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Coronavirus: Biontech-Impfstoff schützt womöglich schlechter vor Delta als gedacht

Vor schweren Erkrankungen schützt Biontechs Vakzin zuverlässig, vor einer Ansteckung mit Delta hingegen nur mäßig. Darauf deuten Daten aus Israel hin. Mögliche Lösung: ein dritter Boost.
Ein Mitarbeiter der Fraport AG wird in der Impfstraße des Impfzentrum des Flughafenbetreibers Fraport von einem Arzt auf seine bevorstehende Corona-Impfung vorbereitet.

Die Delta-Variante des Coronavirus bestimmt inzwischen in immer mehr Ländern das Infektionsgeschehen. Auch in Deutschland breitet sie sich aus: Laut den jüngsten verfügbaren Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) waren in der Woche vom 14. bis zum 20. Juni 2021 37 Prozent aller gemeldeten Fälle auf die besonders ansteckende Variante zurückzuführen. Inzwischen dürfte der Anteil deutlich höher liegen. Das Gute: Alle bislang zugelassenen Impfstoffe schützen vor Delta. Manch mRNA-Impfstoff allerdings wohl nicht so gut wie bislang gedacht.

Der Impfstoff von Biontech/Pfizer kann Impflinge wohl auch nach der zweiten Dosis nur in 64 Prozent der Fälle vollständig vor einer Ansteckung mit Delta bewahren. Das zeigen vorläufige Daten, die ein Team des israelischen Gesundheitsministeriums am 5. Juli 2021 präsentiert hat. Bisher waren Forschende davon ausgegangen, dass das Vakzin zu rund 90 Prozent vor einer Infektion mit Delta schützt. Immerhin: Schwere Verläufe verhindert das Mittel zu 93 Prozent.

Wie entwickelt sich die Pandemie? Welche Varianten sind warum Besorgnis erregend? Und wie wirksam sind die verfügbaren Impfstoffe? Mehr zum Thema »Wie das Coronavirus die Welt verändert« finden Sie auf unserer Schwerpunktseite. Die weltweite Berichterstattung von »Scientific American«, »Spektrum der Wissenschaft« und anderen internationalen Ausgaben haben wir zudem auf einer Seite zusammengefasst.

Trotz hoher Impfquote steigen die Infektionszahlen in Israel an

In Israel sind inzwischen mehr als 90 Prozent aller Infektionen auf die Delta-Variante zurückzuführen. Gleichzeitig sind rund 56 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Das Land hatte mit seiner Impfkampagne einen beispiellosen Start hingelegt. Von einer Herdenimmunität ist die Bevölkerung allerdings trotzdem noch weit entfernt. Diese dürfte mit vorherrschender Delta-Variante erst dann greifen, wenn etwa 85 Prozent der Menschen gegen das Virus immunisiert sind. Das zeigen etwa neue Rechenmodelle des RKI.

Seit rund zwei Wochen steigen die Infektionszahlen in Israel, die sich lange auf sehr niedrigen Niveau bewegt haben, wieder an. Am Sonntag wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums 334 Personen in dem 9,3-Millionen-Einwohner-Land positiv getestet. Derzeit zählen die Behörden insgesamt ungefähr 2600 aktive Corona-Fälle, 35 Menschen sind schwer erkrankt. Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus gab es in den vergangenen beiden Wochen nicht mehr.

Die jüngsten Daten des israelischen Gesundheitsministeriums beziehen sich auf den Zeitraum vom 6. Juni bis Anfang Juli 2021. Im Mai habe der Impfstoff von Biontech/Pfizer noch zu rund 94 Prozent vor einer Ansteckung geschützt.

Wie aussagekräftig die Daten sind, ist noch unklar

Viel mehr als diese Zahlen samt Grafiken hat das Ministerium bislang nicht vorgelegt. Es handle sich um vorläufige Daten, die auf Informationen beruhten, welche die Gesundheitsämter fortlaufend sammeln, sagte Regierungsberater Nadav Davidovitch von der Ben-Gurion-Universität des Negev der »Financial Times«. Die Delta-Variante sei zwar ansteckender, würde aber dank des Impfstoffs offenbar nicht zu zahlreichen schweren Verläufen und Todesfällen führen. Das deckt sich mit auf Twitter veröffentlichten Daten von Eran Segal, Datenwissenschaftler am Weizmann Institute of Science in Israel. Demnach dürften sich auf den Intensivstationen auch bei steigenden Fallzahlen dank der Impfungen künftig deutlich weniger Covid-19-Patienten befinden als bisher.

Wie die Zahlen aus Israel mit den Ergebnissen früherer Studien zusammenpassen, ist noch unklar. Mitte Juni hatten vorläufige Daten aus Großbritannien ergeben, dass der Impfstoff von Biontech/Pfizer in 88 Prozent aller Fälle einen symptomatischen Verlauf mit der Delta-Variante verhindert. Die Forscherinnen und Forscher hatten sich dazu alle symptomatischen Infektionen und Krankenhauseinweisungen mit Delta zwischen dem 12. April und den 4. Juni 2021 angeschaut. Den Schutz vor einer schweren Erkrankung gaben sie mit 96 Prozent nach der zweiten Impfung an. Bei dem Impfstoff von AstraZeneca lagen die Werte mit 67 Prozent und 92 Prozent etwas niedriger.

Die Daten aus Israel könnten darauf hindeuten, dass der Impfschutz in manchen Teilen der Bevölkerung – etwa bei alten Menschen – schneller nachlässt als erwartet, schreibt US-Gesundheitsexperte Andy Slavitt auf Twitter. Dafür spreche, dass Israel früher und schneller große Teile seiner Bevölkerung impfen konnte als viele anderen Länder. Die Verantwortlichen vor Ort überlegen deshalb bereits, ob eine dritte »Booster«-Impfung sinnvoll sein könnte. Eine Entscheidung darüber steht noch aus.

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