren nationale Reduktionspläne nicht im Einklang mit diesem Ziel sind, schon Ende 2022 neue Pläne vorlegen. Das sind praktisch alle Länder. Danach soll es jährliche Treffen auf Regierungsebene geben, um die Ambitionen für 2030 zu steigern.
Drei wichtige Staaten hatten zuvor in Glasgow Erklärungen zu ihren Plänen veröffentlicht. Zum einen hat Indien verkündet, bis zum Jahr 2070 klimaneutral wirtschaften zu wollen. Das klingt zunächst enttäuschend, weil eine große Zahl anderer Staaten verspricht, dieses Ziel 2050 oder noch früher zu erreichen. Aber Indien hat einen weiteren Weg als viele andere zu gehen, und zahlreiche Fachleute loben die Ankündigung darum.
Zum anderen haben die USA und China überraschend eine gemeinsame Erklärung herausgegeben, in der sie zusätzliche Anstrengungen versprechen und in einer regelmäßig tagenden Kommission in Kontakt bleiben wollen. Das war angesichts der Rivalität der Großmächte auf vielen anderen Gebieten unerwartet. Beide Staaten deuten an, ihre Ziele für 2030 kurzfristig noch einmal anzupassen. Als Ziel der Anstrengungen wiederholen sie jedoch nur die Formel aus dem Pariser Abkommen, die eine Begrenzung auf 1,5 Grad als wünschenswert darstellt. Die Erklärung von Rom – unmittelbar vor der COP von der G-20-Staatengruppe verabschiedet, zu der beide Nationen gehören – war hier einen halben Schritt weiter gegangen und hatte das 1,5-Grad-Ziel immerhin betont.
Rechnet man auf Basis solcher Ankündigungen und weiterer Ergebnisse (siehe »Zweites Ziel«) hoch, wie stark die Erderhitzung im Jahr 2100 ausfällt, kommt man zu etwas anderen Werten als noch vor der Konferenz. Der Climate Action Tracker, an dem unter anderem die Organisation von Niklas Höhne und Bill Hare beteiligt sind, weist nun eine Aufheizung von 2,4 Grad aus, wenn alle vorliegenden Zusagen für 2030 erfüllt werden. Das ist noch deutlich zu viel, aber immerhin 0,3 Grad weniger, als die Hochrechnung aus dem Mai 2021 und der jährliche Emissions Gap Report des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, UNEP, besagten. Werden auch alle hoffnungsfrohen Ankündigungen zur Klimaneutralität für 2050 erfüllt, dann könnte die Temperaturzunahme auf 1,8 Grad begrenzt bleiben. Hier betrug die Vergleichszahl vor Glasgow 2,0 Grad.
Zweites Ziel: Fortschritte bei Einzelthemen
Der britische Premierminister Boris Johnson hatte für die Konferenz ein Mantra ausgegeben, das Fortschritte bei »coal, cars, cash, and trees« forderte. Dabei hat Ersteres, die Kohle, den britischen COP-Präsidenten Alok Sharma an den Rand seines Könnens getrieben.
Zum Thema Autos gab es eine Erklärung, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor nicht mehr verkauft werden sollen – in großen Märkten ab 2035 und weltweit ab 2040. Unterschrieben haben das 34 Staaten und Regionen wie Kalifornien, Quebec, Gangwon-Do in Südkorea und Schottland, sowie elf Autohersteller, darunter General Motors, Ford und Mercedes-Benz. Andere Hersteller haben sich aber genauso geweigert wie Frankreich, Italien, Japan, China und die USA – und Deutschland. Beobachter fühlten sich »unterwältigt«.
Beim Thema Bäume haben mittlerweile 141 Staaten versprochen, die Wälder zu schützen. Auf ihrem gemeinsamen Territorium liegen mehr als 90 Prozent der Waldflächen. Sie wollen die Rodungen bis 2030 stoppen und ins Aufforsten kommen sowie die Zerstörung von Naturflächen beenden. Außerdem werden fast 20 Milliarden Dollar dafür bereitgestellt. Wird das Abkommen vollständig umgesetzt, würden bis 2030 so viel Treibhausgase eingespart werden, wie die Menschheit derzeit in etwa einem halben Jahr emittiert. Die überwältigende Mehrheit davon entfällt auf nur drei Staaten: Brasilien, Demokratische Republik Kongo und Indonesien. Umweltschützer werten das als Erweiterung bestehender Versprechen, bleiben aber zurückhaltend, bis sie tatsächlich Taten sehen. Im Unterzeichnerland Brasilien hat Präsident Jair Bolsonaro der Agrarlobby bisher weitgehend freie Hand gelassen, ihre Felder und Weiden in den Regenwald hinein auszuweiten.
