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News: Billiger und besser

Stagnation und neue Formen der Bürokratisierung kennzeichnen gegenwärtig die in der Bundesrepublik Deutschland laufenden Reformen der öffentlichen Leistungsproduktion. Wegen der Haushaltslage werden vorrangig betriebswirtschaftliche Instrumente zur Reform der Verwaltung eingesetzt, nicht aber grundlegende Innovationen der Leistungsgestaltung angestoßen. Reformstrategien unter Beteiligung von Politik, Bürgern und Belegschaften sucht man hierzulande vergebens. Wettbewerbs- und Kundenorientierung bleiben daher in Deutschland weiterhin unterentwickelt, wie ein internationaler Vergleich des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) ergab.
Die öffentliche Verwaltung sieht sich in fast allen hochentwickelten Ländern mit der Notwendigkeit konfrontiert, drastische Sparmaßnahmen umsetzen und zugleich ihr Leistungsangebot flexibler auf veränderte und gestiegene gesellschaftliche Anforderungen ausrichten zu müssen. Welche Konzepte und Maßnahmen, die in der OECD-Welt unter der Bezeichnung New Public Management zur Erreichung dieser Ziele eingesetzt werden, sich als richtungsweisende Innovationen durchgesetzt haben, ist im Rahmen einer umfangreichen Studie des WZB ermittelt worden.

Immer mehr deutsche Städte und Gemeinden experimentieren seit Beginn der 90er Jahre mit neuen Steuerungsmodellen. Zugunsten moderner dienstleistungs- und kundenorientierter Produktionskonzepte soll das bürokratische Modell der Leistungsproduktion überwunden werden. Deutschland folgt so mit etwa zehnjähriger Verspätung einem internationalen Reformtrend, der in den angelsächsischen Ländern – insbesondere in Großbritannien – begonnen wurde.

Der gerade erst anlaufende Wandlungsprozeß zeigt Tendenzen zur Stagnation und zur Bürokratisierung auf neuem Niveau. Zurückzuführen ist dieser Trend nicht zuletzt darauf, daß Innovationen allein aus verwaltungsinterner Sicht entwickelt werden; diese beziehen sich in Anbetracht der Haushaltslage wesentlich auf betriebswirtschaftliche Instrumente (Kosten-/Leistungsrechnung oder Controlling). Entsprechend dieser verengten Reformperspektive bleiben strategische Bündnisse mit der Politik einerseits und mit den Beschäftigten wie auch mit den Bürgern andererseits nach wie vor die Ausnahme.

Verglichen mit ausländischen Erfahrungen sind die Einbindung der einzelnen Städte in Netzwerke des Wissenstransfers und insbesondere die Unterstützung von Modernisierungsinitiativen durch Bund und Länderregierungen nur schwach ausgeprägt. Durch restriktive Auslegung werden Experimentierklauseln, die in den skandinavischen Ländern den Reformprozess vorangetrieben haben, hierzulande nachgerade zum Reformhindernis. Eine Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Staat und Kommunen ist erforderlich, wenn die Reform Fahrt gewinnen soll. Nicht nur innerhalb der Staats- und Kommunalverwaltung, sondern auch im Austausch zwischen beiden Ebenen müssen die Prinzipien eines New Public Managements – wie Dezentralisierung, Flexibilisierung und Kooperation – zukünftig verwirklicht werden.

Die WZB-Studie, die Frieder Naschold, Maria Oppen und Alexander Wegener erstellt haben, zeigt, daß unter anderem zwei Reformelemente in Deutschland besonders unterentwickelt sind: nämlich die Wettbewerbs- und die Kundenorientierung. Gerade sie sind aber Elemente, die sich in ihrer wechselseitigen Verschränkung als Triebkräfte des Wandels erwiesen haben, wie der Vergleich von Kommunalverwaltungen aus zehn Industrienationen zeigt. Nicht nur Lern- und Innovationsfähigkeit können hierdurch auf Dauer abgesichert werden; systematische Vergleiche mit der Leistungsfähigkeit der Mitbewerber sowie eine kontinuierliche Einbeziehung der Feedbacks von Bürgern und Nutzern offenbaren Leistungslücken und Verbesserungspotentiale.

In Deutschland beschränkt sich die Debatte um Vermarktlichung von öffentlichen Leistungen insbesondere auf die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen. Die langjährigen und breiten Erfahrungen im Ausland mit dem internen Wettbewerb zwischen verschiedenen Arbeitseinheiten einerseits und der Vergabe von Leistungsauftragen im Wettbewerb zwischen öffentlichen und privaten Anbietern andererseits können die schwach entwickelte Wahrnehmung von alternativen Möglichkeiten (und Grenzen) der Vermarktlichung und deren dynamisierende Effekte für die Binnenmodernisierung hierzulande vorantreiben.

Von einzelnen Vorreitern abgesehen, kann in Deutschland gegenwärtig nicht von einem Trend zur Kundenorientierung die Rede sein. Beteiligungsformen für Bürgerinnen und Bürger (Initiativen) und organisierte Interessen an der Erarbeitung neuer kommunaler Problemlösungen, die nicht nur mehr Lebensqualität, sondern zugleich eine sinnvollere Nutzung knapperer Ressourcen versprechen (Demokratisierung des Sparens), werden in Deutschland bislang kaum wahrgenommen. In internationaler Perspektive läßt sich demgegenüber ein Trend zur systematischen Verknüpfung verschiedener Kundenfeedbacksysteme sowie diskursiver und interaktiver Instrumente der Bürgerbeteiligung ausmachen. Vor allem bilden dabei umfassende partizipative Qualitätsmanagementstrategien zur kontinuierlichen Verbesserung von Prozessen, Strukturen und Produkten oft den Rahmen, um verschiedenen Gruppen von Reformbetroffenen und -beteiligten mit ihren je spezifischen Interessen zu einflußreichen Akteuren des Umbaus zu machen.

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