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News: Bis in den Tod

Sie wissen sich zu schätzen, seitdem sie in Ägypten eine Zweckgemeinschaft eingingen, lautet die gängige Vermutung. Doch vielleicht begann die wunderbare Freundschaft zwischen Mensch und Katze schon viel früher auf einer Mittelmeerinsel.
Wildkatze detail
Mal wurden sie als Göttinnen verehrt, mal als Verbündete des Teufels mit ihren Besitzern verbrannt. Aber immer waren sie von einer Aura des Magischen umgeben. Noch heute sehen viele Menschen in den geheimnisvollen Vierbeinern einen Unglücksboten – schwarze Katze von rechts lässt grüßen. Was die Freundschaft zwischen Mensch und Katze angeht, war der Fall für Francis, den berühmten Detektiv auf Samtpfoten, reine Routine: Alle Beweise sprachen für Ägypten als Schauplatz der Annäherung seiner Ahnen an die Spezies Mensch. Doch jetzt taucht eine mysteriöse neue Spur auf, die alles durcheinanderwirbelt.

Denn Jean-Denis Vigne, Archäozoologe vom Muséum National d`Histoire Naturelle in Paris hat innerhalb einer großen jungsteinzeitlichen Siedlung auf Zypern das Grab eines Menschen und einer Katze entdeckt – beide nur Zentimeter voneinander getrennt. Sie befanden sich jeweils in einer eigenen Grabgrube, ihre Skelette nach Westen ausgerichtet. Erstaunlich ist das Alter des ungleichen Paares, das schon vor 9500 Jahren im zypriotischen Shillourokambos seine letzte Ruhestätte fand.

Den Ursprung der Freundschaft zwischen Mensch und elegantem Mäusejäger vermuteten die Wissenschaftler bisher in Ägypten: Im Land der Pharaonen gaben die Menschen vor etwa 3000 bis 4000 Jahren ihr Nomadensein auf und wurden sesshaft. Sie bauten riesige Getreidespeicher, die Mäuse und Ratten in Scharen anlockten. Glücklicherweise hielten Wildkatzen die Schäden in Grenzen, deshalb lernten die Ägypter schnell, die leisen Jäger zu schätzen. Für die Wildkatzen ihrerseits bot die zunehmende Besiedlung und landwirtschaftliche Nutzung des Schwemmlandes am Nil eine neue ökologische Nische; sie schlossen sich dem Menschen an. Aus der Duldung entwickelte sich eine Zweckgemeinschaft und später sogar Verehrung in Form des Katzenkultes, indem der elegante Vierbeiner zur Göttin der Fruchtbarkeit aufstieg.

Mit dem neuen Grabfund auf Zypern steht Francis vor neuen Rätseln. Die Verbindung von Mensch, Beigaben und Katze legt nach Vignes Ansicht nahe, dass bereits vor 9500 Jahren Zwei- und Vierbeiner eine spirituelle Beziehung pflegten, die über eine Zweckgemeinschaft hinausging: "Ich bin zwar nicht vollständig davon überzeugt, dass die gemeinsame Orientierung der Skelette eine Bedeutung hat. Aber in jedem Fall denke ich, dass die große Nähe der beiden im Tod, auch für eine große Nähe im Leben spricht."

Der oder die Zypriotin – das Geschlecht konnte noch nicht bestimmt werden – war vermutlich zu Lebzeiten eine angesehene Persönlichkeit. Denn das Grab enthielt reiche Beigaben, wie polierte Steine, Äxte, Ocker – eine der ältesten Erdfarben, die Menschen schon vor 30 000 Jahren für Höhlenmalereien verwendeten – und Feuersteine. Ein kleines Erdloch in unmittelbarer Nähe war gefüllt mit 24 Meeresmuscheln. Die Wildkatze – mit wissenschaftlichen Namen Felis silvestris – verstarb in einem Alter von nur acht Monaten. Ihr Skelett wies keinerlei Anzeichen einer Verletzung auf.

Eine besondere Stellung der Vierbeiner in den alten Hochkulturen des Nahen Osten vermuten Forscher schon länger: In Syrien, Israel und der Türkei fanden Archäologen tönerne und steinerne Tierfigurinen in Katzengestalt, weitere Zeugnisse der ersten Bande zwischen Mensch und Vierpfoter. Eine davon ist sogar noch älter als das Grab von Zypriot und Katze – Grabungsleiter Guilaine vom Collège de France hat die Katzenfigur ebenfalls in Shillourokambos auf Zypern gefunden.

Jedenfalls gibt der Fund noch Rätsel auf. Eines steht für Francis immerhin fest: Das 9500 Jahre alte Grab in Shillourokambos auf Zypern ist der erste Nachweis, dass die Freundschaft zwischen Mensch und Katze vielleicht doch älter ist als bisher vermutet.

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