Daneben gab es noch ein Abkommen zum Thema Methan, dem Hauptbestandteil von Erdgas, das als hochwirksames Treibhausgas wirkt, wenn es in die Atmosphäre entweicht. Die Emissionen sollen bis 2030 um 30 Prozent sinken. 109 Länder machen mit, allerdings fehlen wichtige Unterschriften von China, Indien oder Russland. Auch zur Luftfahrt, Modeindustrie oder Stahl- und Zementherstellung gab es Ankündigungen in Glasgow, deren Wert sich noch erweisen muss oder bereits heftig kritisiert wird.
Schließlich erwähnt das Schlussdokument im gleichen Absatz, in dem die Kohle vorkommt, die nach wie vor verbreiteten Subventionen auf den Verbrauch fossiler Energieträger. Sie sollen abgeschafft werden, mit der Einschränkung, dass es dabei um »ineffiziente« Zahlungen geht. In Deutschland könnten darunter das Dienstwagenprivileg, die steuerliche Bevorzugung von Dieselkraftstoff oder Vergünstigungen im Braunkohletagebau fallen.
Insgesamt 14 solcher Vereinbarungen haben die Gastgeber vorgelegt und dafür wechselnde Zustimmung erhalten; Deutschland beteiligt sich an 13 davon. Je konkreter die Absprachen werden, desto mehr zieren sich die Staaten eben. Aber die Vielzahl an Initiativen findet Anerkennung und verbessert den Prozess der Umsetzung. »Die britische Regierung hat es geschafft, eine Reihe von Vorreiterallianzen zu wichtigen Klimaschutzthemen zu organisieren«, sagt Wolfgang Obergassel vom Wuppertal-Institut. »Es ist ein wichtiger Fortschritt, dass damit erstmals auf einer Klimakonferenz auf höchster Ebene über konkrete Klimaschutzmaßnahmen diskutiert wurde und nicht nur über abstrakte Emissionsreduktionsziele.«
Drittes Ziel: Genug Geld für ärmere Staaten
Die einzige wirkliche Erfolgsmeldung auf diesem Themenfeld ist womöglich: Am Geld ist der Gipfel nicht gescheitert. Aber viele Vertreter ärmerer Staaten erheben bittere Anklage. Schließlich haben die Industriestaaten ihre Zusagen gebrochen, ab 2020 jedes Jahr bis 2025 glatte 100 Milliarden Dollar für Klimaschutz und Anpassung zur Verfügung zu stellen. Schon vor der Konferenz war klar geworden, dass die Summe wohl erst 2023 erreicht wird, aber immerhin soll für die Jahre 2021 bis 2025 »im Durchschnitt« genügend Geld pro Jahr da sein. In Glasgow seien die Bedürfnisse der verletzlichsten Menschen der Welt auf dem Altar des Egoismus reicher Länder geopfert worden, twitterte Mohamed Adow vom südafrikanischen Thinktank Power Shift Africa.
Auch das Abschlussdokument bedauert den Fehlbetrag – das ist eine diplomatisch formulierte Rüge – und drängt auf Erfüllung der jetzigen Zusage. Immerhin ruft die Vereinbarung die Industriestaaten auf, die Mittel speziell für Klimaanpassung im globalen Süden zu verdoppeln; bisher ging der Löwenanteil des Gelds in Projekte, um Treibhausgasemissionen zu senken. Konkrete Zahlen fehlen jedoch, außerdem bleibt ungeregelt, wie es nach 2025 weitergehen soll. Die Gespräche sollen 2022 beginnen und 2027 beendet sein, so die einzige Entscheidung dazu. Zusagen während der Konferenz, Geld in zwei Hilfsfonds zu überweisen, beliefen sich auf eine knappe Milliarde Dollar; 150 Millionen davon kamen von Deutschland.
»Mit den ökonomischen Folgeschäden bleiben die betroffenen Länder weiterhin allein. Diese kolossale Ungerechtigkeit ist der hässliche Fleck auf dem Ergebnis von Glasgow«Jan Kowalzig, Oxfam Deutschland
»Hätten die Industrieländer ihre Hausaufgaben gemacht und [ihre] 100-Milliarden-Finanzzusage umgesetzt, wäre bei COP26 viel mehr drin gewesen«, twitterte David Ryfisch von Germanwatch.
