Biodiversität: Mit Wattestäbchen Wildtieren auf der Spur
Kleinste DNA-Mengen in der Luft reichen aus, um die Artenzusammensetzung in einem Gebiet zu ermitteln – diese Entdeckung hatte die Molekularökologin Christina Lynggaard von der Universität Kopenhagen erst im vergangenen Jahr veröffentlicht. Das brachte sie und ihr Forscherteam auf die Idee, dass es womöglich noch eine einfache Methode geben könnte, die Biodiversität zu ermitteln: »Wenn tierische DNA in der Luft um uns herum ist, setzt sie sich vielleicht ab und bleibt an klebrigen Oberflächen wie Blättern haften«, sagt Jan Gogarten, der mit Christina Lynggaard am Helmholtz-Institut für One Health in Greifswald arbeitet. Ließe sich so die Biodiversität auch in Arealen ermitteln, in denen Tiere schwer zu beobachten sind?
Um dies zu prüfen, begab sich das Forschungsteam in einen dichten tropischen Regenwald in Uganda und tupfte mit insgesamt 24 Wattestäbchen jeweils drei Minuten lang Blätter ab. »Ehrlich gesagt haben wir keine großartigen Ergebnisse erwartet«, erklärt Christina Lynggaard. »Der Regenwald ist heiß und feucht, und unter diesen Bedingungen wird DNA schnell abgebaut.« Daher waren die Forschenden positiv überrascht, als sie die Ergebnisse der DNA-Sequenzierung in den Händen hielten. »Wir fanden DNA von einer überwältigenden Vielfalt an Tieren in diesen 24 Wattestäbchen. Mehr als 50 Arten von Säugetieren und Vögeln sowie einen Frosch. Und das alles nach nur 72 Minuten Blätter-Tupfen», sagt Jan Gogarten.
In jedem der Wattestäbchen fanden die Forscherinnen und Forscher die DNA von durchschnittlich etwa acht Tierarten. Das Spektrum reichte von sehr großen, bedrohten Afrikanischen Elefanten bis zu einer sehr kleinen Sonnenvogel-Art. Außerdem konnten sie einen Hammerkopf, einen Flughund mit einer Flügelspannweite von bis zu einem Meter, Affen wie die seltene Östliche Vollbartmeerkatze und den gefährdeten Uganda-Stummelaffen sowie ein Nagetier, das Ölpalmenhörnchen, nachweisen. Auch Vögel wie der Riesenturako und der vom Aussterben bedrohte Graupapagei wurden gefunden. Ihre Ergebnisse haben die Autoren in »Current Biology« veröffentlicht.
»Die Vielzahl der nachgewiesenen Tierarten und die hohe Nachweisquote pro Wattestäbchen zeigen, dass tierische DNA problemlos von Blättern abgetupft und anschließend analysiert werden kann«, sagt Jan Gogarten. »Diese Methode könnte in größerem Maßstab als Informationsgrundlage dienen, um Biodiversität sowie ihre Verluste zu erfassen und daraus Strategien für das Wildtiermanagement abzuleiten.«
Weltweit sind Tiere durch menschliche Aktivitäten ernsthaft bedroht, wobei der Verlust der biologischen Vielfalt in den Tropen besonders dramatisch ist. Der Artenverlust hat weit reichende Folgen für die grundlegenden Leistungen und Funktionen dieser Ökosysteme, einschließlich Pflanzenbestäubung und Verbreitung von Samen. Die Überwachung von Tierpopulationen ist daher von entscheidender Bedeutung, um das Ausmaß der Veränderung in Ökosystemen zu verstehen und die Entwicklung wirksamer Managementstrategien zu unterstützen. Die Forschenden sehen aber auch eine Möglichkeit, mit ihrer Methode künftig das Risiko von Krankheitsübertragungen in diesen Gebieten zu überwachen. So könnten Gebiete überprüft werden, in denen Kontakte zwischen bestimmten Wildtieren und Menschen wahrscheinlich sind.
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