News: Bis über die Ohren und total verrückt
Die Psychiaterin Donatelle Marazziti von der Universität Pisa wollte sich mit solchen unbewiesenen Allgemeinplätzen nicht begnügen und verglich frisch verliebte Studierende mit Menschen, die an einer Zwangsstörung leiden. Letztgenannte quälen ständig zermürbende Angstgefühle, die sie veranlassen, immer wieder ritualisierte Handlungen zu wiederholen. Dabei kann der Zwang, sich zum Beispiel andauernd die Hände zu waschen oder alles exakt rechtwinklig anzuordnen, zum zentralen Punkt im Leben des Patienten werden. 1990 hatte Marazziti entdeckt, daß im Gehirn dieser Menschen der Neurotransmitter Serotonin vermindert war. Serotonin spielt jedoch eine wichtige Rolle als Übermittler von Nervensignalen, besonders wenn es um die Stimmung und emotionale Verfassung geht.
Zusammen mit ihren Teamkollegen untersuchte Marazziti die Serotoninspiegel bei zwanzig frisch verliebten Studierenden sowie zwanzig Personen mit Zwangsstörungen. Zum Erstaunen der Wissenschaftler wiesen beide Gruppen den gleichen Neurotransmittermangel auf (New Scientist vom 31. Juli 1999). "Es wird ja oft gesagt, daß man ein bißchen verrückt sei, wenn man verliebt ist", sagt Marazziti. "Anscheinend ist da was wahres dran."
Für die meisten Verliebten geht das emotionale Abenteuer aber glimpflich aus. Ein Jahr nach dem ersten Test hatten sich die Serotonin-Werte der Studierenden wieder erholt. Doch wie so viele Drogen, die sich auf Botenstoffe im Gehirn auswirken, kann auch Verliebtheit süchtig machen. Die professionelle Partnervermittlerin Lucy Selleck meint: "Anscheinend werden manche Leute süchtig danach, sich zu verlieben." Wenn das Gefühl schwächer zu werden droht, schauen sie sich nach dem nächsten "Aufputsch-Helfer" um. Vielleicht hat die Natur es doch etwas zu gut gemeint mit den Verliebten?
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