Fortschritt beim Thema »Loss & Damage«, also dem Ausgleich für verlorene oder beschädigte Infrastruktur, hat es auf der COP26 auch nur wenig gegeben. Bis 2024 soll besprochen werden, ob hier Geld fließt. Zunächst einmal ist nur technische Hilfe zugesagt worden, um mit Extremwetterereignissen fertig zu werden. »Mit den wachsenden Kosten der ökonomischen Folgeschäden bleiben die betroffenen Länder also weiterhin allein«, sagt Jan Kowalzig von Oxfam. »Diese kolossale Ungerechtigkeit ist der hässliche Fleck auf dem Ergebnis von Glasgow.«
Viertes Ziel: Regelwerk zum Pariser Abkommen komplettieren
Ein wichtiger Erfolg ist es, dass die Buchhaltungsregeln für Treibhausgasemissionen, die im Pariser Abkommen offengeblieben waren, nun endlich fertig und beschlossen sind. Damit werden Emissionen und Reduktionen besser vergleichbar, Beobachter loben das als vertrauensbildende Maßnahme. »Das Geröll dieser Rechtsverhandlungen ist aus dem Weg«, sagte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth (SPD) im ZDF »heute journal«, jetzt sei der Weg frei für die Umsetzung.
Besondere Aufmerksamkeit galt während der ganzen Konferenz den so genannten Marktmechanismen nach Artikel 6. Er sieht vor, dass Staaten bei Klimaschutzmaßnahmen kooperieren und sich dann einigen können, wem die eingesparten Treibhausgase gutgeschrieben werden. Hier hatten Staaten wie Brasilien gefordert, dass beide Beteiligten dieselbe Reduktion verbuchen dürfen. Das hat die Konferenz in Glasgow aber klar zurückgewiesen. »Alle Länder müssen ohne Ausnahme eine Doppelzählung von Emissionsminderungen vermeiden«, sagt Lambert Schneider vom Öko-Institut. »Mit dem neuen Regelwerk müssen alle übertragenen Emissionszertifikate bilanziert werden, ähnlich wie bei einem Bankkonto.«
Der Preis für diese Festlegung ist, dass in Zukunft noch weiter mit so genannten Zertifikaten gehandelt werden darf, die Klimaschutzmaßnahmen bescheinigen, die weit in der Vergangenheit durchgeführt wurden. Das Kyoto-Protokoll hatte erstmals solche Mechanismen geschaffen, bei vielen dieser Bescheinigungen bestehen aber ernste Zweifel, ob dafür wirklich so viele Tonnen CO2 zusätzlich eingespart wurden wie angegeben. Wie groß dieses Problem für den Klimaschutz der Zukunft werden kann, ist unklar. Es könnte um mehrere Milliarden Tonnen Kohlendioxid gehen – das wäre die Größenordnung von einem zehntel Jahresausstoß. Womöglich fürchten aber potenzielle Käufer auch, dass man ihnen den Erwerb solcher Schrottzertifikate vorwirft und sie damit ihren eigenen Ruf untergraben.
Positiv sei in dem Zusammenhang, sagt David Ryfisch von Germanwatch, dass fünf Prozent der Einnahmen aus den Zertifikaten unter dem neuen Mechanismus an den Anpassungsfonds fließen und weitere zwei Prozent der Zertifikate gelöscht werden und damit dem Klima zugutekommen.
Was macht die Konferenz zum Erfolg?
Vor der Konferenz hatten viele Fachleute davon gesprochen, von Glasgow müsse ein Signal ausgehen: das Signal, dass der Welt ein Jahrzehnt mit rapiden Treibhausgaseinsparungen bevorsteht. Viele Formulierungen im Abschlussdokument könnte man in der Tat so lesen. So werden die nationalen Klimaziele nicht nur wie gefordert erst 2023, sondern bereits 2022 überprüft. Im Pariser Klimaabkommen war seinerzeit noch ein Fünf-Jahres-Turnus vorgesehen. »Diese Klimakonferenz hat die Heftigkeit der Klimabedrohung endlich anerkannt, aber noch lange nicht gebannt«, erklärte Annalena Baerbock, Parteivorsitzende der Grünen, in einer ersten Reaktion, ebenfalls im ZDF »heute journal«: »Die Industriestaaten stehen zuvorderst in der Verantwortung.«
Und dann sagte die Politikerin noch einen Satz – zu den Koalitionsverhandlungen zwar – der trotz seiner zweifelhaften Physik auch als Fazit der COP26 dienen könnte: »Bekanntermaßen: Wo Reibung entsteht, kommt dann ja irgendwann auch der Auftrieb.« Noch ist unklar, ob dieser Auftrieb auch den ärmsten Staaten hilft, wo Minister wie Simon Kofe ihre Ansprachen in der Lagune halten.
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